Gaza-Konflikt:USA drängen Israel zu Waffenruhe

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Abwurf am Strand: Zusammen mit der jordanischen Luftwaffe hat die US Air Force am Samstag Hilfsgüter über dem Gazastreifen abgeworfen. (Foto: AFP)

Mit dem Abwurf von Hilfsgütern über dem Gazastreifen setzt Präsident Joe Biden ein Signal, dass er die Geduld mit der Regierung in Jerusalem verliert. Das soll ihn auch innenpolitisch entlasten.

Von Peter Burghardt, Washington

Der amerikanische Präsident Joe Biden verliert zunehmend die Geduld mit der israelischen Regierung. Die Folgen waren am Wochenende zunächst aus der Luft zu besichtigen. Die US Air Force warf am Samstag 38 000 Mahlzeiten mit Fallschirmen über Gaza ab, gemeinsam mit der jordanischen Luftwaffe. Es soll der Beginn einer größeren Hilfsaktion für die inzwischen hungernde palästinensische Zivilbevölkerung sein. Mehrere Länder versuchen, das Gebiet mit Lebensmitteln und Medikamenten zu versorgen.

Experten haben angesichts chaotischer Szenen an der Küste, wo die Hilfsgüter abgeworfen wurden, Zweifel an der Unterstützungsaktion. Biden hatte sich aber offenkundig dazu entschlossen, nachdem am Freitag mutmaßlich mehr als 100 Menschen im Norden des Gazastreifens bei dem Versuch getötet worden waren, Lieferungen aus einem Konvoi zu erreichen, die israelische Armee begann zu schießen.

Feuerpause möglichst vor Beginn des Ramadan

Washington drängt die Regierung in Jerusalem weiterhin zu einer raschen Feuerpause, und das möglichst vor dem baldigen Beginn des Fastenmonats Ramadan. Man bemühe sich um eine Einigung zwischen Israel und der Hamas "über die Rückgabe der Geiseln und einen sofortigen Waffenstillstand im Gazastreifen für mindestens die nächsten sechs Wochen, um die Lieferung von Hilfsgütern in den Gazastreifen zu ermöglichen", sagte Biden beim Besuch der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni. Es werde zu der Waffenruhe kommen, versprach er, allerdings wohl noch nicht an diesem Montag.

Eine Delegation der Hamas traf am Sonntag zu Verhandlungen mit Israel in Kairo ein. Israel habe das Abkommen "mehr oder weniger akzeptiert", heißt es aus amerikanischen Regierungskreisen, wie US-Medien berichteten. Allerdings stimme die Hamas einer "definierten Kategorie von gefährdeten Geiseln" noch nicht zu. Die New York Times verweist indes auf ein Interview des Hamas-Vertreters Mahmud Mardawi, der "keine Veränderung der israelischen Position bemerkt" haben will. Es sei ihnen "nichts angeboten" worden.

Der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu hatte die Forderungen der Hamas "lächerlich" genannt und gefordert, diese abzuschwächen. Am Montag empfängt US-Vizepräsidentin Kamala Harris in Washington Benny Gantz, Mitglied in Netanjahus Kriegskabinett. Gantz hatte vor Kurzem angedroht, die Offensive der israelischen Armee auf Rafah im Süden von Gaza auszuweiten, sollten bis zum Beginn des Ramadan die verbliebenen Geiseln nicht freigelassen worden sein. Gantz soll offenbar auch mit Bidens Sicherheitsberater Jake Sullivan sprechen.

Gaza-Konflikt ist längst auch Thema im US-Wahlkampf

In den USA nimmt die Kritik an Israels Reaktion auf den Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober vergangenen Jahres seit Wochen zu. Längst ist der Konflikt auch Thema im Wahlkampf vor den Präsidentschaftswahlen am 5. November, wie Biden immer wieder spüren muss. Nahezu jeden seiner Auftritte begleiten propalästinensische Proteste, auch die Rede seiner Frau Jill, der First Lady, wurde am Wochenende in Arizona mehrmals von Zwischenrufen unterbrochen.

Die Vereinigten Staaten sind eng mit Israel verbunden, der Beistand für das von Terroristen der Hamas überfallene Land war und ist groß, dennoch kippt mittlerweile mancherorts die Stimmung. Das Wall Street Journal meldete am Sonntag, dass laut seiner Umfrage 42 Prozent der Befragten in den USA die israelische Reaktion auf die Anschläge der Hamas zu weit geht. 24 Prozent halten sie für angemessen, 19 Prozent für nicht ausreichend.

Vor allem linken Demokraten und besonders muslimischen Amerikanern und Amerikanerinnen missfällt die Treue der US-Regierung zur israelischen Führung, seitdem immer mehr Bilder von Tod und Zerstörung in Gaza zu sehen sind. Bei den Vorwahlen im Bundesstaat Michigan, wo viele Familien mit arabischen Wurzeln leben, verlor Biden kürzlich in der demokratischen Wählerschaft Zehntausende Stimmen.

Zwar fordert der Präsident den israelischen Premier Netanjahu immer wieder zur Mäßigung auf, das Verhältnis der beiden gilt allerdings als angespannt. Während Biden aber trotzdem in den USA immer mehr in die Defensive gerät, schadet seinem republikanischen Gegner Donald Trump der Konflikt mangels Verantwortung deutlich weniger. In einer neuen Erhebung der New York Times gaben 48 Prozent der Teilnehmer an, sie würden Trump wählen, nur 43 Prozent sprachen sich für Biden aus. Auch sind demnach nur 47 Prozent der Interviewten mit dem Amtsinhaber zufrieden, was alles aber auch an seinem Alter liegt und mit innenpolitischen Problemen wie dem Streit um Migranten zu tun hat.

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