Familien:Genug gestritten?

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Das bisherige Modell bei Trennungen funktionierte meist so: Die eine betreut, der andere zahlt. (Foto: Nina Janeckova/Imago)

Justizminister Buschmann will das Unterhaltsrecht reformieren. Väter, die sich nach einer Trennung engagiert um ihre Kinder kümmern, sollen weniger zahlen. Offen ist, ob das die oft jahrelangen Kämpfe vor Gericht eindämmt.

Von Constanze von Bullion und Robert Laubach

Mehr Transparenz, mehr Fairness und klarere Regeln - Bundesjustizminister Marco Buschmann will den Kindesunterhalt reformieren. Der FDP-Politiker möchte dafür sorgen, dass Eltern nach einer Trennung weniger häufig vor Gericht streiten als bisher: um Betreuungszeiten der Kinder, um Unterhalt und Gerechtigkeit. Gerade Väter, die sich mehr als in früheren Zeiten um ihre Töchter oder Söhne kümmern wollen, sehen sich vom derzeitigen Unterhaltsrecht benachteiligt. Buschmann will das ändern und hat nun Eckpunkte einer Reform vorgestellt. Sie sind auch ein Fall für Rechenkünstler.

"Das deutsche Unterhaltrecht muss modernisiert werden, denn es lässt Trennungsfamilien häufig im Stich", sagte der Justizminister am Freitag in Berlin. Auf viele Fragen des Kindesunterhalts gebe das geltende Recht keine überzeugenden Antworten. Dies betreffe auch praktische Fragen zur Lebenssitutation getrennter Eltern und ihrer Kinder. Statt eine befriedende Wirkung auszuüben, produziere das Unterhaltsrecht "häufig Ergebnisse, die als unfair, als ungerecht empfunden werden". Das führe zu viel Frust, auch zum Schaden der Kinder.

Was der Minister nun vorschlägt, sieht im Wesentlichen eine Besserstellung desjenigen Elternteils vor, der seine Kinder nach einer Trennung weniger häufig betreut als die Ex-Partnerin oder der Ex-Partner, aber dennoch in substanziellem Umfang präsent ist. Meist geht es dabei um Vater. Übernimmt er mindestens 30 Prozent der Kinderbetreuung und bis zu 49 Prozent, soll sich das nach Buschmanns Vorschlag "spürbar" auf den von ihm zu leistenden Unterhalt auswirken.

Das Residenzmodell passt für viele Familien nicht mehr, das führt zu Krach

Schon jetzt hat nach einer Trennung jedes Kind Anspruch auf Unterhalt durch beide Eltern. Sie können diese Leistung in Form von Pflege und Betreuung erbringen, also durch den sogenannten Betreuungsunterhalt - oder in Form von Geldzahlungen, dem sogenannten Barunterhalt. Im herkömmlichen Residenzmodell sind es allermeistens die Mütter, die den Löwenanteil der Betreuung übernehmen und mit den Kindern leben. Trennungsväter betreuen ihre Kinder in dieser Konstellation oft jedes zweite Wochenende und in der halben Ferienzeit. Zum Ausgleich sind sie verpflichtet, Barunterhalt zu leisten, der sich an ihrem Einkommen bemisst, an der Düsseldorfer Tabelle und am Alter des Kindes.

Die eine betreut, der andere zahlt, und die Kinder behalten einen eindeutigen Lebensmittelpunkt - diese Vorstellung liegt dem Residenzmodell zugrunde. Für viele Trennungsfamilien aber passt es nicht mehr. Das führt zu Krach. Erstens fordert eine wachsende Zahl von Vätern, nach einer Trennung nicht nur Freizeit, sondern auch unter der Woche Alltag mit ihren Kindern zu verbringen. Zweitens sehen sich gerade diejenigen Väter benachteiligt, die als meist mitbetreuender Elternteil auch dann den vollen Barunterhalt leisten müssen, wenn sie sich deutlich mehr als jedes zweite Wochenende um ihre Kinder kümmern. Nur im Fall einer genau hälftigen Teilung der Betreuungszeit, dem symmetrischen Wechselmodell, entfallen nach offizieller Lesart solche vollen Barunterhaltspflichten.

