Union:Merkels Auftrag - Schäubles Griechenpflicht

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Im vergangenen Jahr warb Wolfgang Schäuble für einen Austritt Griechenlands aus dem Euro. Jetzt muss er eine erneute Austritts-Debatte verhindern. (Foto: John MacDougall/AFP)
  • Bis zum G-7-Treffen in Japan soll der Streit um weitere Milliardenhilfe für Griechenland gelöst sein.
  • Dazu muss Wolfgang Schäuble allerdings seinen Kurs ändern und darauf hinarbeiten, dass die internationalen Kreditgeber erklären, dass Griechenland alle Auflagen erfüllt. Noch im vergangenen Jahr hatte er einen Euro-Ausstieg der Griechen gefordert.
  • Angela Merkel will dann US-Präsident Barack Obama gewissermaßen "in die Pflicht nehmen".

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Als Wolfgang Schäuble vor Kurzem erläutern sollte, warum er erst gegen die Kaufprämie für Elektroautos gewesen war und sie dann doch mitbeschlossen hat, sah er sich veranlasst, grundsätzlich zu erklären, wie regieren funktioniert.

"Wenn Sie der Überzeugung sind, dass nur Sie recht haben und alle anderen, die anderer Meinung sind, nicht recht haben, dann kommen Sie nicht so furchtbar weit", holte der Bundesfinanzminister aus, bevor er den aus seiner Sicht entscheidenden Satz anfügte: "Und dann müssen Sie überlegen, ob Sie sich in die Pflicht nehmen lassen - oder nicht."

Er jedenfalls lasse sich jeden Tag in die Pflicht nehmen. Wenn die Vorsitzenden der drei Regierungsparteien die Fördermillionen als innerkoalitionäres Schmiermittel haben wollten, dann also bitte.

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Sogar der mächtigste Minister muss sich beugen, wenn die Parteichefs es wollen. Das mag bereits bei der Auto-Prämie unangenehm gewesen sein. Verglichen mit dem, was Schäuble in den kommenden Tagen erfüllen muss, war diese Pflichterfüllung aber eine Petitesse. Schäuble hat von der Kanzlerin den Auftrag erhalten, den Streit über weitere Finanzhilfen für Griechenland schnell und geräuschlos zu beenden - und zwar zu ihren Konditionen.

Das geht nur, weil Schäuble seine Überzeugungen hinten anstellt. Für den Minister ist das nicht einfach, denn Griechenland und der Euro sind seine ureigenen Themen. Angela Merkel will beim Treffen der sieben wichtigsten Industriestaaten (G 7) kommende Woche in Japan den Griechenland-Streit gelöst haben. Sie will keine Belehrungen von US-Präsident Barack Obama mehr hören. Sie will keinen Euro-Sondergipfel haben, der ohne eine Einigung notwendig wäre. Außerdem braucht die Kanzlerin eine Einigung, um die ohnehin aufgewühlte Unionsfraktion nicht auch noch mit dem Thema Griechenland zu belasten.

Deshalb muss Schäuble am Dienstag, wenn sich die internationalen Kreditgeber in Brüssel treffen, liefern. Er arbeitet darauf hin, dass die Partner dann sagen können, dass Griechenland alle Auflagen erfüllt habe, die für die Auszahlung der nächsten Kredittranche nötig sind. Die Euro-Länder könnten die Milliardenhilfe dann planmäßig anweisen, die griechische Krise würde aus den Schlagzeilen verschwinden.

Dass Schäuble sich derart in die Pflicht nehmen lässt, ist der eigenen Partei geschuldet. Die Unionsfraktion ist in Aufruhr, durch den Streit über die Flüchtlingspolitik, durch den Aufstieg der AfD und schließlich durch die Entscheidung, E-Autos zu fördern. "Viele Kollegen" hätten Bedenken geäußert, hatte Schäuble nach der Entscheidung eingeräumt. Und dass es noch "ein Stück weit Überzeugungsarbeit in der Unionsfraktion" brauche, um die Reihen zu schließen. Ein Streit über das griechische Kreditprogramm würde die Stimmung noch weiter verschlechtern.

"Wer jetzt kommt und sagt, der Währungsfonds ist doch nicht dabei, oder wir müssen Athen Schulden erlassen, der stellt die Fraktion vor die Zerreißprobe", heißt es in der Bundesregierung. Die Union und der Bundestag sollen sich nicht mit Griechenland beschäftigen müssen. Das ist die rote Linie, die Schäuble nicht überschreiten soll.

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Es ist eine Aufgabe, die ihm sehr viel abverlangt. Im vergangenen Jahr hatte er noch dafür geworben, dass Griechenland aus dem Euro ausscheiden soll, wenigstens zeitweise. Vergebens. Jetzt soll er verhindern, dass die Debatte über ein Ausscheiden Athens wieder aufflammt. Schäuble war im Jahr 2010, als die Krise mit aller Wucht ausbrach, dagegen, dass der Internationale Währungsfonds (IWF) als Partner des Hilfsprogramms einsteigt. Merkel wollte es - und setzte sich durch. Jetzt muss Schäuble verhindern, dass der IWF abspringt.

Sein Handlungsspielraum ist eng. Die Union will, anders als die SPD, die sich als "leidenschaftslos in diesem Punkt" bezeichnet, dass der Weltwährungsfonds sich am Kreditprogramm beteiligt. Zugleich muss Schäuble verhindern, dass Athen vorzeitig Schulden erlassen werden. Genau das macht der IWF aber zur Bedingung seiner weiteren Beteiligung.

Allerdings werden Programme beim IWF nicht von Ökonomen beschlossen und auch nicht von der Direktorin Christine Lagarde - sondern vom Exekutivausschuss, in dem die Mitgliedsländer des Fonds sitzen. Die Mehrheit der Stimmen liegt, wenn sie geeint auftreten, bei Europäern und Amerikanern.

Wenn es Schäuble am Dienstag gelingt, den Griechenland-Streit abzuräumen, könnte Merkel ein paar Tage später auf dem G-7-Gipfel US-Präsident Obama leichter "in die Pflicht nehmen", die gemeinsame Mehrheit zu nutzen. Den Boden dafür hat Schäuble jetzt bereitet, er hat sich am Randes des G-7-Finanzministergipfels in Japan mit Lagarde getroffen. Das Gespräch war vertraulich, aber danach sagte er: "Ich bin zuversichtlich."

© SZ vom 21.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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