Angela Merkel hat fast 24 Stunden zu den Ereignissen in Thüringen geschwiegen, als sie am Donnerstag mit entschlossener Miene im Präsidentenpalast der Republik Südafrika ans Rednerpult tritt. Sie bitte um Verständnis, dass sie mit einer innenpolitischen Angelegenheit beginne, sagt sie mit einem Seitenblick auf Präsident Cyril Ramaphosa.
Während die Bundeskanzlerin auf dem Weg nach Südafrika war, hat die CDU mit der AfD einem FDP-Kandidaten ins Amt des Ministerpräsidenten verholfen. "Die Wahl dieses Ministerpräsidenten war ein einzigartiger Vorgang, der mit einem Grundsatz gebrochen hat, nämlich dass keine Mehrheiten mit der AfD gebildet werden." Dieser Vorgang sei "unverzeihlich", das Ergebnis müsse für die CDU rückgängig gemacht werden. "Es war ein schlechter Tag für die CDU", sagt Merkel. Ein Tag, an dem mit den Werten gebrochen worden sei.
Man kann diese Worte als Signal in Richtung des Koalitionspartners SPD verstehen. Noch in der Nacht hatte die SPD-Parteispitze Kontakt mit Merkel aufgenommen. Sowohl mit Vizekanzler Olaf Scholz als auch mit der SPD-Spitze habe sie gesprochen, bestätigt Merkel. Das Ergebnis: ein Koalitionsausschuss. Es sei "sinnvoll", sich zu treffen, sagt die Kanzlerin. Für sie heißt das, es geht von der Afrikareise direkt zum Krisentreffen ins Kanzleramt. Darüber schwebt die Frage, wie es in Thüringen weitergeht. Zu möglichen Neuwahlen sagt Merkel: "Das ist eine Option." Nach der großen Koalition befragt, verweist die Kanzlerin darauf, dass sich CDU und CSU schon klar positioniert haben. Das sei sicher "hilfreich".
Merkel hat sich den Südafrika-Aufenthalt vermutlich anders vorgestellt
Ob das den Sozialdemokraten reicht? Aus der SPD ist zu hören, dass einige Punkte zu klären seien. Etwa die Gratulationsliste aus der CDU an den Thüringer Ministerpräsidenten und die Kommunikationswege innerhalb der CDU. Was wusste die CDU-Parteivorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer von den Verabredungen? Und wen informierte Mike Mohring, Landeschef der CDU Thüringen, über die Pläne?
Merkel hat sich ihren Aufenthalt in Pretoria vermutlich anders vorgestellt. Sie hat sich viel Zeit gelassen mit ihrem dritten Besuch in Südafrika. Das letzte Mal war sie 2010 zur Fußballweltmeisterschaft hier, danach musste sie sich um Griechenland und den Euro kümmern. Erst als Kriegsflüchtlinge in großer Zahl nach Deutschland kamen, rückte Afrika unter dem sperrigen Begriff "Fluchtursachenbekämpfung" wieder in den Fokus von Regierungshandeln.
Diesmal gibt es anderes zu besprechen. Etwa den Waffenstillstand in Syrien, bei dem Südafrikas Präsident helfen kann, weil er bald den einflussreichen Vorsitz der Afrikanischen Union übernimmt und das Land im UN-Sicherheitsrat sitzt. Oder wie Südafrika erneuerbare Energien nutzbar machen kann. Um die 400 Kraftwerke sollen in den koemmenden Jahren gebaut werden - Kohlekraftwerke. Aus deutscher Sicht ist das mindestens zwiespältig. Die Bundesrepublik gibt seit 2017 keine Kredite mehr für Kohlekraftwerke. Merkel trägt den Beschluss mit, auch wenn ihr manchmal anzusehen ist, dass sie es für sinnvoller hielte, neue effiziente Kohlekraftwerke zu fördern als zuzusehen, wie saurer Regen ganze Landstriche verseucht. Ganz abgesehen davon, dass, wenn deutsche Unternehmen die Kraftwerke nicht bauen, es eben andere tun.
Merkel ist mit einer kleinen, sorgfältig ausgesuchten Wirtschaftsdelegation angereist. Neben Siemens-Chef Joe Kaeser sind erfahrene Anbieter von Wasser- und Gasturbinen, Solartechnik, Finanzierungen und Landvermessung dabei sowie der private Ableger der Bundesdruckerei, der Kreditkarten, Ausweise und auch Geldscheine drucken kann. Anders als China, das vor einiger Zeit vor einer ähnlichen Situation stand und seine Energie inzwischen hauptsächlich durch Kohleverbrennung erzeugt, könnte Afrika den direkten Weg in die grüne Energierzeugung gehen. Eigentlich möchte Merkel dafür den Weg bereiten. Doch nun muss sie, wenn sie am Samstag nach Berlin zurückkehrt, die Koalition retten.