USA:Wo Schwangerschaftsabbrüche nun verboten sind und wo nicht

USA: Leslie Rutledge, die Generalstaatsanwältin in Arkansas, unterzeichnet die Zertifizierung des Supreme-Court-Urteils. Damit tritt in dem Bundesstaat ein bereits vorgefertigtes weitgehendes Abtreibungsverbot in Kraft.

Leslie Rutledge, die Generalstaatsanwältin in Arkansas, unterzeichnet die Zertifizierung des Supreme-Court-Urteils. Damit tritt in dem Bundesstaat ein bereits vorgefertigtes weitgehendes Abtreibungsverbot in Kraft.

(Foto: Stephen Swofford/AP)

Der Supreme Court hat den Weg für Abtreibungsverbote freigemacht, die ersten Staaten setzen entsprechende Gesetze in Kraft. In weiten Landstrichen der USA haben Frauen nun kaum die Möglichkeit zum legalen Schwangerschaftsabbruch. Der Überblick.

Von Bernd Kramer, Portland

Wenn man verstehen will, was die Entscheidung des obersten Gerichts in den USA bedeutet und wie einschneidend sie ist, stelle man sich einmal den Fall einer Frau vor, die zum Beispiel in Conway lebt, einer Stadt mit 64000 Einwohnern ziemlich genau in der Mitte von Arkansas. Und man schaue sich genau an, wo dieser Ort liegt, um zu begreifen, dass man hier nun besser nicht mehr ungewollt schwanger wird.

Der Supreme Court der USA hat am Freitag das Grundsatzurteil Roe v. Wade gekippt, das Frauen landesweit fast 50 Jahre lang das Recht auf Schwangerschaftsabbrüche garantierte. Nach der Entscheidung ist es nun Aufgabe der Bundesstaaten, Abtreibungen rechtlich zu regeln - und Konservative weisen gern darauf hin, dass das Urteil ja auch nichts weiter als das bedeute: Das Gericht verbietet keine Schwangerschaftsabbrüche, es gibt die Entscheidung lediglich an die einzelnen Gesetzgeber weiter, die nun demokratisch über die Frage befinden können. Einzelne Bundestaaten dürfen weiterhin Abtreibungen erlauben.

Aber was nützt das, wenn man eben in Conway lebt? Das republikanisch regierte Arkansas hat für den Fall, dass der Supreme Court Roe v. Wade kippt, bereits ein Abtreibungsverbot vorbereitet, das nun automatisch in Kraft tritt. Für einen Schwangerschaftsabbruch müsste eine Frau nun also über die Landesgrenze reisen.

Sie könnte es im Norden versuchen und zum Beispiel nach Branson in Missouri fahren, einen Ort kurz hinter der Grenze, in knapp drei Stunden mit dem Auto zu erreichen. Aber auch Missouri hat ein Gesetz in der Schublade, das Abtreibungen verbietet und schon in wenigen Tagen gültig werden kann.

Ähnlich ist es im Bundesstaat Oklahoma im Westen oder in Louisiana im Süden. Wer in einer Stadt wie Conway lebt, ist praktisch weiträumig umzingelt von extrem strengen Abtreibungsverboten. In riesigen Landstrichen der USA ist damit das Recht von Frauen, selbst über eine Schwangerschaft entscheiden zu dürfen, praktisch ausgehebelt. Für einen Abbruch müsste man tagelange Autofahrten oder eine Flugreise in Kauf nehmen - die man sich leisten können muss. Dass man irgendwo im Land vielleicht doch einen Schwangerschaftsabbruch durchführen lassen kann, was nützt es, wenn man hunderte Kilometer entfernt lebt und arm ist?

Laut dem Guttmacher-Institut sind bereits in 22 Bundesstaaten entsprechende Regeln verabschiedet worden, die Abtreibungen extrem erschweren oder praktisch unmöglich machen. Dabei handelt es sich zum Teil um Gesetze aus der Zeit vor dem Grundsatzurteil Roe v. Wade, die nun wieder gültig werden können. Solche alten Regeln gibt es in neun Bundesstaaten, teilweise sind sie sogar in den jeweiligen Landesverfassungen verankert. 13 Staaten haben dem Washingtoner Forschungsinstitut zufolge gezielt Gesetze vorbereitet, die wie in Arkansas mehr oder weniger automatisch mit dem Ende von Roe v. Wade in Kraft treten, teilweise zusätzlich zu bestehenden alten Verboten. Einige Staaten untersagen Abtreibungen gänzlich, andere erlauben sie nur noch bis zur achten oder sechsten Schwangerschaftswoche, was praktisch einem Verbot gleichkommt, da viele Frauen bis dahin ihre Schwangerschaft gar nicht bemerken.

Zu diesen 22 Staaten kommen viele weitere, in denen die Verabschiedung restriktiver Abtreibungsgesetze laut Guttmacher-Institut in nächster Zeit wahrscheinlich ist, nämlich Florida, Indiana, Montana und Nebraska. In etwa 20 zumeist demokratisch regierten Staaten dürften Schwangerschaftsabbrüche zunächst legal bleiben. Aber auch die regierenden Republikaner in New Hampshire an der Ostküste stellen sich hinter das Recht auf Abtreibung - eine Ausnahme im ansonsten in dieser Frage klar entlang der Parteilinie gespaltenen Land.

In manchen Staaten ist der Ausgang unterdessen ungewiss. Ob Abtreibungen erlaubt bleiben, hängt dort von den Ergebnissen der nächsten Wahlen ab. Besonders spannend dürfte der Blick auf Kansas sein, schreibt die Washington Post: Dort sollen die Bürgerinnen und Bürger im August per Referendum über die Abtreibungsfrage entscheiden - und darüber, ob ihr Land einer der wenigen Anlaufpunkte für Patientinnen bleibt, die inmitten der besonders restriktiven Staaten im Südosten der USA leben, in Texas etwa, Oklahoma oder eben Arkansas.

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