Süd- und Nordkorea:Der Traum von der Wiedervereinigung soll billiger werden

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Südkoreas Präsident Yoon Suk-yeol kritisierte vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen einen Waffendeal zwischen Nordkorea und Russland. (Foto: Richard Drew/AP)

Nord und Süd als geeintes Land? Den Etat für diese Anstrengung kürzt Südkorea jetzt um 22,7 Prozent - mehr Geld fließt dagegen in die Verteidigung. Das spiegelt die harte Nordkorea-Politik von Präsident Yoon Suk-yeol.

Von Thomas Hahn, Seoul

Das Ministerium für Vereinigung in Seoul liegt dort, wo Südkoreas Hauptstadt an die Zeit erinnert, als es nur ein Korea gab und nicht zwei wie heute. Im Bezirk Jongno nämlich, gegenüber dem Palast Gyeongbokgung. Hier regierten ab 1395 die ersten Könige der Joseon-Dynastie, die an die Teilung der koreanischen Halbinsel nicht dachten. Der Standort passt also zum Anspruch des Ministeriums, Südkoreas Beziehung zum sozialistischen Bruderstaat im Norden zu pflegen und auf die Wiedervereinigung hinzuarbeiten.

Allerdings steht es dieser Tage wie ein Amt mit verlorenem Ziel im Seouler Zentrum. Das aufrüstende Regime von Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un ist seit Jahren unerreichbar. Die Menschen in Südkorea fragen sich, was die Beamten im Vereinigungsministerium eigentlich den ganzen Tag machen. Und die Zweifel drücken jetzt auch den Etat. Der Haushaltsentwurf der südkoreanischen Regierung für 2024 sieht für das Vereinigungsministerium eine Kürzung um 22,7 Prozent vor. Von 1,4358 Billionen Won, umgerechnet etwa eine Milliarde Euro, schrumpft das Budget auf 1,1087 Billionen Won, rund 780 Millionen Euro. 81 Stellen werden gestrichen.

Nordkoreas Aufrüstung beantwortet Südkoreas Präsident mit mehr Abschreckung

Die Wiedervereinigung der beiden Koreas ist ein schöner, unerfüllbarer Traum. Gerade ist ja nicht einmal eine normale diplomatische Beziehung möglich, geschweige denn ein Friedensvertrag, der nach dem Waffenstillstand von 1953 endlich auch offiziell den Korea-Krieg beenden würde. Und Kim Jong-un tut nichts, um an der Situation etwas zu ändern. Im Gegenteil. Zuletzt war er in Russland bei Präsident Wladimir Putin, um mit diesem über eine militärische Zusammenarbeit zu sprechen - nach amerikanischen Geheimdienstinformationen vor allem über Hilfe für sein Atomwaffenprogramm im Gegenzug für Granaten und Munition, die Putin in seinem Angriffskrieg in der Ukraine braucht.

Der Besuch hat die Stimmung weiter verschlechtert. Vergangene Woche sagte Südkoreas Präsident Yoon Suk-yeol vor den Vereinten Nationen in New York, ein solcher Deal wäre "eine direkte Provokation", die Südkoreas Sicherheit bedrohen würde. Südkorea und seine Partner würden dabei "nicht tatenlos zusehen".

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Die staatliche Nachrichtenagentur zeigt Bilder vom Stapellauf mit Diktator Kim Jong-un. Angeblich kann das Schiff bis zu zehn Raketen mit Nuklearsprengköpfen tragen und abfeuern.

Kein Wunder, dass das Verteidigungsministerium nächstes Jahr 4,5 Prozent mehr Geld bekommen soll, während das Vereinigungsministerium deutliche Abstriche machen muss. Die Umverteilung spiegelt die harte Nordkorea-Politik des Präsidenten. Yoon Suk-yeol, seit Mai 2022 im Amt, ist ein früherer Staatsanwalt. Er ist es gewohnt, Gesetzesbrüche mit Macht zu ahnden, und so ungefähr geht er jetzt auch mit Nordkorea um. Jeder Raketentest des Kim-Regimes verstößt schließlich gegen die Resolutionen des UN-Sicherheitsrats.

Yoon macht Druck. Sein sogenannter "kühner Plan" sieht eine Annäherung an Nordkorea ausschließlich unter seinen Bedingungen vor. Und auf Nordkoreas Aufrüstung reagiert er mit mehr Abschreckung. Seit Yoon in Seoul regiert, sind Südkorea und die USA in Sicherheitsfragen näher zusammengerückt. Yoon hat sogar den alten Streit mit dem früheren Besatzer Japan um die Aufarbeitung der Kolonialzeit von 1910 bis 1945 mit knapper Geste beigelegt, um Japan für eine Anti-Nordkorea-Allianz zu gewinnen. Vereinigung? Ist nicht Yoons Thema. Die Vision vom vereinten Korea ist für ihn eher eine prokommunistische Spinnerei seines Vorgängers Moon Jae-in von der Demokratischen Partei.

Wichtig bleibt das Vereinigungsministerium als Brücke für bessere Zeiten

Aber der Auftrag des Vereinigungsministeriums ist nun mal, auf der Basis universeller Menschenrechte Wege zur Aussöhnung mit dem anderen Korea zu suchen. Auf Yoon dürfte es wirken wie eine Behörde zur Unterwanderung seiner Strenge. Wohl auch deshalb holte er im Juni den Politikwissenschaftler Kim Yung-ho an die Spitze des Vereinigungsministeriums. Kim Yung-ho gilt als harter Nordkorea-Kritiker. In einem Aufsatz nannte er mal den Sturz Kim Jong-uns als Voraussetzung für die Wiedervereinigung. Die Budget-Kürzung passt da ins Bild.

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Das Vereinigungsministerium bewertet diese nicht, auf SZ-Anfrage antwortet es schriftlich und in sachlichem Amtsenglisch. Grund für die Anpassungen sei der Sparkurs der Regierung. Aber das schlechte Verhältnis der beiden Koreas half beim Streichen. Der Fonds für innerkoreanische Zusammenarbeit sei "lange Zeit nicht voll ausgeschöpft" worden, schreibt das Ministerium. "Das Budget für Projekte, die über einen langen Zeitraum nicht ausgeführt wurden, wurde vollständig gekürzt." Unter anderem sei der gemeinsame Ausschuss für die Grenzgebiete weg sowie die Unterstützung für Konsultationen zur gemeinsamen Industriezone in Kaesong, Nordkorea, nahe der Grenze.

Wichtig bleibt das Vereinigungsministerium trotzdem als Brücke für bessere Zeiten. Zumal die Stimmung nach der nächsten Präsidentschaftswahl 2027 wieder anders sein kann. Das gekürzte Ministerium gibt jedenfalls nicht auf. Ziel sei es, "die Organisation schnell zu stabilisieren und greifbare Ergebnisse zu erzielen, die in der Öffentlichkeit Gehör finden." Die Leute sollen sich bald nicht mehr fragen, was die Beamten im Vereinigungsministerium den ganzen Tag machen.

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