Interview mit Armin Thurnher:"Fesch und Faschismus ergaben den Feschismus"

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Präsidentschaftskandidat Norbert Hofer bei einer Pressekonferenz der FPÖ in Wien. (Foto: REUTERS)

"Falter"-Herausgeber Armin Thurnher über den Burschenschafts-Hintergrund von FPÖ-Kandidat Norbert Hofer - und dessen Anziehung auf das Bildungsbürgertum.

Interview von Alex Rühle

SZ: Herr Thurnher, nach dem Sieg von Norbert Hofer in der ersten Runde der österreichischen Präsidentschaftswahl ist allerorten von "feschen" FPÖ-Politikern zu lesen. Sie haben um das Jahr 2000 herum den Begriff des Feschismus geprägt. Was meinten Sie damit?

Armin Thurnher: Das war auf Jörg Haider und seine Entourage geprägt. Haider kokettierte fortwährend mit Anspielungen auf den Nationalsozialismus, die er jedes Mal sofort zurücknahm. Mit diesem Katz-und-Maus-Spiel hat er seine Nazi-Altwähler angesprochen. Zugleich gab er sich das Image eines Popstars. Meine These war, dass zum Popstar eine Unterströmung von Gefährlichkeit gehört, zu der im Falle Haiders eben diese Anspielungen auf das Nazitum beigetragen haben. Drittens war dieser Popstarkult extrem mode- und körperbetont, nackter Oberkörper, Sonnenbräune . . . Fesch und Faschismus ergaben dann den Feschismus.

Das erwähnte Spiel mit dem Tabu, die kalkulierte Provokation samt eingeplantem Dementi, über die Haider-Fans dann feixen konnten, weil er es dem politisch korrekten Establishment wieder mal gezeigt hatte - ist all das noch zentral in der Inszenierung der aktuellen FPÖ-Politik?

Nein. Schon Haider hat das Altnationale bald ad acta gelegt und den Austro-Chauvinismus ausgerufen. Das Paradoxe ist aber, dass die Generation Strache, die in der FPÖ 2005 ans Ruder kam, die alten deutschnationalen Burschenschaftler sind, von denen sich Haider 2005 mit seinem Bündnis Zukunft Österreich abgespalten hat. Heinz-Christian Strache, der Parteichef der FPÖ, hat nach außen auf die austrochauvinistische Karte gesetzt, der burschenschaftliche Hintergrund ist aber nach wie vor da.

Armin Thurnher, Jahrgang 1949, ist Mitgründer und Chefredakteur der Wiener Wochenzeitung Falter. Im Sommer erscheint von ihm "Die Wahrheit über die Lügen der Medien" (Zsolnay). (Foto: Irena Rosc)

Norbert Hofer ist Ehrenmitglied der Burschenschaft Markomannia-Germania Pinkafeld, die sich zum Deutschtum bekennt und "die Fiktion einer österreichischen Nation" ablehnt. Kann dieses Großdeutschtümelnde nicht zum Problem für einen Anwärter auf das Amt des österreichischen Präsidenten werden?

Sollte man meinen. Bei einer Fernsehdebatte vor dem Wahlabend wurde aber gar nicht näher nach dieser Mitgliedschaft gefragt, sondern nur danach, ob das eine schlagende Verbindung ist. Dabei wäre es schon interessant zu erfahren, wie der potenzielle zukünftige Präsident zu Österreich steht.

Wie wichtig sind die sogenannten Identitären, die nach eigenen Angaben für die Aufrechterhaltung einer nationalen, von einer "Islamisierung" bedrohten Identität kämpfen, innerhalb der FPÖ geworden?

Innerhalb der Partei sind sie nicht so wichtig, aber das ist auch nicht ihre Aufgabe. Sie versuchen eher, im kulturellen Hegemoniekampf so etwas wie die Rolle der 68er für die Rechte zu simulieren, indem sie sich an situationistischen Protestformen versuchen und rechte französische Theoretiker lesen.

Wird die FPÖ durch die Aktionen auch attraktiv für ein Bildungsbürgertum?

Unbedarfte Junge mit Protestpotenzial werden durchaus davon angesprochen, wenn die Identitären, wie kürzlich in Wien, eine Jelinek- Aufführung sprengen, in der Flüchtlinge mitspielen. Die Rechte hat es ja nie geschafft, kulturell attraktiv zu sein, die wurden immer nur als Dumpfbacken verachtet. Insofern ist das schon neu.

Die Identitären beschreiben sich selbst als patriotisches Greenpeace.

Ja, aber man muss schon die Relationen im Blick behalten. Hier marschieren nicht die braunen Bataillone durch die Straßen. Verglichen mit den Hunderttausenden, die sich zuletzt für Flüchtlinge engagiert haben, ist das doch ein kleiner Haufen.

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Im Wahlkampf hat Hofer geraunt, man werde schon bald sehen, was der Bundespräsident alles könne. Theoretisch darf er das Parlament auflösen und einen Kanzler nach seinem Gusto, etwa seinen Parteikollegen Strache ernennen. Für wie wahrscheinlich halten Sie solch ein Szenario?

Das kann ich nicht beurteilen, aber das Problem ist juristisch interessant. Als Österreich 1920 seine Verfassung erhielt, war der Präsident ein Staatsnotar. 1929 haben die Christlich-Sozialen dieses Amt im präfaschistischen Sinne aufgewertet, weil die Roten die Mehrheit im Parlament hatten. Vorbild waren Hindenburg und Mussolini. Sie haben das Amt auch mit autoritären Befugnissen ausgestattet. Er ist Oberbefehlshaber des Bundesheeres, eine Art Oberaußenminister, ernennt Richter und Beamte und ist kaum absetzbar. In der neuen Verfassung von 1945 steht , die Verfassung sei im Geiste der Verfassung von 1920 wieder herzustellen. Das ist geschehen - mit Ausnahme der Rolle des Bundespräsidenten, der wieder diese überväterliche Rolle aus der Verfassung von 1929 bekam, was der Verfassung von 1920 zutiefst widerspricht. Er könnte also tatsächlich die Republik verändern.

Als sich 1986 der frühere Wehrmachtsoffizier Kurt Waldheim zur Wahl des Bundespräsidenten aufstellen ließ und das Ausland entsetzt reagierte, warb Waldheim mit Slogans wie "Wir Österreicher wählen, wen wir wollen". Ist eine solche Schulterschluss-Reaktion jetzt wieder möglich?

Klagen, die man im Ausland anstimmt, sind ein gefundenes Fressen für hiesige Nationalisten. Noch schlimmer ist es, wenn ausländische Regierungschefs den Finger gegen Österreich erheben. Als 2000 der ÖVP-Kanzler Wolfgang Schüssel Jörg Haider in die Regierung geholt hat, erwog die EU Sanktionen. Da sah sich das österreichische Fernsehen veranlasst, große runde Tische zu machen. Alles musste zusammenrücken und extrem österreichisch sein.

Damals war Haider für viele noch der bizarre Alpenzampano in einem hoffnungslos revanchistischen Land. Heute hätte Hofer ein breites Bündnis von Budapest über Warschau bis vielleicht bald Paris.

Das macht die Sache so unbehaglich. Und es gibt da einen Zusammenhang: Das Scheitern der EU-Sanktionen gegen Haider hat dazu geführt, dass die EU danach weder gegen Berlusconi noch gegen Orbán oder andere EU-feindliche Populisten in irgendeiner Weise aktiv geworden ist.

© SZ vom 28.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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