UN-Resolution:Weltsicherheitsrat verlangt mehr Hilfsgüter für Gaza

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Die Vertreterin der Vereinigten Arabischen Emirate, Lana Nusseibeh, sagt, der Text sei "nicht perfekt". (Foto: IMAGO/Bianca Otero/IMAGO/ZUMA Wire)

Nach tagelangen Verhandlungen einigen sich die Vereinten Nationen auf eine neue Resolution zum Krieg in Nahost. Die USA enthalten sich. Der nun verabschiedete Text ist deutlich aufgeweicht.

Von Fabian Fellmann, Washington

An seinem letzten Arbeitstag vor Weihnachten hat sich der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in New York doch noch zusammengerauft, einer Resolution zum Krieg in Gaza zuzustimmen. Der durch lange Verhandlungen verwässerte Text verlangt eine raschere und ungehinderte Lieferung von Hilfsgütern. Die Resolution der Vereinigten Arabischen Emirate erhielt 13 Ja-Stimmen, die Vetomächte USA und Russland enthielten sich. Zuvor hatten UN-Hilfswerke gewarnt, die Hälfte der Menschen in Gaza seien vom Hungertod bedroht; am selben Tag bezifferten Hamas-Vertreter die Zahl der Toten in dem Kriegsgebiet erstmals auf mehr als 20 000.

Die Resolution ruft alle Parteien dazu auf, das humanitäre Völkerrecht zu respektieren und "die Grundlagen dafür zu schaffen, dass die Kampfhandlungen nachhaltig eingestellt werden". Die gewundene Formulierung ist langen Verhandlungen geschuldet. Die USA hatten mehrfach mit einem Veto gegen den ursprünglichen Entwurf gedroht, der zu einem Waffenstillstand aufrief. Mehrmals wurde eine Abstimmung in der vergangenen Woche verschoben, um Zeit für Verhandlungen zu gewinnen, während sich die Lage in Gaza dramatisch zuspitzte.

Russlands Botschafter Vasily Nebenzya warf dem Sicherheitsrat vor, nun eine "zahnlose" Resolution zu verabschieden. UN-Generalsekretär António Guterres sagte, es sei "unverzüglich noch viel mehr nötig", um den Menschen im Gazastreifen zu helfen. "Ein humanitärer Waffenstillstand ist die einzige Möglichkeit, den dringenden Bedürfnissen der Menschen in Gaza gerecht zu werden und ihren anhaltenden Albträumen ein Ende zu setzen." Auch eine Reihe von Ländern im Rat hatte sich nach der Abstimmung enttäuscht über den verwässerten Text gezeigt, dessen Annahme sie trotzdem für nötig hielten.

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Die Vertreterin der Emirate erwiderte, der Text sei "nicht perfekt". "Wir wissen, dass nur ein Waffenstillstand das Leiden beenden wird", sagte Botschafterin Lana Nusseibeh. Die Resolution stelle dennoch einen Fortschritt dar. "Alle möglichen Land-, See- und Luftrouten nach Gaza müssen eingesetzt werden, um lebensrettende Hilfe hineinzulassen", sagte Nusseibeh. In Gaza sei seit Beginn des Kriegs nur ein Zehntel des Lebensmittelbedarfs eingetroffen.

Die US-Botschafterin spricht von einem "Schimmer der Hoffnung"

Der UN-Generalsekretär erhält mit der Resolution den Auftrag, einen Koordinator für die humanitäre Hilfe nach Gaza zu bestimmen. Die Vereinten Nationen wollen diese Stelle Kreisen zufolge noch in diesem Jahr besetzen. Der Koordinator soll das Tempo der Lieferungen beschleunigen. Zu diesem Zweck hatten die Emirate zunächst gefordert, die Sicherheitskontrollen sämtlicher Hilfsgüter an die UN zu übertragen.

Die USA hatten mehrfach mit einem Veto gegen den ursprünglichen Entwurf gedroht, der zu einem Waffenstillstand aufrief. (Foto: Yuki Iwamura/AP)

Derzeit untersucht Israel alle Lastwagen, unter anderem auf Waffen, was laut Kritikern zu Verzögerungen führt. Die US-Vertretung blockierte jedoch in Absprache mit Israel auch bei diesem Punkt. Sie argumentierte, jede Änderung an den aktuellen Abläufen drohe die Hilfslieferungen wieder zu verlangsamen. Andere Diplomaten betrachteten dies als Ausflucht, da es zu den Grundaufgaben der Vereinten Nationen gehört, bei humanitären Krisen Hilfe zu koordinieren.

"Israel wird die gesamte humanitäre Hilfe für Gaza weiterhin aus Sicherheitsgründen inspizieren", schrieb Außenminister Eli Cohen am Freitagabend auf der Plattform X, vormals Twitter. Er betonte, sein Land werde den Krieg fortsetzen "bis alle Geiseln freigelassen sind und die Hamas im Gazastreifen eliminiert ist".

"Direkte, hartnäckige Präsidialdiplomatie"

Es seien "viele Tage und viele, viele lange Nächte voller Verhandlungen" nötig gewesen, sagte die amerikanische Botschafterin Linda Thomas-Greenfield, die das Resultat als einen "Schimmer der Hoffnung in einem Meer unvorstellbaren Leidens" beschrieb. Die USA hätten sich seit dem Beginn des Kriegs dafür eingesetzt, mehr Hilfe nach Gaza zu senden, "durch direkte, hartnäckige Präsidialdiplomatie". Gemeint war, dass Präsident Joe Biden persönlich den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu unter Druck gesetzt habe. Diese Woche hat Israel beispielsweise den Grenzübergang bei Kerem Shalom für Hilfsgüter geöffnet. Zuvor stand nur der Posten bei Rafah zwischen Gaza und Ägypten zur Verfügung.

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In den Verhandlungen der vergangenen Tage waren die USA zunehmend isoliert. Selbst das eng verbündete Großbritannien hatte sich unter dem Eindruck der katastrophalen Situation in Gaza längst deutlich kompromissbereiter gezeigt. Die Amerikaner verärgerten sogar westliche Diplomaten, als die Botschafterin in New York Anfang der Woche ihre Zustimmung zu einem Entwurf signalisierte, dieser aber vom Weißen Haus in Washington abgelehnt wurde, worauf Thomas-Greenfield in letzter Minute um einen weiteren Aufschub der Abstimmung bat.

Sie fühle sich dadurch ermutigt, dass eine Einigung nun gelungen sei, sagte sie am Freitag - und zeigte sich gleichzeitig "tief enttäuscht, ja entsetzt": Auch in der jüngsten Resolution verzichtet der Sicherheitsrat darauf, den Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober zu verurteilen, bei dem Angreifer aus Gaza 1200 Menschen in Israel töteten und rund 250 Geiseln in das Palästinensergebiet verschleppten.

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