Vierundvierzig Präsidenten haben die Amerikaner in den vergangenen 228 Jahren gewählt. Viele von ihnen waren eher durchschnittliche, einige sogar zweifelhafte Charaktere, sie sind zu Recht im Nebel der Geschichte verschwunden. Doch ein paar ragten heraus, Republikaner und Demokraten, und für sie wurden in der Hauptstadt Denkmäler errichtet: George Washington, Thomas Jefferson, Abraham Lincoln, Franklin D. Roosevelt. Der ermordete John F. Kennedy hat ein schönes Grab in Arlington bekommen, auf der anderen Seite des Potomac, und nach Ronald Reagan wurde immerhin ein Washingtoner Flughafen benannt. Man mag die Politik dieser Staatsmänner bewerten, wie man will. Dass sie Weltgeschichte gemacht haben, ist unstrittig.
Wer sich um das Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten bewirbt, sollte wissen, mit wem er sich da misst. Von den beiden Kandidaten, die am kommenden Dienstag zur Wahl stehen, kann nur einer den Anspruch erheben, dafür geeignet und - auch wenn der Ausdruck altmodisch klingt - des Amtes würdig zu sein: Hillary Clinton. Die Demokratin ist charakterlich und politisch bestimmt keine fehlerfreie Kandidatin. Und vielleicht hätte die Partei besser daran getan, nicht jemanden zu nominieren, für deren Angelegenheiten sich die Kriminalpolizei interessiert. Aber es kann keinen Zweifel daran geben, dass Clinton das Wissen, die Intelligenz und die Erfahrung besitzt, um die USA zu regieren. Und, nein, sie wird keinen dritten Weltkrieg mit Russland beginnen, wie einige europäische Intellektuelle derzeit fabulieren.
Das Gefälle, das Clinton von Trump trennt, ist steil und lang
Ob eine Clinton-Präsidentschaft, wie man so sagt, eine große Präsidentschaft würde, eine, die ein Monument oder auch nur einen Flughafen verdient, sei dahingestellt. Historisch wäre sie allein deshalb, weil Clinton die erste Frau wäre, die Amerika führt. Das zu sagen klingt immer etwas pflichtschuldig, aber das wäre es natürlich nicht; genauso wenig, wie es selbstverständlich war, als Barack Obama als erster Schwarzer zum Präsidenten gewählt wurde.
Man muss Clinton gar nicht mögen, um sie als Präsidentin zu bevorzugen. Man kann sie für eine geld- und machthungrige Intrigantin halten - trotzdem bleibt das Gefälle, das sie von ihrem republikanischen Gegner Donald Trump trennt, steil und lang. Die Wahl am 8. November ist so wichtig, wie sie einfach ist: Amerikas Seele, Amerikas innere Einheit, Amerikas Führungsrolle in der Welt hängen von ihr ab. Zugleich war es selten so offensichtlich, wer für das Amt geeigneter ist.
Donald Trump ist eine einzige politische Frechheit
Die Republikaner haben einen Mann nominiert, der in jeder Hinsicht unfähig ist, Präsident zu sein. Man muss hier nicht die ganze Liste von Trumps politischen und menschlichen Defiziten wiederholen, man kann einfach feststellen: Der Kandidat, den die Grand Old Party den Bürgern der Vereinigten Staaten und der Welt anbietet, ist eine Zumutung, eine politische Frechheit, eine Schandtat gegen die altehrwürdige Partei und gegen das Amt, das einst der Titan Abraham Lincoln innehatte, und in das nun ein autokratischer Golfplatz-Hallodri gehievt werden soll.
Das Paradoxe ist: All das ist bekannt. Und trotzdem ist kurz vor der Wahl offen, wer gewinnen wird; trotzdem sind gut vierzig Prozent der Amerikaner bereit, einen demagogischen Scharlatan zum Präsidenten zu machen - ein bizarrer Zustand. Selbst wenn Clinton siegt, werden mehr als vier von zehn Wählern ihre Stimme am Dienstag Trump gegeben haben.
Eine mögliche Frage angesichts dieser düsteren Lage wäre: Warum fällt eigentlich halb Amerika auf Trump herein? Ist es Dummheit? Verführung? Wut?