Ukraine-Krieg:Wer ist Putins neuer Befehlshaber?

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Dem Präsidenten treu: General Alexander Dwornikow (r.) wurde von Wladimir Putin schon mit zahlreichen Orden bedacht - hier 2016 etwa mit dem "goldenen Stern des Helden Russlands". (Foto: Sputnik/via Reuters)

Nach US-Informationen kommandiert jetzt Alexander Dwornikow Russlands Truppen in der Ukraine. Er hat schon in Tschetschenien und Syrien Operationen geleitet - das lässt Schlimmes befürchten.

Von Frank Nienhuysen, München

In Russland ist er ein Held, im Westen steht er auf der Sanktionsliste. Alexander Dwornikow ist 61 und wenn er seine Militäruniform anzieht, baumelt viel Gewicht an seiner Brust. Der russische General aus dem fernöstlichen Ussurijsk, nahe der chinesischen Grenze, hat in den Jahrzehnten bei den russischen Streitkräften viele Orden bekommen. Seinen wichtigsten steckte ihm Präsident Wladimir Putin am 17. März 2016 an: den "goldenen Stern des Helden Russlands". Die Ukraine fürchtet diesen Mann nun.

Dwornikow hat am Wochenende den Oberbefehl über die russischen Truppen in der Ukraine erhalten. So berichten es zumindest die US-Regierung sowie einige russische Medien, eine offizielle Bestätigung aus Moskau gab es zu der Personalie zunächst nicht. Für die Ukraine heißt das wenig Gutes. Um die Jahrtausendwende leitete Dwornikow im zweiten Tschetschenienkrieg - in Russland offiziell "Antiterror-Operation" genannt - ein Regiment, das sich am Sturm auf die Hauptstadt Grosny beteiligte. Anderthalb Jahrzehnte später, ab September 2015, war er der erste Kommandeur der russischen Truppen bei ihrem berüchtigten Einsatz in Syrien. Zuletzt war er in Russland Chef des Südlichen Militärbezirks, zu dem außer dem russischen Nordkaukasus auch die auf der Krim stationierte Schwarzmeerflotte gehört.

In Syrien half Dwornikow maßgeblich, dass sich für Diktator Baschar al-Assad das Blatt wendete. Aus russischer Sicht liest sich seine Bilanz so: Mehr als 9000 Flugeinsätze, mehr als 400 "befreite Siedlungen". Für die US-Regierung zeigt sein Syrien-Kommando dagegen, was demnächst auch den Ukrainern bevorstehen könnte. Der nationale Sicherheitsberater Jake Sullivan sagte, Dwornikows Ernennung sei "ein Signal, dass Russland seine Politik der verbrannten Erde fortsetzen wird".

Er habe in Tschetschenien und in Syrien "diese Art von Kampagnen ausgeführt, die zu schrecklich vielen Angriffen auf Zivilisten und zu Zerstörungen ziviler Infrastruktur geführt hat", sagte auch der ehemalige US-General Mark Hertling in einem CNN-Interview. Bei den Bombardements sollen auch Krankenhäuser getroffen worden sein. In den USA erhielt Dwornikow auch den Beinamen "Schlächter von Syrien". Für Hertling ist klar, weshalb der Kreml den General zum Militärführer für die Ukraine ernannt hat: Er wolle Dwornikow drängen, bis zum 9. Mai Erfolge zu bringen, sagte er.

Der 9. Mai ist in Russland der wichtigste Feiertag des Jahres: der Tag des Sieges, an dem mit einer Militärparade auf dem Roten Platz und vielen privaten Feiern an den Sieg über Nazi-Deutschland erinnert wird. Für Kremlchef Putin wäre dies Anlass, der Bevölkerung aus russischer Sicht auch aktuelle Erfolge in der Ukraine zu präsentieren. Allerdings sind auch für die Ukrainer der 9. Mai und seit einigen Jahren zusätzlich der 8. Mai stets Tage des Sieges und des Gedenkens.

Die Klitschkos halten einen neuen Angriff auf Kiew für möglich

Die ukrainische Führung befürchtet, dass sich die russischen Streitkräfte derzeit umgruppieren und einen groß angelegten Angriff vorbereiten - wahrscheinlich schon in den nächsten Tagen. Satellitenaufnahmen des privaten Unternehmens Maxar Technologies vom Sonntag zeigen einen etwa 13 Kilometer langen russischen Militärkonvoi, der Richtung Donbass fährt. Vor etwa einer Woche hatte Russland nach erfolglosen Eroberungsversuchen seine Soldaten aus dem Kiewer Gebiet zurückgezogen. Moskau erklärte daraufhin, sich auf den Osten der Ukraine zu konzentrieren.

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Nach Angaben des ukrainischen Außenministers Dmytro Kuleba wird Russland im Donbass eine Schlacht mit Tausenden Panzern, gepanzerten Fahrzeugen, Artillerie und Kampfjets beginnen. Um sich zu verteidigen, bekomme die Ukraine weiterhin Waffen aus den USA, sagte deren Sicherheitsberater Sullivan am Sonntag bei CNN. Der britische Premier Boris Johnson hatte wiederum bei einem Besuch in Kiew etwa weitere 120 gepanzerte Fahrzeuge zugesagt, dazu auch Anti-Schiff-Raketen.

Als besonders gefährdet bei neuen russischen Angriffen gilt auch die Millionenstadt Charkiw im Osten der Ukraine. Doch die Klitschko-Brüder, von denen Vitali Klitschko als Bürgermeister von Kiew den dortigen Widerstand organisiert, machen sich auch auf anderes gefasst. Beide halten es für möglich, dass Russland ein weiteres Mal versuchen wird, die ukrainische Hauptstadt anzugreifen und "innerhalb von zwei Tagen zu erobern". Wladimir Klitschko sagte sogar, dass er genau dies erwarte. Er stützte sich dabei vermutlich auf entsprechende Einschätzungen des ukrainischen Brigadegenerals Alexander Grusewitsch. Die Klitschko-Brüder hatten nach dem Rückzug russischer Truppen zuletzt ausdrücklich geflüchtete Hauptstädter davor gewarnt, zurückzukehren. Auch Präsident Wolodimir Selenskij sagte am Montag, es sei noch zu früh zu sagen, "dass wir den Kampf um Kiew schon endgültig gewonnen haben".

Als deutlich wahrscheinlicher gelten allerdings Versuche Russlands, Gebiete im Osten und Süden zu erobern. Dabei dürfte Dwornikow als neuer Kommandeur eine entscheidende Rolle spielen. Die Zeitung Kyiv Post berichtete, dass die großflächigen schnellen Eroberungsversuche in der Ukraine deshalb gescheitert seien, weil es an zentralen Kommandostrukturen gefehlt habe und die Koordination zwischen den verschiedenen Armee-Einheiten schlecht gewesen sei. Nun solle mit einem neuen Großangriff unter Dwornikows Führung die Ukraine zum Aufgeben gezwungen werden, damit Russland ihr Bedingungen für einen Friedensschluss diktieren könne - rechtzeitig zum 9. Mai. Darauf jedenfalls stellt sich die Ukraine ein. Und rüstet sich.

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