Anklage gegen Ex-US-Präsident:Trump in 34 Fällen der Fälschung von Geschäftsunterlagen angeklagt 

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(Foto: Seth Wenig/AP)

Der frühere US-Präsident plädiert bei der Anhörung im Gericht auf "nicht schuldig". Vor dem Gebäude demonstrieren Hunderte Trump-Anhänger und -Gegner.

Von Juri Auel und Oliver Klasen

Die US-Fernsehsender sprechen von einem Where-were-you-when-Moment, also einem Moment, in dem Geschichte geschrieben wird. Das hat es in den Vereinigten Staaten tatsächlich noch nie gegeben: ein ehemaliger Präsident, der vor einem Strafgericht erscheint und der Verlesung einer Anklageschrift zuhören muss, in der ihm schwere Straftaten vorgeworfen werden - auch solche, die ihn ins Gefängnis bringen könnten.

Ein Überblick über die wichtigsten Nachrichten rund um Trumps Gerichtstermin:

Was in der Anklage steht

Der New Yorker Bezirksstaatsanwalt Alvin Bragg hat 34 Punkte zusammengetragen, die unter dem Begriff felony laufen, also nach US-Recht als Verbrechen anzusehen sind.

Trump soll über seinen Anwalt Michael Cohen Schweigegeld an die frühere Pornodarstellerin Stormy Daniels und das Model Karen McDougal gezahlt haben, um Affären mit den Frauen zu vertuschen. Das ist an sich nicht strafbar. Trump ließ das Geld später an Cohen zurückfließen, deklariert als Honorar für anwaltliche Vertretung. Die Fälschung der Geschäftsergebnisse ist nach den Gesetzen des Staates New York ein strafbewehrtes Vergehen. Die hohe Zahl der Anklagepunkte kommt daher, dass offenbar jeder Scheck als jeweils einzelnes Verbrechen bewertet wird.

Viel schwerer wiegt jedoch, dass die Staatsanwaltschaft die Zahlung von 130 000 Dollar für Daniels sowie rund 150 000 Dollar für McDougal als Verstoß gegen Gesetze zur Wahlkampffinanzierung sieht. Nach dieser Argumentation hätte Trump die Summen als eben solche Wahlkampfspenden deklarieren müssen. Das hat er jedoch nicht getan. Trump hätte also die Geschäftsergebnisse gefälscht, um eine weitere Straftat zu verdecken. Das wäre dann nicht nur ein Vergehen, sondern nach dem Gesetz sogar ein Verbrechen, das wesentlich härter bestraft wird.

Als Höchststrafe drohen dem 76-jährigen Ex-Präsidenten den Gesetzen des Bundesstaats New York zufolge maximal vier Jahre Haft. Weil er keine Vorstrafen hat, gilt es eher als unwahrscheinlich, dass er hinter Gitter muss. Es könnte auch zu einem Freispruch oder nur zu einer Geldstrafe kommen.

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Das Statement des Staatsanwaltes

Der New Yorker Bezirksstaatsanwalt Alvin Bragg äußerte sich nach der Anhörung vor der Presse: "Die Beweisaufnahme wird zeigen, dass Trump die Geschäftszahlen gefälscht hat, um eine andere Straftat zu verdecken". Das Recht des Staates New York verbiete es, eine Wahl durch anderes ungesetzliches Verhalten zu beeinflussen. "Jeder ist vor dem Gesetz gleich, das ist ein amerikanisches Grundprinzip. Kein Geld der Welt und keine Macht der Welt kann das ändern", sagte Bragg.

Zuvor hatte sich der Staatsanwalt auf Twitter geäußert: "Wir werfen Donald Trump und seinen Anwälten vor, wiederholt und in betrügerischer Absicht Geschäftsunterlagen verfälscht zu haben, um eine Tat zum Nachteil der amerikanischen Wähler zu verschleiern und ihnen Informationen vorzuenthalten". Der frühere Präsident habe im Wahlkampf mit Geldzahlungen unliebsame Nachrichten über ihn zu unterdrücken versucht und er habe große Anstrengungen unternommen und in Dutzenden Fällen Unterlagen gefälscht, um das zu verbergen.

Das sagen Trump und seine Anwälte

Trump erklärte sich vor Gericht in allen Anklagepunkten für "nicht schuldig". Sein Anwaltsteam wiederholte später bereits bekannte Standpunkte. Dieser Tag sei "ein trauriger Tag" für die Vereinigten Staaten, man rechne normalerweise nicht damit, dass man in diesem Land so mit einem ehemaligen Präsidenten umgehe. Trump selbst sei frustriert, verärgert, aber auch motiviert. Man sei überrascht gewesen, dass keine "Fakten" in der Anklage zu lesen gewesen seien. Das Papier enthalte lediglich juristische Standardformulierungen. Trump werde sich vor Gericht gegen die "politisch motivierten Ermittlungen" gegen ihn wehren.

Trumps Anwalt Todd Blanche bei seinem Statement vor dem Gerichtsgebäude. (Foto: Yuki Iwamura/AP)

Der Ex-Präsident selbst flog im Anschluss an den Gerichtstermin wieder zurück nach Florida. Auf seinem Anwesen Mar-a-Lago hielt er eine Rede vor seinen Unterstützern und beteuerte einmal mehr seine Unschuld. "Das einzige Verbrechen, das ich begangen habe, ist die furchtlose Verteidigung unserer Nation gegen diejenigen, die sie zerstören wollen", sagte er. "Ich hätte nie gedacht, dass so etwas in Amerika passieren könnte", so Trump. Er stellte die Strafverfolgung gegen ihn als Versuch seiner politischen Gegner dar, ihn für die Wahl 2024 auszuschalten.

