1970 gab es in Österreich erstmals ein besonderes Fernsehexperiment. Da saßen der damalige Bundeskanzler Josef Klaus und Ex-Außenminister Bruno Kreisky im Fernsehstudio des Österreichischen Rundfunks. Ein Tisch, zwei Spitzenkandidaten vor der Parlamentswahl, kein Moderator. Der Christsoziale und der Sozialdemokrat beharkten sich, Klaus blieb kühl, Kreisky schwitzte, man widersprach sich - doch man zollte sich Respekt.
Knapp 46 Jahre später, an diesem Pfingstsonntag, legte der österreichische Privat-Sender ATV das Format neu auf. Eine Woche vor der Stichwahl am 22. Mai saßen die Präsidentschaftskandidaten Norbert Hofer und Alexander Van der Bellen allein am Tisch. Diesmal verflüchtigte sich der Respekt nach 20 Minuten.
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Was sich der stellvertretende Parteichef der rechtspopulistischen FPÖ und der frühere Grünen-Vorsitzende da lieferten, war übel und verblüffend zugleich. Zuerst ließ man sich nicht ausreden, dann ging man über zu Häme, Unverschämtheiten und unverstellter Verächtlichkeit. Zwei sehr unterschiedliche Männer waren einander ausgeliefert.
Siegreich ging niemand aus dem politischen Schlammcatchen hervor
Da zeigte man den Scheibenwischer (Van der Bellen); da unterstellte man dem anderen, ein Lügner zu sein (Hofer); man empörte sich und verwendete das Wort "Schweinerei" (Van der Bellen). Und man tat so, als ob man die Beleidigung eines Rappers nicht kolportieren wollte, sagte aber dann doch "Scheiß Fotzen" (Hofer). Österreich oberpeinlich. Das Fernsehduell ums höchste Staatsamt war mitunter so würdelos, dass man selbst im Ausland Anwandlungen zum Fremdschämen verspürte.
Siegreich ging eh niemand aus dem politischen Schlammcatchen hervor. Inhaltlich gab es kaum Neues, die Kontrahenten agierten erwartbar: Van der Bellen gab sich proeuropäisch, würdigte das politische Österreich der letzten 70 Jahre, er verwies auf seine parteiübergreifende Unterstützerriege und sein Ansehen im Ausland.
Hofer, der als Stärkster aus dem ersten Wahlgang hervorgegangen war, spielte die bekannten Melodien der FPÖ-Klaviatur: EU-feindliche Klänge, dazu die Forderung nach plebiszitären Elementen. Er nährte die Vorstellung, Brüssel und die anderen Parteien hätten sich zusammengetan gegen die Interessen der Österreicher. Und er übte Kritik an der Homoehe und den Kosten der Flüchtlingskrise.
Bislang präsentierte sich Hofer ganz anders als sein Parteichef
Aufschlussreich war die Sendung trotzdem, und das hatte vor allem mit Hofer zu tun. Der Burgenländer ist in den letzten Monaten sehr schnell sehr populär geworden, er erreicht Klientel, die nicht die mitunter rechtsradikal auftretende FPÖ wählt. Ein Grund für die Sympathien ist, dass Hofer bislang anders als sein Parteichef aufgetreten ist: Heinz-Christian Strache, der sich in seiner Jugend in der Neonazi-Szene bewegt hatte, ist ein Angstmacher, ein schriller Agitator, der in diesem Jahr den bisherigen Bundeskanzler Werner Faymann einen "Staatsfeind" nannte.
Anders Hofer: Der dritte Präsident des Parlaments ist geschmeidig und leiser. Inhaltlich liegt er voll auf Straches Linie, daraus macht er keinen Hehl. Aber sein charmantes Auftreten milderte die Botschaften ab. Hofer wirkte wie ein Teflon-Kandidat, der sich in die Hofburg lächelt. Bis jetzt.
Im Fernsehduell am Pfingstsonntag zeigte sich, wie viel Strache in Hofer steckt. Als es inhaltlich unangenehm wurde, zerstörte der FPÖ-Kandidat das Gespräch. Bemerkenswert offen wandte er eine Technik an, die schon sein seliger Parteifreund Jörg Haider praktiziert hat.
Anstatt zu argumentieren, verlegte sich Hofer auf Attacke: Einzelne Worte Van der Bellens pflückte er heraus und thematisierte sie, einzig, um sein Gegenüber aus dem Takt zu bringen. Hofer verdrehte, er ging Van der Bellen persönlich an. Einmal riet er ihm, sich mit einer Flasche zu unterhalten.
Van der Bellen begibt sich auf Hofers Niveau - eine verschenkte Chance
Van der Bellen hätte punkten können. "Schau an", hätte er sagen können, "da zeigt sich ja ein ganz anderer Norbert Hofer. Sind Beleidigungen das neue Amtsverständnis, für das Hofer auf Plakaten wirbt? Würde er als Präsident auch so aggressiv mit der Bundesregierung und anderen Leuten umspringen, die nicht seiner Meinung sind? Was passiert erst, wenn man ihm auf internationalem Parkett widerspricht?" Van der Bellen hätte, frei nach Helmut Schmidt, Hofer die Frage stellen können: "Haben Sie sich noch unter Kontrolle?"
Hofer lieferte Van der Bellen eine Steilvorlage, sich von ihm abzusetzen. Der Wirtschaftsprofessor hätte im direkten Vergleich zeigen können, wer sich wie ein Präsident verhält und wer nicht. Stattdessen begab sich der Grüne auf Hofers Niveau - eine verschenkte Chance.
Einmal hielt Van der Bellen mit Blick auf den beliebten sozialdemokratischen Noch-Präsidenten dem FPÖ-Mann vor, kein Heinz Fischer zu sein. Van der Bellen ist es auch nicht, wie er an diesem Pfingstsonntag bewiesen hat.
Hofer wiederum sollte vorsichtig sein, dass er im Endspurt seinen gefühlten Vorsprung nicht noch vertändelt. Van der Bellens bohrenden Fragen nach Hofers europäischen Partnern wich er wütend aus. Wer sich so lautstark Antworten verweigert, gibt damit zu, wie wichtig sie wären.