USA:Gesucht: Trumps Präsidenten-Doppelgänger

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Eine Ahnenreihe (von links oben nach rechts unten): John Adams, Andrew Jackson, James Buchanan, Warren G. Harding, P.T. Barnum, Herbert Hoover, Richard Nixon, Jimmy Carter, Ronald Reagan und Donald Trump (Foto: N/A)

Seit fast drei Monaten regiert US-Präsident ungewöhnlich wie chaotisch. Dennoch hat er Gemeinsamkeiten mit einigen seiner 44 Vorgänger. Was lässt sich daraus lernen?

Von Johannes Kuhn, New Orleans

Donald Trump mag eine Marke sein, doch Präsident Trump ® steht im Weißen Haus auf dem Fundament seiner Vorgänger. Um seine Ära besser zu verstehen und seine Handlungen deuten zu können, suchen Historiker nach Parallelen zu den 44 Präsidenten vor ihm. Wie sieht die Bilanz nach knapp drei Monaten im Amt aus?

Trump selbst hat in den ersten Tagen im Weißen Haus gerne daran erinnert, dass er mit Andrew Jackson (Präsident von 1829 bis 1837) verglichen wird. Diese Parallele wurde im Wahlkampf vor allem aus seinem Umfeld von Beratern wie Stephen Bannon gezogen. Der 45. Präsident hängte ein Portrait seines Vorgängers in sein Büro und besuchte jüngst sogar Jacksons Grab in Tennessee.

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Gemeinsam war den Populisten Trump und Jackson als Anti-Establishment-Kandidaten die Wut-Rhetorik gegenüber korrupten Eliten ("Geschäft und Korruption", beschimpfte Jackson das politische Treiben) und das Versprechen, die Macht dem Volk "zurückzugeben".

Bei der Einlösung gibt es durchaus Analogien: Jackson ersetzte die alten Eliten einfach durch neue, eine Koalition aus Ostküsten-Geschäftsleuten, Politikern aus New York und jenen "Radikalen" unter den Republikanern, die gegen die Zentralregierung agitierten. In Trumps engerem Machtzirkel dominieren Familienangehörige und Vertreter der Wirtschafts- und Militäreliten; die klassischen Republikaner-Cliquen spielen eher eine Nebenrolle.

Änderung der politischen Mechanik?

Während die Jackson-Bewegung das Wahlrecht allerdings ausweitete (auf weiße Männer ohne Landeigentum) und neue Formen der Mitbestimmung wie die Wahl statt Ernennung von Richtern durchsetzte, ist ähnliches von der aktuellen Regierung nicht zu erwarten. Die Trump-Rhetorik von "illegalen Stimmen" deutet sogar auf strengere Wahl-Auflagen hin, die vor allem Minderheiten betreffen.

Jacksons Rolle als historische Figur geht nicht zuletzt auf seine Gründung der Demokraten zurück, welche die bis dahin gültigen politischen Mechaniken völlig veränderte. Trump hat zunächst einmal das Zentrum der Republikaner ideologisch in Richtung Nationalismus verschoben. Ob die Partei dort bleibt oder sich daraus eine Spaltung ergeben könnte, wird sicher nicht mehr in dieser Amtszeit geklärt.

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In der Praxis steht Trump allerdings vor allem für eine Bevorzugung der Wirtschaft zulasten der Politik, am sichtbarsten bislang in erheblicher Deregulierung. Diese Schule verkörpert aus der jüngeren Vergangenheit Ronald Reagan, der derzeitige Säulenheilige der Republikaner und Prediger eines möglichst kleinen Staates. Trumps angekündigte Steuerreform mit ihren Entlastungen für Wohlhabende geht in diese Richtung, seine umstrittenen Kürzungsvorschläge für den Haushalt sogar weiter, als Reagan es jemals wagte (weshalb sie nicht durchsetzbar sind).

