Sudan:Brüchige Waffenruhe

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Bundeswehrsoldaten vor dem Abflug nach Khartum im jordanischen Al-Azraq. (Foto: Bundeswehr/EPA)

Das Ausfliegen von Deutschen aus dem Sudan wird fortgesetzt. Die Sicherheitslage ist weiterhin sehr schwierig, Zivilisten fliehen in Nachbarländer. Laut US-Außenminister Blinken gibt es jedoch eine weitere Feuerpause.

Von Mike Szymanski, Berlin

Die militärische Evakuierungsoperation aus dem Sudan dauert an. Seit Sonntagnachmittag hat die Bundeswehr etwa 500 deutsche Staatsbürger und Schutzbedürftige anderer Länder aus der Hauptstadt Khartum ausgeflogen. Am Dienstagmorgen hob die nunmehr fünfte Militärmaschine aus dem Sudan ab und landete in Jordanien. Einige der 500 geretteten Menschen wurden teils schon nach Berlin gebracht. "Die Bundeswehr hat in beispielhafter Art und Weise gezeigt, wie kaltstartfähig sie ist, wie schnell sie sich auf eine solche Situation einstellen kann. Ohne jede Panne, ohne jedes Problem", sagte Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius.

Der Schutz deutscher Staatsbürger im Sudan stehe im Vordergrund, sagte Pistorius. Demnach werde die Operation auch noch fortgesetzt, bis auf Weiteres in enger Abstimmung mit dem Sudan und einigen Partnern. Das Außenministerium ist bemüht, einen Überblick darüber zu bekommen, wie viele Deutsche sich in dem Land befinden. Ursprünglich war die Rede von mehr als 300. Einige von ihnen hätten mit Evakuierungsflügen der Franzosen das Land verlassen können, andere versuchten, sich über den Landweg in Sicherheit zu bringen. Beispielsweise sei ein Konvoi der Vereinten Nationen zur Hafenstadt Port Sudan unterwegs, darunter befinde sich eine zweistellige Zahl deutscher Staatsbürger, hieß es.

"Wir gehen davon aus, dass weitere deutsche Staatsbürger vor Ort sind", erklärte ein Außenamtssprecher und beschrieb die Sicherheitslage als weiterhin sehr schwierig. Seitens der Bundeswehr hieß es, es werde jede Option genutzt, Schutzbedürftige rauszuholen. Ein Sprecher des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr teilte in der Nacht zum Dienstag außerdem mit, Deutschland habe nun von Frankreich die Abstimmung von Evakuierungsflügen übernommen. Dabei geht es darum, Flugzeiten und den praktischen Betrieb auf dem Militärflugplatz bei Khartum zu regeln.

"Wir können es uns nicht leisten, dass ein bevölkerungsreiches Land wie der Sudan zusammenbricht."

Seit nunmehr mehr als einer Woche liefern sich zwei Generäle mit ihren jeweiligen Truppen heftige Kämpfe um die Macht im Land: Auf der einen Seite Mohammed Hamdan Daglo, den alle nur Hemeti nennen, der Chef der paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF). Auf der anderen Seite Armeechef Abdel Fattah Burhan. Erst mit dem muslimischen Fest zum Fastenbrechen nach dem Ramadan hatte sich am Wochenende die Lage etwas beruhigt, eine - wenn auch brüchige - Waffenruhe bot die Gelegenheit, Evakuierungsflüge durchzuführen. Auf einem Militärflugplatz außerhalb der Hauptstadt landeten unter anderem deutsche Militärtransporter vom Typ A 400 M.

Seit Beginn der Evakuierungsaktionen sind nach Angaben des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell mehr als 1000 Ausländer in Sicherheit gebracht geworden. Er danke den Ländern, die mit gemeinsamen Anstrengungen ihre Landsleute, aber auch andere Staatsangehörige aus dem Land gebracht hätten, sagte der Spanier.

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US-Außenminister Blinken: Neue Waffenruhe für 72 Stunden

Eigentlich sollte die Waffenruhe am Montagabend auslaufen. "Wir können es uns nicht leisten, dass ein bevölkerungsreiches Land wie der Sudan zusammenbricht, weil das in ganz Afrika Schockwellen auslösen würde", sagte Borrell. Man müsse davon ausgehen, dass man sich nach dem Ende der Feuerpause "in einer anderen Lage befinden werde", warnte Außenministerin Annalena Baerbock. "Ob die Sicherheitslage in den nächsten Tagen weitere Evakuierungen erlauben wird, ist mehr als ungewiss."

US-Außenminister Antony Blinken informierte am Montag darüber, dass sich die sudanesischen Streitkräfte und die mit ihnen rivalisierenden paramilitärischen Einheiten (Rapid Support Forces, RSF) darauf geeinigt hätten, ab Mitternacht für 72 Stunden eine landesweite Waffenruhe einzuhalten. Die RSF bestätigten die Feuerpause und kündigten die Einrichtung humanitärer Korridore an, um Zivilisten Zugang zu ärztlicher Versorgung und Schutzzonen zu ermöglichen sowie die Evakuierung ausländischer Diplomaten zu unterstützen.

Zehntausende Sudanesen flüchteten unter Lebensgefahr auf dem Landweg in Nachbarländer, teilte das UN-Nothilfebüro (OCHA) mit. "Zivilisten fliehen aus den von Kämpfen betroffenen Gebieten unter anderem in den Tschad, nach Ägypten und in den Südsudan." Tausende Flüchtlinge versammelten sich demnach etwa an der Grenze zu Äthiopien.

Zum aktuell im Sudan laufenden Evakuierungseinsatz für deutsche Staatsangehörige soll der Bundestag nachträglich seine Zustimmung geben. Es handele sich um einen Einsatz zur Rettung von Menschen aus besonderen Gefahrenlagen, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit. Eine vorherige Befassung des Bundestags hätte das Leben der Menschen gefährdet, erklärte er. Die Bundeswehr ist mit etwa 1000 Soldaten - unter anderem Fallschirmjägern und Soldaten des Kommando Spezialkräfte (KSK) - im Einsatz.

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