Protestcodes:Kritik, eiskalt

Lesezeit: 2 min

"Iced Mint Chocolate" wird in Bangkok gerade mancherorts boykottiert. (Foto: nalinratphi/IMAGO/Panthermedia)

Die Meinungsfreiheit ist in Thailand mindestens eingeschränkt. Die Menschen packen ihren Unmut deshalb in Codes. Nun wird ein Getränk zum politischen Symbol.

Von David Pfeifer, Bangkok

Wie schmeckt Verrat? Wenn man junge Menschen in Thailand fragt: so wie ein Minzschokoladengetränk auf Eis. Die "Iced Mint Chocolate" war bis vor Kurzem eine normale Mode-Bestellung, so wie ein "Latte Grande mit laktosefreier Hafermilch to go" in Europa. Zwei Monate nach den Wahlen aber erhitzt sich die Atmosphäre auch politisch - und die Iced Mint Chocolate wird zu einem Symbol, um Unmut und Zorn zu äußern.

Diese Woche meldete Thai PBS, der öffentlich-rechtliche Rundfunk Thailands, dass mehrere Cafés das Getränk, das nach flüssigem "After Eight" aus dem Kühlschrank schmeckt, nicht mehr anbieten oder als "Verrate deinen Freund"-Drink bezeichnen. Ein Café schrieb auf seiner Facebook-Seite, mit der Bestellung "stoße man seinen Freund aus dem Boot". Die kalte Minzschokolade war bei einem Treffen von Oppositionspolitikern am vergangenen Wochenende getrunken worden, als diese sich berieten, wie sie ohne die siegreiche Move-Forward-Partei einen Premierminister ins Amt bringen könnten.

Anwesend waren auch Vertreter der zweitplatzierten Pheu-Thai-Partei, die eigentlich mit Move Forward koalieren wollte - und nun umzufallen droht, um an die Macht zu kommen. Schon im Wahlkampf hatte Paetongtarn Shinawatra, die Spitzenkandidatin der Pheu Thai, erklärt, Iced Mint Chocolate sei ihr Lieblingsgetränk. Manche Cafés bewerben nun stattdessen Orangensaft im Sonderangebot: Orange ist die Farbe der Move Forward, die vor allem von jungen Menschen gewählt wurde, die unzufrieden sind mit zehn Jahren Stillstand unter der scheidenden Militärregierung - und mit der "Lèse-majesté", dem Artikel 112 des thailändischen Strafgesetzbuches, der die Beleidigung der Königsfamilie unter Strafe stellt.

Thailänder üben versteckte Kritik auch durch Filmzitate

Den Artikel 112 nutzte die Militärregierung nach dem Putsch im Jahr 2014 häufig, um Proteste zu ersticken. In diesem Zusammenhang wurden schon andere mehr oder weniger alltägliche Dinge zu Zeichen des stummen Widerstands umfunktioniert. So trugen Protestierende auf den Demos in Bangkok Harry-Potter-Kostüme als Hinweis darauf, dass sie gegen denjenigen protestieren, "dessen Name nicht genannt werden darf". Auch der Drei-Finger-Gruß aus der Filmreihe "Die Tribute von Panem" wurde umgenutzt - Älteren noch als Pfadfinder-Gruß bekannt. In der Filmreihe kämpfen junge Menschen gegen ein Unterdrückungssystem. Da man in Thailand, wie auch in anderen asiatischen Ländern, seine Meinung nicht offen äußern kann, versichert man sich mit dem Gruß gegenseitig der Solidarität. Auch in Myanmar, Laos, Kambodscha und Vietnam.

Und die Iced Mint Chocolate ist nicht das einzige politische Getränk. Im chinesischen Einflussgebiet gibt es eine junge Protestbewegung, die sich als "Milk Tea Alliance" bezeichnet und sich vor allem online gegen die Dominanz Pekings in den Nachbarländern organisiert, von Hongkong über Taiwan, Myanmar bis Thailand. Hintergrund des Namens ist die Annahme, dass in China keine Milch in den Tee geschüttet wird, während das in anderen Ländern der Region üblich ist. Tee mit Milch schmeckt bei großer Hitze natürlich auch besser auf Eis. So wie Wut.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusEssen und Trinken
:Die Macht der Nacht

Der "Bangkok Social Club" gilt zwei Jahre nach seiner Eröffnung als eine der besten Bars der Welt. Das liegt auch am Manager Philip Bischoff aus Berlin. Ein Besuch.

Von David Pfeifer

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: