US-Außenminister:Blinken auf Beruhigungstournee

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Weiter, immer weiter: US-Außenminister Antony Blinken, hier in Amman, bereist die Länder des Nahen Ostens. (Foto: Jonathan Ernst/AFP)

Die US-Regierung will verhindern, dass die Lage im Nahen Osten vollends eskaliert. Der Außenminister wirbt deshalb in der Region um Mäßigung und spricht von einer Zukunft ohne die Hamas.

Von Peter Burghardt und Alexandra Föderl-Schmid, Tel Aviv/Washington

Am Sonntag, Amerika schlief mehrheitlich noch, saß Antony Blinken nun auch mit Mahmud Abbas zusammen. Der US-Außenminister traf den Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde an dessen Amtssitz in Ramallah im Westjordanland, als ranghöchster Gast aus Washington seit dem Terror der Hamas in Israel. Die Station stand offiziell erst nicht auf der Route seiner Krisentour, die ihn seit Donnerstag ansonsten über Tel Aviv, Amman, Ankara, Tokio, Seoul und Delhi in neun Tagen um die halbe Welt führt.

Zuletzt hatten sich die beiden Politiker drei Wochen zuvor in Jordanien getroffen, kurz nach dem Überfall der Hamas auf Israel und vor der immer heftigeren Reaktion des israelischen Militärs. Blinken habe Abbas jetzt von seinem Aufruf an Israels Premier Benjamin Netanjahu zuvor berichtet, den Schaden für die Zivilbevölkerung in Gaza zu minimieren, wie die New York Times erfuhr. Man arbeite daran, mehr humanitäre Hilfe in das abgeriegelte Küstengebiet zu bringen. In Tel Aviv hatte der Chefdiplomat aus dem State Department auf Schutz für palästinensische Zivilisten gedrängt und auf "humanitäre Pausen", letztere Forderung lief vorläufig ins Leere.

Risse durchziehen Bidens Partei

Die Administration von Joe Biden will verhindern, dass der Krieg im Nahen Osten vollends aus dem Ruder läuft. Und es geht auch um das amerikanische Binnenklima, denn Biden gerät innenpolitisch unter Druck. Der linke Flügel seiner Demokraten hatte sich lange unauffällig verhalten, ganz im Gegenteil zum rechten Flügel der Republikaner. Doch inzwischen ziehen sich Risse durch die Partei, ein Jahr vor der Präsidentschaftswahl im November 2024.

Dem progressiven Lager geht die Treue zu Israel traditionell zu weit und erst recht seit den Bombardements in Gaza. Die meisten Demokraten im Kongress dagegen unterstützen den Verbündeten nach wie vor und sind entsetzt, dass die republikanische Mehrheit im Abgeordnetenhaus das Hilfspaket im Volumen von 14 Milliarden Dollar für Israel mit Kürzungen bei der Finanzierung der US-Steuerbehörden verbinden will. Außerdem nehmen die Proteste gegen Israel an US-Universitäten und in der Wählerschaft mit arabischen Wurzeln zu. Da ist teilweise offener Antisemitismus, ähnlich schnell steigt das Misstrauen gegen Muslime.

Biden hatte Israel bei seinem Blitzbesuch trotz allem Verständnis für Trauer und Wut davor gewarnt, so unklug zu reagieren wie die USA nach den islamistischen Anschlägen vom 11. September 2001. In dieser Stimmung ist seit Tagen sein Gesandter Blinken auf der Suche nach Mäßigung. Auch die USA fragen sich ja, wie es in einer Zukunft ohne die Übermacht von Hamas im Gazastreifen weitergehen soll. Blinken hatte gesagt, dass eine wiederbelebte Palästinensische Autonomiebehörde das Gebiet verwalten sollte, sobald die Kämpfe vorbei sind, obwohl viele Palästinenser die Gruppe für irrelevant halten. Abbas, so heißt es, könne sich vorstellen, bei der Verwaltung zu helfen. Zunächst verlangt er über seine Nachrichtenagentur Wafa "ein sofortiges Ende des verheerenden israelischen Krieges gegen den Gazastreifen" und schnelle Hilfe mit medizinischer Versorgung, Lebensmitteln, Wasser, Strom und Treibstoff.