Reagan, zwei Amtszeiten von 1981 bis 1989 regierend, war einerseits ein Radikaler: Vor allem mit dem Entzug von Steuereinnahmen schwächte er den Staat erheblich. Andererseits zeigte er sich bei Themen wie der Einwanderung flexibler, als es Trump wohl je möglich wäre. Beiden ist gemeinsam, dass sie aus der Unterhaltungsbranche stammen und gewillt sind, ihre Talente einzusetzen. "Ich habe hier das größte Theater der Welt", sagte der Schauspieler Reagan einmal über das Oval Office. Ein Satz, der auch von Trump stammen könnte, würde man "Theater" mit "Reality-Show" ersetzen.

Reagan änderte früh die Strategie

Beide Präsidenten wurden zu Beginn ihrer Amtszeit als unfähig beschrieben, was Republikanern durchaus Hoffnung macht. "Mr. Reagan hat genau die gleichen Boshaftigkeiten überstanden, von den gleichen und üblichen Verdächtigen", schrieb jüngst Tammy Bruce, Kolumnistin der konservativen Washington Times.

Interessant ist Reagans früher Strategiewechsel: So ging er schnell auf die Demokraten zu, um Kompromisse zu finden - in dem aktuell vergifteten Verhältnis zwischen den Lagern ist dies viel schwieriger. Und die Invasion der Mini-Insel Grenada im Jahr 1983 lenkte er nicht nur von einer gescheiterten Spezialmission im Libanon ab, sondern stellte nach Vietnam das Vertrauen in die Militärmacht des Landes langsam wieder her - eine Entwicklung, die in der Selbstüberschätzung der Irak-Invasion 20 Jahre später gipfelte. So sehr Trumps Gegner ihn als Kurzzeit-Phänomen sehen wollen: Oft setzen US-Präsidenten Prozesse in Gang, die noch über Generationen nachwirken.

Bruce Bartlett, ehemaliger Reagan-Berater, hält allerdings nichts von Vergleichen mit seinem damaligen Chef. Er zog jüngst eine andere Parallele: "Nimm Richard Nixon in seiner tiefsten Paranoia-Phase, ziehe 50 Intelligenzquotienten-Punkte ab und nehme Twitter dazu und Du hast heute Trump."

Nicht nur wegen der unklaren Zusammenhänge rund um Interessenskonflikte und dem Verdacht unlauteren Verhaltens hinter den Kulissen wird der Watergate-Präsident Richard Nixon (im Amt von 1969 bis August 1974) gerne als Referenzpunkt gewählt - vor allem von Demokraten, die wie damals auf ein Amtsenthebungsverfahren hoffen, in Trumps Fall wegen möglicher (und bislang völlig unbewiesener) russischer Einflüsse auf ihn oder sein Umfeld.

Was heute gerne vergessen wird: Es dauerte mehrere Jahre, bis der Einbruch ins Watergate-Gebäude zum Rücktritt des Präsidenten führte. Die Verbindung zwischen Trumps Niedergangs-Rhetorik und Nixons Wahlkampf 1968, der auf die "schweigende Mehrheit" des konservativen Amerikas zielte, ist dagegen offensichtlich - genau wie der Hauch von Paranoia gegenüber Außenwelt und Medien, der beide Regierungen durchwehte.

Damit hören die Gemeinsamkeiten aber auf: Nixon war einer der vielleicht intelligentesten (wenn auch nicht sozialsten) Präsidenten im Weißen Haus, dazu ein mit allen Wassern gewaschener Berufspolitiker. Nixon-Biograf John A. Farrell erklärte in einem Interview derartige Vergleiche zu künstlichen Konstruktionen."Trump weiß nicht, für was er steht, und das ist das Gefährliche. Nixon hatte immer einen Plan und war bekannt dafür, ihn endlos lange mit seinen Beratern durchzulaufen. Trump macht das nicht, man sieht ihn 'Fox and Friends' gucken und dann nach Florida fliegen."

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Farrell vergleicht den aktuellen US-Präsidenten mit P.T. Barnum, einem Zirkusdirektor, dessen Talent für Propaganda ihm einige politische Ämter in Connecticut bescherte. Solche wenig schmeichelhafte Vergleiche werden über den 45. Präsidenten häufiger angestellt - manchmal fällt in diesem Zusammenhang auch der Name von Warren Harding. Der 29. US-Präsident (zwischen 1921 und 1923) war eine skandalträchtige Figur und so korrupt, dass der Staat schnell zum Selbstbedienungsladen für seine alten Freunde wurde. Harding starb schließlich im Amt an einem Herzinfarkt.

