Tierschutz:Schlachtbank mit Kamera

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Mit dem Gesetz könnte sich für Deutschlands Tiere einiges ändern. (Foto: Guenter Hofer/imago)

Ein Entwurf des Tierschutzgesetzes nimmt die nächste Hürde. Er soll Schluss sein mit Qualzucht und angebundenen Kühen. Tierschützer sehen darin einen Fortschritt.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Wenn dann mal Bilder kommen, dann selten auf legalen Wegen. Die Bilder etwa von Schlachttieren, die trotz Betäubung noch leben - heimlich gefilmt und nach draußen gespielt. Oder Fotos von Milchvieh, das in engen Boxen angebunden ist, publik gemacht von Tierschützern. Es ist jenes Leiden, das sich dokumentieren lässt, denn viele Schmerzen, sei es bei der Enthornung, bei der Kastration oder als Folge von Züchtungen, sieht man nicht.

Eine Novelle des Tierschutzgesetzes soll nun mit vielen dieser Praktiken Schluss machen. Seit diesem Donnerstag ist sie nun auch offiziell auf den Weg gebracht. Eine Anhörung der Länder und Verbände hat begonnen - und damit die öffentliche Diskussion über das Vorhaben. Fast neun Monate lang hatte diese Anhörung schon deshalb nicht beginnen können, weil sich die Koalition nicht darüber einig war. Die FDP, so heißt es, hatte noch Vorbehalte.

Tatsächlich könnte sich einiges ändern für Deutschlands Tiere. Die sogenannte Anbindehaltung etwa, bei der Kühe und Rinder sich nicht im Stall bewegen können, sondern zumindest zeitweise mit Stricken oder Ketten fixiert sind, soll nach einer Übergangszeit grundsätzlich verboten werden. Diese führe "bei den betroffenen Tieren häufig zu erheblichen Schmerzen", heißt es in dem Entwurf. Fünf Jahre soll den Betrieben nach Erlass des Gesetzes Zeit bleiben, sich umzustellen. Danach ist sie nur noch in Ausnahmefällen möglich. Vor allem in Süddeutschland ist diese Praxis noch verbreitet. Hier sind auch die Widerstände bisher am größten. Die Proteste von Landwirten könnten durch den Entwurf neue Nahrung bekommen.

Die Strafen für Tierquälerei aller Art sollen verschärft werden

Auch sollen Tiere weniger leiden müssen, wenn ihnen etwa Schwänze gekürzt oder die Hörner gestutzt werden. Hier stünden in vielen Fällen schmerzärmere Alternativen oder aber Betäubungen zur Verfügung - die der Gesetzentwurf auch für die Zukunft verlangt. "Die betreffenden Eingriffe beziehungsweise deren Durchführung ohne Betäubung werden daher nicht mehr erlaubt", heißt es in der Begründung. Auch die Haltung von Schweinen mit gekürzten Ringelschwänzen wird an Auflagen geknüpft. Die Strafen für Tierquälerei aller Art sollen verschärft werden.

In Schlachthöfen wiederum sollen künftig Kameras die Arbeit filmen, und zwar vom Eintreffen der Tiere bis zu ihrer Schlachtung. Die Aufnahmen sollen helfen, "etwaige strukturelle Defizite in Schlachteinrichtungen zu identifizieren". Mindestens 30 Tage müssen diese Aufnahmen aufbewahrt werden. In der Vergangenheit waren des Öfteren Videos aufgetaucht, die Missstände in Schlachthöfen dokumentierten. Während diese Videos heimlich entstanden, sollen die Kameras nun für alle Mitarbeiter sichtbar montiert werden. Allein das dürfte seine Wirkung nicht verfehlen.

Auch die Auflagen für sogenannte Qualzucht werden verschärft - also Züchtungen, die für die betroffenen Tiere mit Schmerzen verbunden sind. So dürfen diese Tiere nicht mehr einem Publikum vorgestellt werden. Das soll den Anreiz senken, auf dem Wege der Zucht auf Kosten der Tiere Attraktionen zu schaffen, die dann wiederum für eine zusätzliche Nachfrage sorgen. Der Online-Handel mit solchen Tieren soll verboten werden - und insgesamt soll es künftig leichter werden, die Anbieter von Tieren im Internet zu identifizieren. Das soll nicht nur die Tiere schützen, sondern auch die Käufer, die mitunter mit falschen Angaben zu Heimtieren getäuscht werden.

Tierschützer fürchten weitere Abschwächungen des Entwurfs

Einschränkungen kommen auch auf reisende Zirkusse zu, denn Wildtiere werden sie nicht mehr zeigen können, wenn der Entwurf zum Gesetz wird. "Es ist verboten, Giraffen, Elefanten, Nashörner, Flusspferde, Primaten, Großbären, Großkatzen sowie Robben an wechselnden Orten zu halten oder zur Schau zu stellen", heißt es dort nun. Die Bedingungen für die Wildtiere stehen schon seit Jahren in der Kritik.

Tierschutzverbände sehen in dem Entwurf zumindest einen Fortschritt. "Jetzt ist ein guter Anfang gemacht, aber es ist noch nicht der ganz große Wurf", sagt etwa Rüdiger Jürgensen, Deutschland-Chef von Vier Pfoten. Besorgniserregend dagegen sei, dass Formulierungen aus früheren Entwürfen schon jetzt abgeschwächt worden seien. Auch der Verband Pro Vieh verlangt zwar Nachbesserungen, sieht aber "deutliche Fortschritte".

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Allerdings beginnt mit der Anhörung erst die Debatte. Er freue sich nun, sagt Landwirtschaftsminister Cem Özdemir, "auf die wertvollen Kommentare der Länder und Verbände". Und der Grüne weist auf noch etwas anderes hin: Seit 20 Jahren sei der Tierschutz schon als Staatsziel im Grundgesetz verankert. "Aber es zeigt sich, dass nach wie vor Defizite bestehen."

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