Krieg in der Ukraine:Selenkskij lädt deutsche Staatsspitze ein

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Die deutsche Staatsspitze könnte sich jetzt auch einen Eindruck vom Ausmaß der Zerstörungen in Irpin machen, Selenskij hat sie jetzt in die Ukraine eingeladen. (Foto: Friedrich Bungert)

Nach einem gemeinsamen Telefonat erklärt Bundespräsident Steinmeier die "Irritationen der Vergangenheit" für ausgeräumt. Außenministerin Baerbock und Bundestagspräsidentin Bas wollen jetzt in die Ukraine reisen.

Von Robert Roßmann, Berlin

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat am Donnerstag mit seinem ukrainischen Kollegen Wolodimir Selenskij telefoniert. Es war der erste direkte Kontakt zwischen den beiden, seit die Ukraine Mitte April einen Besuch des Bundespräsidenten in der Ukraine abgelehnt und damit einen diplomatischen Eklat ausgelöst hatte. Das Gespräch soll etwa 45 Minuten gedauert haben.

Steinmeier habe dem ukrainischen Präsidenten in dem Telefonat "Solidarität, Respekt und Unterstützung für den mutigen Kampf des ukrainischen Volkes gegen die russischen Aggressoren ausgesprochen", teilte das Bundespräsidialamt anschließend mit. Beide Staatschefs hätten "das Gespräch als sehr wichtig und sehr gut" bezeichnet. "Irritationen der Vergangenheit" seien ausgeräumt worden. Und beide Präsidenten hätten vereinbart, "im engen Kontakt zu bleiben".

Steinmeier hatte am Mittwoch bei einem Besuch in Rumänien auf die Frage, wie es nach seiner Ausladung durch Selenskij denn nun weitergehen solle, gesagt: "Wir Deutschen unterstützen die Ukraine aus vollem Herzen." Diese Unterstützung bringe er auch bei Besuchen wie diesem in Rumänien zum Ausdruck, "und natürlich auch im Austausch mit meinem ukrainischen Amtskollegen - wenn das möglich ist". Dieses Gesprächsangebot hat Selenskij jetzt offensichtlich angenommen. Der ukrainische Präsident hat in dem Telefonat mit Steinmeier den Bundeskanzler und die gesamte deutsche Staatsspitze - also auch den Bundespräsidenten - in sein Land eingeladen.

Die Annäherung ist geglückt: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (links) und der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij. (Foto: dpa)

"Ich hatte eine gute, konstruktive und wichtige Unterhaltung mit Bundespräsident Steinmeier", twitterte Selenskij im Anschluss an das Gespräch. Er habe für die "starke Unterstützung" Deutschlands gedankt und Steinmeier über die Lage an der Front und die "kritische Situation in Mariupol" informiert. In den vergangenen Wochen hatte Selenskij einen Gesprächswunsch Steinmeiers einfach unbeantwortet gelassen. Der Bundespräsident steht in der Ukraine wegen seines vergleichsweise russlandfreundlichen Kurses in seiner Zeit als Außenminister in der Kritik. Außerdem wird moniert, dass er auch noch als Bundespräsident den umstrittenen Bau der Pipeline Nord Stream 2 verteidigt hat.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte die Ausladung Steinmeiers durch die Ukraine ungewöhnlich deutlich kritisiert. Zum Abschluss der Kabinettsklausur in Meseberg sagte Scholz am Mittwoch, es sei "für die deutsche Regierung und für das deutsche Volk ein Problem, dass der Bundespräsident gebeten wurde, nicht zu kommen". Die Ukraine werde jetzt ihren "Beitrag" leisten müssen. Die Äußerung konnte man als Aufforderung an Selenskij verstehen, sich auf Steinmeier zuzubewegen.

Das Gespräch Selenskijs mit Steinmeier zeigt jetzt, dass beiden Seiten an einem besseren Verhältnis gelegen ist. Scholz sagte, das Telefonat zwischen den Präsidenten sei "eine gute Sache" gewesen. Der Kanzler kündigte an, dass Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) "demnächst" in die Ukraine fahren werde. Auch Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) plant eine Reise.

Merz twittert, er sei Selenskij "sehr dankbar"

Bas wolle "auf Einladung ihres ukrainischen Amtskollegen gemeinsam mit ihm aller Opfer des Zweiten Weltkriegs gedenken und politische Gespräche führen", sagte die Sprecherin der Bundestagspräsidentin der Süddeutschen Zeitung. Einen Termin wollte sie noch nicht nennen. Das Weltkriegsgedenken in der Ukraine ist aber am 8. Mai, also an diesem Sonntag. Es wird deshalb damit gerechnet, dass Bas diesen Tag für ihren Besuch anstrebt.

"Solche Reisen bedürfen sorgfältiger und intensiver Abstimmungen, auch mit der ukrainischen Seite und den zuständigen Sicherheitsbehörden", sagte die Sprecherin der Bundestagspräsidentin. Sie bitte "um Verständnis, dass deshalb keine näheren Informationen möglich sind". Die internen Planungen für die Reise würden bereits "seit Anfang April" laufen. Aber dabei müsse "die sich ständig ändernde Sicherheitslage beobachtet" werden. In den vergangenen Tagen gab es wieder russische Raketenangriffe auf ukrainische Eisenbahnanlagen, die den Zugverkehr empfindlich gestört haben.

Bas wäre die ranghöchste deutsche Politikerin, die seit Beginn des russischen Angriffs in die Ukraine fährt. Unter anderem waren bereits CDU-Chef Friedrich Merz sowie die Vorsitzenden der Bundestagsausschüsse für Verteidigung, Europa und Äußeres - Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), Anton Hofreiter (Grüne) und Michael Roth (SPD) - in dem Land. Merz twitterte am Donnerstag, er sei Selenskij "sehr dankbar", dass er seiner Bitte um eine Einladung des Bundespräsidenten gefolgt sei. Der Weg für persönliche Begegnungen von Steinmeier und Scholz mit Selenskij in Kiew sei nun frei. Allerdings ist unklar, ob die Bitte von Merz tatsächlich relevant für den Kurswechsel des ukrainischen Präsidenten war.

Ob Scholz nach Kiew fahren will, blieb ebenfalls unklar. Der Kanzler antwortete auf eine entsprechende Frage ausweichend. Auch Steinmeier ließ offen, ob er jetzt wieder vorhat, in die Ukraine zu reisen. In jedem Fall will der Bundespräsident nun aber einen schon länger geplanten Auftritt am 8. Mai beim Bundeskongress des Deutschen Gewerkschaftsbundes in Berlin dafür nutzen, um auch über den Krieg in der Ukraine zu sprechen.

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