USA:Trump und die Kraft des Hasses

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Der US-Präsident eskaliert den Streit mit der EU - und setzt auch innenpolitisch auf Konflikt, Polarisierung und Hetze. Die Folgen sind noch nicht abzusehen.

Kommentar von Hubert Wetzel, Washington

Das Urteil der Welthandelsorganisation gegen die Europäer ist hart. Es erlaubt den USA, Strafzölle auf Importe im Wert von bis zu siebeneinhalb Milliarden Dollar im Jahr zu verhängen, als Vergeltung für illegale Subventionen, mit denen die EU den Flugzeugkonzern Airbus gepäppelt hat. Dafür müssen nun Käsereien in der italienischen Reggio Emilia und Whisky-Destillerien auf den schottischen Hebriden büßen.

Aber es sagt auch viel aus über den heutigen Zustand der Welt, dass man sich über dieses Urteil eigentlich freuen müsste. Denn das Entscheidende sind weniger die siebeneinhalb Milliarden Dollar oder die unschöne Tatsache, dass der amerikanische Präsident Donald Trump nun über einen "hübschen Sieg" twittern kann. Das Entscheidende ist, dass es überhaupt ein Urteil gab, gefällt von einer internationalen Organisation, die dafür gegründet wurde, bei Handelsstreitigkeiten die Argumente beider Seiten zu prüfen und dann Recht zu sprechen. Die Welthandelsorganisation ist damit ein Bestandteil jener oft beschworenen, auf Multilateralismus und Völkerrecht fußenden "liberalen westlichen Weltordnung", die nach dem Zweiten Weltkrieg unter Führung der USA aufgebaut und von diesen verteidigt wurde. Und an deren Abriss jetzt Donald Trump mit Hingabe arbeitet.

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Betroffen sind vor allem Produkte der Länder, die für die Airbus-Subventionen verantwortlich waren: Deutschland, Frankreich, Spanien und Großbritannien. Die EU kündigt Gegenmaßnahmen an.

Und weil die Zeiten so sind, wie sie sind, ist das Urteil eben kein Zeichen dafür, dass die alte Ordnung sich allen Angriffen zum Trotz doch behauptet. Eher ist es ein letztes Echo aus einer verblassenden Epoche, in der zwei wirtschaftliche Supermächte, die USA und die EU, fünfzehn Jahre lang freiwillig, geduldig und friedlich vor einem Schiedsgericht über staatliche Beihilfen gestritten haben, um eine Lösung zu finden. Das wird auf absehbare Zeit wohl nicht wieder passieren. Trump lobt die Entscheidung jetzt nur, weil Amerika gewonnen hat; nicht weil er an die zivilisierende Wirkung von völkerrechtlichen Normen und internationalen Organisationen glaubt. In der Praxis wird das Urteil für ihn lediglich ein willkommener Vorwand sein, um den Handelsstreit mit den Europäern weiter zu eskalieren.

Dass dieser Streit im Kern allen Regeln der alten Ordnung widerspricht, dass dadurch ein politisch-wirtschaftliches Bündnis schwer beschädigt wird, von dem die USA in den vergangenen Jahrzehnten genauso profitiert haben wie die Europäer, stört Trump überhaupt nicht. Warum auch? Er sieht den Zweck seiner Präsidentschaft in der Zerstörung alter Ordnungen, nicht in deren Erhalt.

Dieser destruktive Zug ist in Trumps Außenpolitik offensichtlich, vor allem gegenüber Europa. Doch man sieht ihn auch in der Innenpolitik. Selbst wenn man all die Lügen, die Paranoia, die bizarre Prahlerei, das selbstmitleidige Gemotze und die kindischen Wutausbrüche abzieht, die Trumps Verhalten prägen, bleibt eine Erkenntnis: Dieser Präsident hat keinerlei Respekt für das rechtliche Fundament, auf dem das Land und die Gesellschaft stehen, die er regiert. Deswegen schreit er "Verrat", wenn ein Regierungsmitarbeiter den dafür vorgeschriebenen Weg geht, um eine mögliche Straftat des Präsidenten zu melden; deswegen hält er es für einen "Putsch", wenn der Kongress sein in der Verfassung festgeschriebenes Recht ausübt und ein Impeachment beginnt.

Und deswegen twitterte Donald Trump vor einigen Tagen diesen düsteren Satz in die Welt hinaus: Sollte er des Amtes enthoben werden, könnte das Amerika zerreißen, so wie zur Zeit des Bürgerkriegs. Das war keine offene Drohung, aber es war eine kaum verhohlene Warnung: Der Präsident, der geschworen hat, die Verfassung "zu bewahren, zu beschützen und zu verteidigen", ließ seine politischen Gegner im Parlament per Twitter wissen, dass in einem geladenen Gewehr am Ende mehr Macht steckt als in allen staubigen Paragrafen. So geht es inzwischen zu im Amerika des Donald Trump.

Man kann darüber streiten, wie realistisch oder wahrscheinlich das ist. Die überaus beunruhigende Erkenntnis ist in jedem Fall: Man kann es zumindest nicht ausschließen. Die USA werden sich wegen Trump vermutlich nicht noch einmal zerfleischen wie im Bürgerkrieg von 1861 bis 1865. Es wird kein zweites Gettysburg geben, keine Schlacht, in der Amerikaner in blauen Uniformen auf Amerikaner in grauen Uniformen feuern und am Abend Zehntausende in ihrem Blut liegen. Aber es gibt genügend betonharte, gut bewaffnete Trump-Anhänger, die bereit sind, ihren Präsidenten mit Gewalt gegen all jene vermeintlichen Verräter und Putschisten zu verteidigen, die ihm angeblich den Sieg stehlen, den Bürgern ihre AR-15 wegnehmen und Amerika in eine kommunistische Multikultidiktatur verwandeln wollen. Man braucht nicht viel Fantasie, um sich auszumalen, was passiert, wenn diese Leute zur Waffe greifen und auf Washington marschieren.

Das wäre eine unbeschreibliche Tragödie. Aber es wäre die Folge der Präsidentschaft eines Mannes, der seine politische Kraft aus Wut, Hass und Hetze zieht.

© SZ vom 04.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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