USA:Kapuzenpulli statt Krawatte

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John Fetterman, Senator für Pennsylvania, trägt auch auf dem Capitol Hill gerne Hoodie und Shorts. (Foto: Jacquelyn Martin/AP)

Der Senat verabschiedet sich von seinem Dresscode. Das dürfte besonders den Demokraten John Fetterman freuen. Bei vielen Republikanern ist die Aufregung dagegen groß.

Von Peter Burghardt, Washington

In diesen modisch historischen Tagen wird John Fetterman wieder bequem gekleidet im amerikanischen Kongress gesichtet, er ist ein Trendsetter. Auch wenn er auf diese Revolution auf dem Capitol Hill in Washington keinen direkten Einfluss genommen haben will. Fetterman also, 54 Jahre alt, Demokrat und seit Jahresbeginn Senator für Pennsylvania, wurde souverän mit Shorts, Sneakers und Schlabberhemd im ehrwürdigen Kuppelbau entdeckt.

Das ist für seine Verhältnisse keineswegs casual, denn bevorzugt trägt dieser groß gewachsene Mann auch im Amt Shorts, Sneakers und Hoodie. Fetterman weiß, dass das Leben härtere Herausforderungen bereithalten kann als die Frage, ob der Schlips sitzt - er bestritt seinen Wahlkampf nach einem Schlaganfall, gefolgt von Depression. Der Kapuzenpulli ist sein Markenzeichen, und ab sofort darf der Politiker sowieso anziehen, was er will. Denn im US-Senat ändert sich gerade ein Dresscode, der nie geschrieben wurde.

Anfang dieser Woche verkündete der demokratische Mehrheitsführer Chuck Schumer, dass es mit der informellen Regel vorbei sei. "Die Senatoren können wählen, was sie im Senat tragen. Ich werde weiterhin einen Anzug tragen." Anzug und Krawatte sind in dieser Kammer bisher Standard (Ausnahme Fetterman), bei Frauen Kleid oder Blazer mit Hose. Weitgehend zugeknöpft tagt eine der exklusivsten Politrunden dieser Welt. Und jetzt?

Jetzt herrscht eine Aufregung, als werde das Weiße Haus grün angemalt oder das Lincoln-Memorial abgebaut. Hatte das Kapitol nicht schon genug abzuwehren, darunter die Hooligans von Donald Trump am 6. Januar 2021? Diesmal machen vor allem die Republikaner auf Etikette. Die sonst krawallfreudige Trump-Verehrerin Marjorie Taylor Greene nennt das Ende der Business-Norm "schändlich", für eine konservative Kommentatorin ist Fetterman ein "ekelhafter Schlamper".

Lieber eine intakte Kleiderordnung als ein funktionierender Haushalt

Das Entsetzen kontrastiert ein wenig mit dem aktuellen Versuch des rechten Flügels, den Regierungshaushalt und die Hauptstadt lahmzulegen. Hardliner hätten offenbar grundsätzlich nichts dagegen, die Demokratie zu begraben, weshalb die Sorgen des republikanischen Senators Roger Marshall ungewollt komisch klingen. Er vertrete die Menschen in Kansas, so Marshall, "und so wie ich mich für eine Hochzeit in Schale werfe, um die Braut und den Bräutigam zu ehren, so wirft man sich bei einer Beerdigung in Schale, um die Familie des Verstorbenen zu ehren".

Der Minderheitsführer Mitch McConnell, 81, kann sich keine Jeans im Senat vorstellen. Die Republikanerin Susan Collins sieht die Institution entwertet und scherzt, sie werde im Bikini erscheinen. Der Demokrat Sheldon Whitehouse dagegen wünscht sich "keinen Lendenschurz", ansonsten sei gewisse Lockerheit für gehetzte Politiker aber ganz praktisch.

Selbst die Washington Post hat Angst, und zwar, "dass aufmerksamkeitsheischende Gesetzgeber T-Shirts tragen, auf denen die Namen und Maskottchen ihrer heimischen Sportvereine prangen - oder aufrührerische parteipolitische Botschaften". John Fetterman begrüßt die entkrampfte Kleiderordnung, dies sei wie bei Burger King, "you rule", du bestimmst. Und ja, er hat bereits ein T-Shirt auf dem Markt, darauf Beleidigungen seiner Gegner.

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