USA:Trump sieht Abtreibungsrecht als Sache der Bundesstaaten

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Donald Trump verärgert Erzkonservative und Evangelikale in der Debatte um das Abtreibungsrecht. (Foto: Mary Altaffer/DPA)

Statt eines nationalen Verbots von Schwangerschaftsabbrüchen sollen alle Bundesstaaten für sich entscheiden: Der republikanische Präsidentschaftskandidat laviert aus wahltaktischen Gründen - und verärgert so erzkonservative Abtreibungsgegner.

Von Christian Zaschke, New York

Beim Thema Abtreibung ist Donald Trump zwiegespalten. Einerseits kann der ehemalige US-Präsident der Versuchung nicht widerstehen, sich damit zu brüsten, dass er es war, der während seiner Amtszeit für jene konservative Mehrheit am Supreme Court sorgte, die 2022 das bundesweit verbriefte Recht auf einen Schwangerschaftsabbruch kippte. Damit will er Punkte bei der religiösen Rechten sammeln.

Andererseits weiß er, dass eine Mehrheit im Land für dieses Recht ist, weshalb das Thema ihm im Wahlkampf gefährlich werden könnte. Meist laviert er, wenn er darauf angesprochen wird, ob er sich in einer möglichen zweiten Amtszeit für ein bundesweites Verbot einsetzen werde.

In manchen republikanisch regierten Gegenden sind Abtreibungen jetzt nahezu unmöglich

Deshalb war es etwas überraschend, dass Trump am Montag in einem vierminütigen Video auf seiner Social-Media-Plattform Truth Social ausführlich Position bezog. Er vertrete die Ansicht, dass die Bundesstaaten über die Frage entscheiden sollten, ob und zu welchen Bedingungen ein Schwangerschaftsabbruch erlaubt sein solle, sagte er. Mit anderen Worten: Er befürwortet den Status quo.

Seit dem Urteil des Supreme Court im Sommer 2022 entscheidet jeder Staat selbst. Das hat dazu geführt, dass es in den meisten republikanisch regierten Gegenden schwierig bis unmöglich geworden ist, eine Abtreibung vornehmen zu lassen.

Manchen Republikanern geht das nicht weit genug. Sie wollen ein bundesweit geltendes Gesetz, das in der mildesten Version Schwangerschaftsabbrüche nach der 15. Woche unter allen Umständen verbietet. Trump hatte diese Idee in den vergangenen Monaten immer wieder einmal aufgegriffen, sich jedoch nie festgelegt, ob er eine solche Regelung unterstützen würde.

Trump änderte seine Haltung aus wahltaktischen Gründen

Nachdem der Supreme Court das bundesweite Recht gekippt hatte, schnitten die Demokraten bei den Zwischenwahlen im Herbst 2022 besser ab als erwartet. Sie hatten das Thema Abtreibung offensiv auf die Agenda gesetzt und damit Stimmen gewonnen. Das wiederholte sich bei lokalen Wahlen, weshalb bei republikanischen Strategen und Trump die Sorge besteht, das Thema könne ihnen auch bei den Präsidentschaftswahlen im November schaden.

Als Ron DeSantis, Trumps vormaliger Rivale und Gouverneur von Florida, in seinem Bundesstaat ein Verbot nach der sechsten Woche anordnete, sprach Trump von einem "schrecklichen Fehler". Er sagte das aus wahltaktischen Gründen. Viele Jahre lang hatte er öffentlich kundgetan, er sei sehr "pro choice", also für das Recht einer Frau, über ihre Schwangerschaft zu entscheiden. Erst als er 2011 erstmals erwog, sich als republikanischer Präsidentschaftskandidat zu bewerben, ernannte er sich zum Anhänger der "Pro Life"-Bewegung, der Gruppe, die gegen das Recht auf Abtreibung agitiert.

Im Wahlkampf von 2016 war ein wichtiges, vielleicht entscheidendes Thema, dass Trump versprach, im Falle seines Sieges frei werdende Stellen am Supreme Court mit Richterinnen und Richtern zu besetzen, die das bundesweite Recht auf Abtreibung aufheben wollten. Zudem holte er sich den zutiefst religiösen Mike Pence als Kandidaten für die Vizepräsidentschaft an seine Seite.

Damit konnte er die Evangelikalen überzeugen, von denen man hätte erwarten können, dass sie in einem Mann, der zum dritten Mal verheiratet ist und außereheliche Affären mit einer Pornodarstellerin und einem Playboy-Model hatte, eher einen Gehilfen des Satans sehen. Doch die Aussicht auf eine konservative Mehrheit am Supreme Court und die vermeintlich mäßigende Kraft von Mike Pence überzeugte die Evangelikalen davon, dass Trump vielleicht ein Sünder war, aber letztlich doch ein Werkzeug in der Hand Gottes.

Für Ex-Vize Pence ist das ein "Schlag ins Gesicht"

Eben jener Mike Pence hat sich am Montag zu Trumps Video geäußert. Er bezeichnete dessen Äußerungen als "Schlag ins Gesicht" für alle Pro-Life-Amerikaner, die 2016 und 2020 für ihn gestimmt hätten. Selbst der legendär biegsame Wendehals Lindsey Graham wagte sich mit einer klitzekleinen Kritik aus der Deckung. "Respektvoll", schrieb er, widerspreche er Trumps Statement, wonach es allein Sache der Staaten sei, über das Recht auf Abtreibung zu befinden. "Es sollte ein Verbot nach 15 Wochen geben", teilte er mit.

Wenige Stunden später schoss Trump zurück: Es seien Politiker wie Graham, die den Demokraten den Sieg bei den anstehenden Wahlen bescheren könnten.

Trumps Kalkül dürfte darin liegen, dass er die extrem konservativen Kreise der Republikaner mit seiner Aussage zwar wissentlich verärgert, diese aber am Ende trotzdem für ihn stimmen, weil sie niemals für die Demokraten votieren. Dafür hofft er darauf, dass er moderat konservative oder politisch neutrale Frauen mit seinem Kurs zumindest nicht allzu sehr verschreckt.

Die Demokraten haben auf dieses Statement gewartet. Präsident Joe Biden reagierte rasch: Er teilte mit, dass Trump, sollte er gewählt werden, umgehend ein bundesweit gültiges Gesetz erlassen werde, ganz gleich, was er jetzt behaupte.

Die Umfragen sehen derzeit nicht gut aus für Biden und die Demokraten, doch haben sie die berechtigte Hoffnung, dass das Thema Abtreibung zum einen die Republikaner entzweit und ihnen zum anderen die entscheidenden Wählerinnen zuführt.

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