Diese Regelung kann bei heillos zerstrittenen Ex-Partnern zu jahrelangen Auseinandersetzungen vor Gericht führen. Nicht selten versuchen mitbetreuende Väter, sich um jeden Preis zum Wechselmodell durchzuklagen. Auch finanzielle Interessen der Väter können diesen Kampf befeuern - ebenso bei hauptbetreuenden Müttern, die dagegenhalten. Dieser Fehlanreiz soll aus dem Unterhaltsrecht nun verschwinden, Familienrechtsexpertinnen und -experten haben jahrelang darauf gedrängt.

Das Rechenmodell des Ministers ist allerdings eine Denksportübung

Buschmanns geplante Änderungen betreffen ausschließlich das "asymmetrische Wechselmodell", bei dem der mitbetreuende Elternteil zwar weniger, aber mindestens 30 Prozent der Kinderbetreuung übernimmt. Ihm sollen Unterhaltszahlungen teilweise erlassen werden, damit keine ungerechte Doppelbelastung entsteht - durch Betreuung plus Geldzahlungen. Ein "klar strukturiertes Rechenmodell", das der Minister verspricht, entpuppt sich in den Eckpunkten allerdings als sechsstufige, keineswegs anspruchslose Denksportübung.

Um herauszufinden, wie stark sich die Unterhaltszahlungen reduzieren, wenn mehr betreut wird, ist auch künftig in einem ersten Schritt zu ermitteln, welchen Unterhaltsanspruch jedes Kind hat. Allerdings bemisst sich dieser Betrag künftig am Einkommen beider Eltern, anders als bisher. Von diesem Betrag sollen dann 15 Prozent abgezogen werden. Damit will Buschmann berücksichtigen, dass der Mitbetreuer - oft der Vater - selbst Kosten für Essen, Schulmaterial oder Freizeitaktivitäten des Kindes oder der Kinder hat.

Buschmann hatte bereits in den letzten Tagen vorgerechnet, bei einem Einkommen von 4000 Euro brutto müsse ein Vater, der seine Kinder zu einem Drittel betreut, der hauptbetreuden Mutter nach dem geplanten Modell "mehr als 100 Euro" weniger Kindesunterhalt zahlen als bisher, wenn sie 2000 Euro verdient. Das Eckepunktepapier vom Freitag aber zeigt auch: Bei größeren Einkommenunterschieden zwischen den Eltern, kann noch wesentlich mehr Unterhalt entfallen.

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Ein Beispiel: Ein Vater hat ein monatliches Nettoeinkommen von 5000 Euro, eine Mutter verdient 1700 Euro und ist die Hauptbetreuerin. Die beiden Kinder sind drei und sechs Jahre alt. Der Anspruch der Kinder liegt laut Düsseldorfer Tabelle demnach bei 1654 Euro. Dies ist aber noch nicht der zu zahlende Unterhalt. Denn in einem nächsten Schritt wird in Buschmanns Modell der sogenannte "angemessene Selbstbehalt" abgezogen. Er liegt derzeit bei 1650 Euro monatlich. Diese Summe soll von Unterhaltszahlungen unangetastet bleiben und garantiert, damit Eltern wegen der Zahlungen für die Kinder nicht in Armut fallen.

Ist der Selbstbehalt berücksichtigt, wird pauschal angenommen, dass die Mutter 67 Prozent der Betreuung übernimmt, der Vater 33 Prozent. Aus diesen Werten ergibt sich ein Unterhaltsanspruch für die beiden Kinder von 1166,90 Euro. Davon soll in einem letzten Schritt dann noch die Hälfte des Kindergeldes abgezogen werden. Zahlen müsste der mitbetreuende Vater also 916,90 Euro für beide Kinder - das sind monatlich 262 Euro weniger als in der bisherigen Regelung. Ob getrennt Erziehende und ihre Verbände den Vorschlag als gerecht bewerten, bleibt also abzuwarten.

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