US-Kongress:Der Vierte im Grand Old Theater

Lesezeit: 4 min

Mike Johnson nach seiner Nominierung für das Amt des Speakers. (Foto: Jonathan Ernst/Reuters)

Mike Johnson hat es geschafft, der US-Republikaner ist nach der Rebellion gegen Kevin McCarthy jetzt als Kandidat Nummer vier neuer Sprecher des Repräsentantenhauses. Er gilt als extrem rechts, aber das Wichtigste ist sowieso: Er muss Donald Trump genügen.

Von Peter Burghardt, Washington

Die Suche nach einem neuen Sprecher des US-Repräsentantenhauses ging am Mittwoch in die nächste und nun doch letzte Runde, vorher war mit gewisser Verspätung das Türschild des alten Sprechers verschwunden. Am 3. Oktober hatte eine Radikalenriege seiner eigenen Partei, der Republikaner, Kevin McCarthy gestürzt - drei Wochen später wurde das Brett mit der Aufschrift "Speaker of the House, Kevin McCarthy" abgeschraubt. Auf dieser Tafel steht künftig dieser Name: Mike Johnson.

Johnson, 51, war bereits der vierte Kandidat der republikanischen Mehrheitsfraktion in diesem bizarren Wettbewerb um den Platz am Pult. Für Vorgänger McCarthy ist er "ein Freund, Kämpfer und prinzipientreuer Konservativer", er habe seine volle Unterstützung. Rechtsaußen Matt Gaetz, der die Rebellion gegen McCarthy angezettelt hatte, äußerte sogar Begeisterung. Der demokratische Minderheitsführer und Gegenkandidat Hakeem Jeffries dagegen wies darauf hin, Johnson sei "ein rechtsextremer Ideologe". Wegweisend indes dürfte mal wieder Donald Trump gewesen sein, der seinen Republikanern "dringend" empfahl, "sich für den Spitzenkandidaten Mike Johnson zu entscheiden".

US-Repräsentantenhaus
:Neuer Sprecher, bekannte Probleme

Wochenlang war der dritthöchste Posten der USA vakant, jetzt hat sich mit Trumps Segen der Hardliner Mike Johnson durchgesetzt. Auf seinem Schreibtisch hat sich einiges angehäuft.

Von Peter Burghardt

Auch Tom Emmer war am Dienstag Kandidat. Aber nur für vier Stunden

Das taten die Republikaner jetzt also, nach 22 Tagen und drei misslungenen Nominierungen. Johnson bekam 220 von 429 Stimmen, alle anwesenden Republikaner waren für ihn (und alle 209 anwesenden Demokraten für Jeffries), eine für seine zerstrittene Fraktion ungewöhnliche Disziplin. Der fromme, stramm rechte Mann aus Louisiana ist Abtreibungsgegner und gehört zu jenen Trump-Verehrern, die dessen Wahlniederlage 2020 gegen Joe Biden rückgängig machen wollten. Johnson gefiel dem Patron besser als jener Bewerber, wegen dem Trump das Chaos seiner Abgeordneten und das Theater um McCarthys Nachfolger tags zuvor um ein bei ihm beliebtes Fachwort erweitert hatte.

Es klingt wie rhino, Nashorn, lautet jedoch Rino, solche Exemplare gibt es nur in der sehr eigenen Welt der Republikaner. Ein Rino ist ein Republican in Name Only, ein "Republikaner nur dem Namen nach". Als solche beschimpfen Hardliner Kollegen, die sich nicht komplett ihrer Radikaldressur unterwerfen, besonders gerne verteilt den Titel der republikanische Oberdompteur Trump. Diesmal hatte es Tom Emmer erwischt.

Emmer wollte McCarthy beerben, republikanischer Nominierter war er am Dienstagvormittag allerdings nur vier Stunden lang. Der 62 Jahre alte Politiker aus Minnesota hatte sich in internen Abstimmungen gegen mehrere Rivalen durchgesetzt. Dann ernannte ihn Trump in seinem Netzwerk Truth Social zum "RINO Tom Emmer" und gab bekannt, dass er seine Ernennung für "einen tragischen Fehler" halte, weil dieser "RINO Emmer" ihn nicht genügend unterstützt und die Werte von Make America Great Again nicht verstanden habe.

