Verhütung:US-Behörde lässt erstmals rezeptfreie Antibabypille zu

Lesezeit: 3 min

Von 2024 ist das Medikament von Opill frei erhältlich. (Foto: AP)

Das Abtreibungsverbot erschwert vielen Frauen das Leben, denn ohne Arztbesuch kommen sie nicht an Medikamente zur Verhütung. Aber nun sollen sie die östrogenfreie "Opill" in Läden kaufen können.

Von Christian Zaschke, New York

Das Thema Geburtenkontrolle ist in den USA immer ein Streitthema. Umso bemerkenswerter ist es, mit wie wenig Nebengeräuschen die nationale Arzneimittelbehörde FDA am Donnerstag eine wegweisende Entscheidung verkündet hat: Erstmals in der Geschichte des Landes hat die Behörde eine Antibabypille zugelassen, die ohne Rezept verkauft werden darf. Die Bedeutung dieser Entscheidung ist enorm in einem Land, in dem laut FDA beinahe die Hälfte der Schwangerschaften ungeplant zustande kommt.

Das Medikament trägt den Namen Opill und wird von der in der irischen Hauptstadt Dublin ansässigen Perrigo Company hergestellt. Nach Angaben der Firma soll die Pille ab Anfang 2024 in den USA zu kaufen sein. Der dabei wohl wichtigste Punkt steht allerdings noch nicht fest: Was die Pille kosten soll.

Millionen Amerikanerinnen haben keinen Zugang zu Antibabypillen

Etwa 30 Millionen Einwohner der USA haben keine Krankenversicherung. Das heißt, dass Millionen Frauen im gebärfähigen Alter bislang keinen Zugang zu Antibabypillen haben, weil sie sich den Arztbesuch nicht leisten können, der nötig ist, um ein Rezept zu erhalten. Private Arztbesuche sind in den USA teils absurd teuer. Es zählt zu den großen Mysterien des Lebens in den Vereinigten Staaten, dass ein derart reiches Land ein derart ungerechtes Gesundheitswesen unterhält, das fast zehn Prozent der Bevölkerung ungeschützt lässt.

Seit der Supreme Court im vergangenen Jahr entschieden hat, das landesweit verbriefte Recht auf Abtreibung zu kippen, haben viele republikanisch regierte Bundesstaaten den Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen teils massiv erschwert. In einigen Staaten ist ein Schwangerschaftsabbruch nur noch bis zur sechsten Woche erlaubt. Zu diesem Zeitpunkt wissen viele Frauen noch nicht, dass sie schwanger sind. Es wird erwartet, dass weitere republikanisch regierte Staaten diesem Beispiel folgen.

Infolge der Entscheidung des Supreme Court haben viele Interessengruppen ihre Bemühungen intensiviert, den Zugang zu einer rezeptfreien Antibabypille zu ermöglichen, darunter die American Medical Association, der Verband der Gynäkologinnen und Geburtshelfer und die Akademie der Familienärzte.

Im Mai dieses Jahres ist eine Kommission von unabhängigen Beraterinnen und Beratern der FDA zusammengetreten, um über das Für und Wider der Freigabe des Medikaments Opill zu beraten. Sie kamen zu dem einstimmigen Urteil, dass die Vorteile der Freigabe die Nachteile bei Weitem aufwögen. Dieser Empfehlung ist die FDA nun gefolgt.

Zehn Prozent der betroffenen Frauen können oder wollen für die Pille nicht bezahlen

Die beim Hersteller Perrigo für Frauengesundheit zuständige Vizepräsidentin Frederique Welgryn veröffentlichte ein Statement, in dem es hieß, das Unternehmen wolle sicherstellen, dass die Pille für Frauen jedes Alters "erhältlich und bezahlbar" sei. Zudem plane man ein Hilfsprogramm, mittels dessen manchen Frauen die Pille kostenlos zur Verfügung gestellt werde.

Wie so vieles in den USA wird es am Ende eine Frage des Geldes sein. Die Kaiser Family Foundation (KFF), eine überparteiliche Organisation, die auf Erhebungen zu Gesundheitsfragen spezialisiert ist, hat ermittelt, dass zehn Prozent der infrage kommenden Frauen nicht in der Lage oder willens wären, für die Pille zu bezahlen. Etwa 40 Prozent wären bereit, zehn Dollar oder weniger für eine Monatsration zu zahlen. Weitere gut 30 Prozent setzten die Obergrenze bei 20 Dollar im Monat. Das sind in Anbetracht der üblichen Kosten für Medikamente im Land äußerst geringe Summen.

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Das von der Regierung Barack Obamas verabschiedete Gesundheitsgesetz, der Affordable Care Act, verpflichtet Versicherungen, die Kosten für verschreibungspflichtige Verhütungsmittel zu übernehmen. Rezeptfreie Mittel sind jedoch ausgenommen. Das könnte sich unter der Regierung von Joe Biden in Anbetracht der neuen Situation ändern. Sicher ist es jedoch nicht, da im Kongress zwischen Demokraten und Republikanern um jedes Gesetz erbittert gestritten wird.

Sollte die rezeptfreie Pille tatsächlich ab 2024 in den USA flächendeckend und bezahlbar erhältlich sein, könnte sie eine erhebliche Wirkung haben, insbesondere was ungewollte Schwangerschaften bei Teenagern angeht. Die Umfrage von KFF hat auch ergeben, dass die rezeptfreie Pille - wenig überraschend - besonders von Frauen ohne Krankenversicherung genutzt werden würde. Der Hersteller Perrigo will nach eigenen Angaben im Herbst bekannt geben, was das Medikament kosten soll.

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