Nach den Wahlen:Die Ruhe bei CDU und SPD ist Schwäche

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Ihre Parteien wurden abgestraft: Sigmar Gabriel und Angela Merkel. (Foto: Michael Kappeler/dpa)

Die Volksparteien haben bei den Landtagswahlen politische Schläge erhalten wie selten zuvor in ihrer Geschichte - aber sie machen einfach weiter wie bisher. Damit werden sie die erschreckend starke AfD nicht zurückdrängen können.

Kommentar von Robert Roßmann

Das Erstaunlichste am Tag eins nach dem GAU für Deutschlands Volksparteien ist, dass nichts passiert, einfach gar nichts. CDU und SPD haben am Sonntag politische Schläge erhalten wie selten zuvor in ihrer Geschichte. Aber Angela Merkel und Sigmar Gabriel machen einfach weiter, als ob nichts geschehen sei. Und niemand von Rang in CDU oder SPD probt den Aufstand. Nicht einmal die gedemütigten Spitzenkandidaten Nils Schmid und Guido Wolf treten zurück. Selten ist so viel politische Energie so schnell wieder verpufft.

Die AfD hat am Sonntag sogar im Westen Deutschlands zweistellige Ergebnisse eingefahren. In Sachsen-Anhalt wurde sie in jeder vierten Gemeinde stärkste Kraft. Das sind erschütternde Ergebnisse. Noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik ist eine neue Partei mit so viel Wucht in Landesparlamente eingezogen. Aber die etablierten Parteien, ansonsten nervöse Organismen, reagieren, als ob sie Apotheken voller Betablocker ausgeräumt hätten. Man könnte stolz auf diese Gelassenheit im Umgang mit den Rechtspopulisten sein, wenn sie denn tatsächlich Ausdruck innerer Stärke wäre. Aber leider ist genau das Gegenteil der Fall.

Keiner hat Lust, Gabriel das Amt streitig zu machen

Die Ruhe in CDU und SPD ist nur Beleg ihrer Schwäche. In der CDU sind viele längst vom Glauben an Merkels Kurs abgefallen, auch in der SPD wachsen die Zweifel. Aber Merkel und Gabriel sind nach Meinung der Mehrheit in ihren Parteien noch alternativlos. In der CDU gibt es niemanden, der erfolgreich gegen die Vorsitzende putschen könnte. Die SPD ist zwar voller möglicher Putschisten, von denen hat aber wegen der schlechten Erfolgsaussichten bei der Bundestagswahl keiner Lust, Gabriel das Amt streitig zu machen. Das führt in beiden Parteien dazu, dass um des inneren Friedens willen eine ehrliche Debatte über das Wahldebakel unterdrückt wird. Man könnte sie nicht führen, ohne die Vorsitzenden zu beschädigen.

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Dabei schrecken die Parteispitzen auch vor Umdeutungen der Wahlergebnisse nicht zurück. 15 Prozent für die AfD würden doch bedeuten, dass 85 Prozent der Wähler Merkels Linie goutierten, sagen sie in der CDU-Spitze. Außerdem wird darauf verwiesen, dass die Niederlagen für Julia Klöckner und Guido Wolf an deren Distanz zu Merkels Flüchtlingspolitik gelegen hätten und deswegen den Kurs der Kanzlerin doch ebenfalls bestätigen würden.

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Wenn man dieses Argument konsequent zu Ende denkt, müsste man aber ganz anders rechnen. Klöckner, Wolf und Haseloff haben sich gegen den Kurs der Kanzlerin gestellt. Also müsste man - wenn man so argumentiert wie die CDU-Spitze - die Stimmen für die drei Landesparteien größtenteils zu den AfD-Prozenten hinzuzählen, um den wahren Unmut über Merkels Kurs zu ermitteln. Aber derartige Rechnungen sind Spiegelfechterei. Sicher ist jedoch, dass deutlich mehr als 15 Prozent der Deutschen die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin ablehnen.

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Auch die gespenstisch gute Laune der Sozialdemokraten ist kaum zu fassen. Die Zeiten, in denen sich die SPD Volkspartei nennen konnte, ohne sich lächerlich zu machen, sind zumindest in einigen Bundesländern vorbei. Doch die SPD macht weiter, als sei nichts geschehen. Lediglich die CSU stört den großkoalitionären Selbstbetrug - allerdings nur mit dem üblichen Getöse.

Und so wird die Koalition vorerst einfach so weiterregieren wie bisher. Merkel wich am Montag der Frage, ob sie Fehler gemacht habe, einfach aus. Auch Gabriel wirkte nicht wie von Selbstzweifeln zerfressen. Dabei wäre es für die Koalitionäre durchaus an der Zeit, sich auch ein paar grundsätzliche Gedanken zu machen. Wie konnte es passieren, dass ausländerfeindliche Rechtspopulisten ohne ernst zu nehmendes Programm derartige Erfolge feiern können?

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Viele Bürger sind die angebliche Alternativlosigkeit der Politik leid. Das war bereits in der Euro- und in der Griechenland-Krise so - und das ist jetzt in der Flüchtlingspolitik wieder so. Monatelang hat die Bundesregierung erklärt, es sei nicht möglich, die Flüchtlingszahlen durch nationale Maßnahmen an der Grenze wirksam zu reduzieren. Jetzt zeigt das Vorgehen der Staaten auf der Balkanroute, dass das sehr wohl möglich ist. Man kann diese Grenzschließungen aus guten Gründen für falsch halten - etwa wegen der schrecklichen Lage der Flüchtlinge in Idomeni. Im Schlamm des griechisches Grenzortes versinken derzeit auch Europas Werte.

Unstrittig ist aber, dass das Vorgehen Österreichs und seiner Verbündeten wirkt. Das zeigt: Es gibt, nicht nur in der Flüchtlingspolitik, immer Alternativen. Die mögen schlechter sein. Aber man darf sie nicht prinzipiell negieren, sondern muss klug begründen, warum man sie nicht nutzt. Ansonsten wird man noch lange mit der Alternative für Deutschland leben müssen.

© SZ vom 15.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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