Das Rennen sei "irgendwie verrückt geworden", sagt ein Republikaner

Emmers Vergehen bestand darin, dass er die Mär vom geklauten Wahlsieg Trumps nicht uneingeschränkt teilt. So war am Dienstagnachmittag klar, dass Emmer selbst in den eigenen Reihen zu viele Gegner hat, um im Plenum die nötigen Stimmen zu sammeln. So einer kann sich gegen die Demokraten kaum durchsetzen, denn die Republikaner haben nur fünf Stimmen Vorsprung. Tom Emmer zog seine Kandidatur zurück.

Es war eine weitere, besonders absurde Folge dieser Fahndung nach einer Besetzung für das Himmelfahrtskommando mit dem Holzhammer. Und noch ein Beitrag zum Zerfall der einst respektablen Grand Old Party, kurz GOP. Erst scheiterte in den vergangenen Tagen Steve Scalise, der Fraktionsvorsitzende, der Majority Leader, an den ganz rechten, danach der Scharfmacher Jim Jordan an den vergleichsweise gemäßigten Parteimitgliedern. Dann erwischte es den dritten Mann, Tom Emmer. Der nächste Versuch gelang schließlich mit dem vierten Mann, Mike Johnson. "Heute ist der Tag, an dem wir es schaffen", hatte die Abgeordnete Elise Stefanik versprochen.

Johnson sei der Richtige, sprach Mitstreiter Kevin Hern. "Dieses Rennen ist an einem Punkt angelangt, an dem es irgendwie verrückt geworden ist" - eine vorsichtige Umschreibung für den Zustand der Republikaner, die sich weltweit lächerlich machen. Auch Parteifreunde im weiterhin funktionstüchtigen Senat waren entsetzt von den Grabenkämpfen. "Sie haben dort einen dysfunktionalen Prozess", so der republikanische Senator Thom Tillis, Republikaner aus North Carolina, "und sie müssen ihn in Ordnung bringen."

Das Notbudget gilt nur noch bis Mitte November

Krieg in der Ukraine, Krieg in Nahost und nahender Shutdown in den USA, aber die führende Partei im amerikanischen Parlament zerfleischt sich. "Unsere Fraktion befindet sich im Grunde genommen im Krieg mit sich selbst", erkennt der Abgeordnete Brandon Williams aus New York. Es sei "entmutigend". Ihn erinnerten die ständigen Wiederholungen an den Film "Groundhog Day", zu Deutsch "Und täglich grüßt das Murmeltier".

Alle Nachrichten im Überblick
:SZ am Morgen & Abend Newsletter

Alles, was Sie heute wissen müssen: Die wichtigsten Nachrichten des Tages, zusammengefasst und eingeordnet von der SZ-Redaktion. Hier kostenlos anmelden.

Die Regierung Biden wartet auf die nächsten Abstimmungen über den Haushalt, denn das noch am Ende der Ära McCarthy vereinbarte Notbudget gilt nur bis Mitte November. Danach stünde die Verwaltung bis auf Weiteres still. Es geht unter anderem um jene gut 105 Milliarden Dollar, die der Demokrat Biden im Kongress für die Ukraine, Israel und humanitäre Maßnahmen in Gaza sowie zur Sicherung der US-Südgrenze beantragt hat.

Als kommissarischer Sprecher wurde nach McCarthys Sturz der Republikaner Patrick McHenry installiert, doch ohne gewählten Speaker war das Repräsentantenhaus bis zuletzt gelähmt. "Ich kann Ihnen Folgendes sagen", sagte kürzlich der republikanische Abgeordnete Mark Amodei, "es gibt da drinnen keine 217 Stimmen für Jesus, Maria oder Joseph bei irgendeinem Thema." Für Donald Trump, den Heiland der Extremisten, gab es noch zu Wochenbeginn "nur eine Person, die es ganz schaffen kann. Wisst ihr, wer das ist? Jesus Christus." Jedenfalls kein Rino ohne Trumps Gnaden. Schließlich verkündete der evangelikale Christ Johnson, er habe "nach langem Gebet und Erwägungen" beschlossen anzutreten. "Es geht hier nur um eines", hatte vor seiner Wahl der Demokrat Pete Aguilar gesagt: "Wer Donald Trump besänftigen kann."

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusUS-Repräsentantenhaus
:Der Traum eines jeden Hardliners

Abtreibungsgegner, evangelikaler Christ und gegen die Ehe für alle: In dem Juristen Mike Johnson aus Louisiana haben die Republikaner einen Radikalen nach ihrem Geschmack zum Speaker gemacht.

Von Peter Burghardt

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: