Die Kriminalität in Deutschland befindet sich auf dem niedrigsten Stand seit 1992. Von 2016 bis 2017 sind die bei Einbruch, Diebstahl oder Straßenkriminalität ermittelten Straftaten um insgesamt 9,6 Prozent zurückgegangen. Das geht aus der aktuellen Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) hervor, die Bundesinnenminister Horst Seehofer im Mai der Öffentlichkeit vorstellte.
Das hielt US-Präsident Donald Trump nicht davon ab, am Montag erst in einem Tweet zu behaupten, die Kriminalität in Deutschland sei gestiegen, und einen Tag später eigene Zahlen zu präsentieren. Seit Deutschland mehr Migranten aufnehme, sei "die Kriminalität" um zehn Prozent gestiegen, so Trump auf Twitter. Die Offiziellen in Deutschland hätten diese Zahlen nicht berichten wollen. Amerika solle sich "schlau" verhalten. Bundeskanzlerin Merkel wies diese Behauptung am Rande ihres Treffens mit dem französischen Präsidenten Macron zurück. Die Zahlen, die Seehofer zuletzt präsentiert habe, seien "ermutigend" gewesen.
Es ist unklar, woher Trump seine Zahlen hat
Es ist nicht das erste Mal, dass Trump auf einen falschen und dementsprechend kritisierten Tweet reagiert, indem er seine Behauptung noch stärker wiederholt. "Double Down" nennt man das im amerikanischen Sprachgebrauch - ein Begriff aus dem Glücksspiel Black Jack. Dort darf man seinen Einsatz verdoppeln, nachdem man seine erste Karte gezogen hat, unter der Bedingung, danach noch mindestens eine weitere Karte zu ziehen. Damit riskiert man, plötzlich mehr Punkte als die erlaubten 21 zu haben - und zu verlieren. Einen Kritiker wird Trump mit diesem rhetorischen Trick nicht überzeugen - bei seinen Anhängern demonstriert er damit aber seine feste Überzeugung von seiner "Wahrheit".
Auch die Polizeiliche Kriminalitätsstatistik ist nicht unumstritten: Experten kritisieren, dass dort nur die Fälle aufgeführt werden, die auch zur Anzeige kommen - gerade bei Sexualdelikten könnte die Dunkelziffer Schätzungen zufolge deutlich höher liegen. Dunkelfeldstudien gibt es nur selten. Die PKS ist deshalb eher ein "Arbeitsnachweis" der Polizeibehörden. Die Statistik ist also nicht der Weisheit letzter Schluss, wenn es um die Beurteilung der Kriminalität geht. Anzeichen für bewusste Manipulation, wie von Trump behauptet, gibt es aber nicht. Es handelt sich um belastbare Zahlen der deutschen Polizeibehörden.
Zumindest die PKS stützt die Aussagen nicht
Das die Kriminalität demnach zurückging, bedeutet nicht, dass es nicht bei einzelnen Tatbeständen auch leichte Steigerungen gab: Die Zahl der Morde und versuchten Morde ist von 2016 auf 2017 um 3,2 Prozent von 761 auf 785 gestiegen. Auch die Zahl der sexuellen Nötigungen ist gestiegen - was aber laut BKA auch darauf zurückzuführen ist, dass das Strafrecht in dieser Hinsicht im November 2016 verschärft wurde und die neuen Straftatbestände in der aktuellen Statistik erstmals auftauchen. Die Zahl der Vergewaltigungen ist aber gesunken. Es gab einen deutlichen Anstieg beim Straftatbestand "Raub zur Erlangung von Betäubungsmitteln" - die Fallzahlen sind mit unter 200 Fällen 2017 auch immer noch sehr niedrig. Allgemein sind die Fälle beim Straftatbestand "Raub" ebenfalls zurückgegangen.
Zumindest unter Bezug auf die PKS lässt sich Trumps Aussage also nicht stützen. Es ist unklar, wie Trump auf zehn Prozent kommt. Der Präsident ist bekannt dafür, es mit der Wahrheit nicht allzu genau zu nehmen. Die statistische Erfassung von Kriminalität ist komplex und es gibt viele weitere Statistiken, die verschiedene Bereiche abdecken. Es ist allerdings unwahrscheinlich, dass Trump durch eine langfristige Auswertung aller Studien zu seiner Einschätzung "der Kriminalität" gekommen ist. Wahrscheinlicher ist, dass er die Zahl einfach erfunden hat.