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:Netanjahu spricht über möglichen Deal zur Geisel-Freilassung

In vorsichtigen Worten deutet Israels Ministerpräsident eine Vereinbarung mit der Hamas an. Das Al-Schifa-Krankenhaus in Gaza-Stadt stellt angeblich den Betrieb ein - nach israelischen Angaben lehnte die Hamas eine Treibstofflieferung für das Haus ab.

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Schon tags zuvor bei seinem Treffen mit Vertretern arabischer Staaten in Amman sagte der US-Außenminister, alle Beteiligten seien der Ansicht, nach dem Krieg könne der Status quo eines von der Hamas kontrollierten Gazastreifens nicht andauern. Er habe mit den arabischen Partnern diskutiert, wie ein Weg in Richtung einer Zweistaatenlösung bestritten werden könne. Konkreter wurde Blinken nicht.

Am Freitag hatte er in Israel seine Unterstützung für einen eigenen palästinensischen Staat betont. In Jordanien soll er ausgelotet haben, ob arabische Staaten bereit seien, sich an einer multinationalen Friedenstruppe im Gazastreifen zu beteiligen. Bei einer Pressekonferenz mit seinen ägyptischen und jordanischen Kollegen wies er auch darauf hin, dass die USA besorgt wegen der Gewalt extremistischer jüdischer Siedler gegen Palästinenser im Westjordanland seien. Das hatte er ebenfalls bereits in Tel Aviv erklärt - bei einem Auftritt vor Journalisten, an dem Netanjahu nach seinem Treffen mit Blinken nicht teilgenommen hatte.

Nasrallah sendet "nur" Schimpftiraden

Blinken bedankte sich bei den "Ländern im gesamten Nahen Osten", die eine "wesentliche Rolle dabei gespielt haben, dass sich der Israel-Hamas-Konflikt nicht weiter ausbreitet". Noch vor den Gesprächen mit den anderen Außenministern hatte er die libanesische Regierung lobend erwähnt. Nicht nur in Israel war mit Erleichterung registriert worden, dass Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah bei seinem ersten Auftritt nach den Terrorattacken der Hamas zwar Schimpftiraden gegen Israel geäußert, aber keine Kriegserklärung ausgesprochen hatte.

Laut Blinken wurde in Amman auch über Wege gesprochen, die Hilfslieferungen in den Gazastreifen auszuweiten. "Hundert Lastwagen bewegen sich jeden Tag über den Grenzübergang Rafah, aber das ist noch nicht genug", sagte Blinken. Er sei für eine "humanitäre Feuerpause". Der jordanische Außenminister Ayman Safadi forderte dagegen wie Abbas und andere eine sofortige Waffenruhe, um die 2,3 Millionen Palästinenser im Gazastreifen zu versorgen und einfachere Bedingungen für eine Freilassung der Geiseln zu erreichen. Gleichzeitig warf er Israel Kriegsverbrechen vor, das Land dürfe nicht über internationalen Gesetzen stehen.

Auch Katar mahnt, dass die Bombardierung des Gazastreifens die Bemühungen um die von Hamas verschleppten Geiseln erschwere. Einen Waffenstillstand lehnen die USA mit dem Argument ab, davon würde die Hamas profitieren. Als US-Präsident Biden am Samstag auf dem Weg in die Kirche war und gefragt wurde, ob es Fortschritte bei den Bemühungen für eine "humanitäre Pause" in Gaza gebe, da sagte er "Ja" und hob die Daumen. Blinken landete am Sonntagabend zu einem Überraschungsbesuch im Irak.

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