Fingerabdrücke, aber wohl doch keine Polizeibilder

Um kurz vor 19.30 Uhr deutscher Zeit hatte Trump zuvor das Gerichtsgebäude im New Yorker Stadtteil Manhattan betreten. Auf Luftaufnahmen des Senders CNN war zu sehen, wie der Konvoi aus schwarzen Limousinen und SUVs vor dem Gericht hielt und Trump in Begleitung seiner Sicherheitsleute ausstieg. Bei seiner Ankunft winkte er den Schaulustigen kurz zu. Auf Truth Social, seinem eigenen Social-Media-Kanal, postete er auf dem Weg zum Gericht folgenden Satz: "Auf dem Weg nach Lower Manhattan. Es ist so surreal. Wow! Sie verhaften mich. Kann nicht glauben, dass das in Amerika wirklich passiert."

Ein Wink, aber kein Statement: Trump beim Betreten des Gerichtsgebäudes. (Foto: Angela Weiss/AFP)

Im Gerichtsgebäude fand zunächst das übliche Verfahren statt - so wie bei jedem anderen Angeklagten auch: Es wurden die Fingerabdrücke sowie einige Daten zu Trumps körperlichen Eigenschaften, etwa dem Gewicht und der Haarfarbe, dokumentiert. Außerdem wurden dem Angeklagten seine Rechte vorgelesen, so will es das Gesetz. Ein Detail war aber anders als bei normalen Angeklagten: Trump wurde , wie jeder ehemalige und auch der amtierende US-Präsident, von einer Schar von Agenten des Secret Service begleitet.

Anders als zuvor von Prozessbeobachtern erwartet, gab es, wie US-Medien berichten, wohl doch keine mug shots von Trump. Solche Fotos, auf denen der Angeklagte von vorne und im Profil zu sehen ist, dienen der Polizei zur Identifizierung eines Verdächtigen. Von Trump gibt es aber genug Bildmaterial, außerdem sehen die Ermittler keine Fluchtgefahr. Und sie befürchten, dass Trump und seine Anhänger die mug shots für ihre politischen Zwecke instrumentalisieren könnten.

New York hat die Sicherheitsverkehrungen am Tag der Trump-Anhörung verschärft. (Foto: Spencer Platt/Getty Images/AFP)

Der Richter ermahnt Trump

Die Verlesung war ursprünglich für 20.15 Uhr deutscher Zeit terminiert, verspätete sich aber. Um kurz nach 20.30 Uhr wird Trump in den Saal geführt. Der ehemalige Präsident machte ein ernstes, müdes, vielleicht auch verbittertes Gesicht.

Eine Liveübertragung aus dem Gerichtssaal hatte der zuständige Richter Juan Merchan abgelehnt. Erlaubt waren nur fünf Fotografen, die zu Beginn Fotos machen durften. Das Gericht rief Trump bei der Anhörung dazu auf, seine Verpflichtungen als Angeklagter einzuhalten. Unter Verweis auf Beiträge Trumps in sozialen Medien, die von der Anklage vorgelegt wurden, sagte der Richter: "Bitte unterlassen Sie Äußerungen, die Gewalt verherrlichen, Unruhe stiften und die Sicherheit gefährden."

Nach gut einer Stunde, gegen 21.30 Uhr deutscher Zeit, verlies der frühere Präsident den Saal wieder - damit hat die Anklageverlesung für US-Verhältnisse ungewöhnlich lange gedauert. Bei der Abfahrt vom Gericht äußerte sich Trump nicht öffentlich; er stieg in den Wagen und fuhr mit seinem Konvoi davon, wie auf CNN-Bildern zu sehen war.

Demonstrationen vor dem Gericht

Hunderte Reporterinnen und Reporter berichteten über die Anhörung, zum Teil hatten sie, wie die New York Times schreibt, 18 Stunden in einer Warteschlange ausgeharrt, um einen der Plätze im Saal zu erhalten. Vorbereitet hatten sich auch die Anhänger des angeklagten Ex-Präsidenten. Sie harrten in einem Park gegenüber dem Gerichtsgebäude aus, einige versammelten sich bereits am Morgen US-amerikanischer Zeit. Sie werten die Anklage als rein politisch motiviert, halten sie für ein taktisches Manöver von "Kommunisten" und sagen, Trump sei vollkommen unschuldig. Fotos von der Demonstration zeigen Menschen, die Schilder hochhielten, auf denen zum Beispiel "Trump oder tot" steht, oder, etwas harmloser: "Wählt Trump noch einmal".

"Trumps Lügen" und "Niemand steht über dem Gesetz" ist auf Transparenten zu lesen, die Gegner des früheren US-Präsidenten hochhalten. (Foto: Scott Olson/Getty Images/AFP)

Zugleich versammelten sich auch Trump-Gegner vor dem Gericht. Sie riefen "Sperrt ihn ein"; auf ihren Transparenten stand etwa "Trump lügt die ganze Zeit". Beide Seiten wurden durch Absperrungen der Polizei getrennt. Die Sicherheitsvorkehrungen in New York waren erheblich verschärft worden, diverse Straßen in Lower Manhattan wurden gesperrt, um eine Eskalation wie am 6. Januar 2021 zu verhindern, als ein tobender Mob von Trump-Anhängern das Kapitol stürmte.

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