Wut-Anfälle wie John Adams

Um das Temperament des 45. Präsidenten bei früheren Bewohnern des Weißen Hauses wiederzufinden, ist ein langer Blick zurück in die Geschichte notwendig: John Adams, einer der amerikanischen Gründerväter und zweiter US-Präsident (von 1797 bis 1801), war beispielsweise ebenfalls für sein großes Ego und manchen Wutanfall bekannt. Auch Trump kann ungnädig zu Mitarbeitern sein und sie gegeneinander ausspielen, was zu einer Intrigen-Atmosphäre im Weißen Haus führt.

Adams' Gesetze zur Gängelung irischer und französischer Einwanderer und der Presse erinnern an jene autoritären Tendenzen, die der aktuelle Präsident rhetorisch erkennen lässt. Allerdings galt Adams als intellektuell hervorragend und an der Stabilisierung der Nation in Zeiten parteipolitischer Verwerfungen interessiert.

1800 verlor Adams eine richtungsweisende Wahl gegen Thomas Jefferson - unter anderem, weil ihn Mit-Gründungsvater Alexander Hamilton in einem offenen Brief "große und wesenhafte Charakterschwächen" attestierte. Den Rest seines Lebens zerbrach sich Adams den Kopf darüber, wie ihn die Geschichte einmal bewerten würde - die Wahl seines Sohnes John Quincy Adams begründete die Tradition von Politik-Dynastien (kleine Notiz für Trump-Sohn Donald Jr.).

Die vielleicht faszinierendste Theorie zu präsidialen Ähnlichkeiten hat die Politologin Julia Azari aufgestellt: Sie sieht Trump als einen Wiedergänger des unglücklichen Demokraten Jimmy Carter (im Amt von 1977 bis 1981). Carter und Trump signalisieren für sie jeweils das Ende einer Ära: Carter als letzter Präsident in der Epoche der Sozialstaats-Betonung des "New Deal" von Franklin D. Roosevelt, Trump als möglicherweise letzter Amtsinhaber der Reagan-Ära.

Ende einer Ära statt Beginn der Revolution?

Sowohl Carter als auch Trump hatten Parteien mit jeweils großer Macht im Kongress, aber unvereinbaren internen Strömungen hinter sich - im Falle der Demokraten die "alten" Gewerkschaften und der junge, an Wettbewerb orientierte Flügel als Teil einer sich verschiebenden politischen Mitte. Carter scheiterte mit seiner Reform des Sozialstaats im Kongress am Widerstand in der eigenen Partei, genau wie Trump bereits mit dem Versuch einer Gesundheitsreform baden ging.

Solche Entwicklungen deuten auf eine "auseinanderreißende Präsidentschaft" hin, wie sie der Politologe Steven Skowronek skizziert hat: Das Versprechen einer neuen Ordnung, das aber an der immer noch bestehenden Stärke des bestehenden Systems scheitert. Im Falle Jimmy Carters tauchten zur Wiederwahl-Kampagne interne Herausforderer auf, schließlich war es der Republikaner Ronald Reagan, der ihn besiegte und mit seiner Agenda eine neue Ära einleitete.

Allerdings gingen politische Zeitalter nicht immer so glimpflich zu Ende: Auf den unglücklichen Herbert Hoover (1929 bis 1933 im Amt) folgten wirtschaftliche Depression und interne Zerreißproben für das Land, im Falle des Vor-Bürgerkriegs-Präsidenten James Buchanan (Amtszeit 1857-1861) sogar die zwischenzeitliche Abspaltung des Südens. Hier waren es Krisen-Präsidenten wie Franklin D. Roosevelt und Abraham Lincoln, die unter größter Anstrengung die Einheit der Nation wieder herstellen mussten.

Seine Gegner mögen darauf hoffen, dass Donald Trump nicht den Beginn einer Ära, sondern ihr Ende markiert. Sie sollten diese Perspektive allerdings nicht mit einer baldigen Rückkehr in ruhigere Fahrwasser verwechseln.

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