Sahel in der Krise:Todeszonen in den Weiten von Darfur

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Ein sudanesisches Mädchen ist aus der Konfliktregion Darfur an die Grenzen zum Tschad geflohen. (Foto: Zohra Bensemra/Reuters)

Während die Kriegsparteien in Khartum über eine Waffenruhe verhandeln, eskaliert im äußersten Westen des Sudan die Gewalt. Die wichtigsten Fragen und Antworten zu den vergessenen Brennpunkten in Darfur.

Von Arne Perras

Trotz eines Abkommens zum Schutz von Zivilisten, auf den sich die kriegführenden Generäle im Sudan verpflichtet haben, ist die Gewalt weiter eskaliert. Besonders in Darfur kommt es zu blutigen Exzessen, dort soll es allein seit Freitag mehrere Hundert Tote und Verletzte gegeben haben. Während sich die internationale Aufmerksamkeit auf die Hauptstadt Khartum konzentriert, sind die Entwicklungen im fernen Darfur von besonderer Bedeutung für die Zukunft des Landes. Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Todeszone im hochgerüsteten Westsudan.

Wo liegen die Wurzeln der Konflikte in Darfur?

Darfur erstreckt sich über den Westen Sudans, das Gebiet umfasst eine Fläche von nahezu 500 000 Quadratkilometern und ist damit deutlich größer als Deutschland. Eines der dort lebenden Völker gab dem Gebiet seinen Namen: Darfur bedeutet "Land der Fur". Im Norden liegen Wüsten und Halbwüsten, nach Süden hin gehen die von bergigen Plateaus durchzogenen Landschaften in Savanne über. Nomadisch lebende Gruppen mit arabischen Wurzeln, zum Beispiel die Rizeigat, und zumeist sesshafte, nicht-arabische Ackerbauern - Masalit, Zaghawa und Fur -leben hier seit Jahrhunderten Seite an Seite. Doch konkurrieren Bauern und Hirten um Land und Wasser, Streitigkeiten mündeten schon früher manchmal in Gewalt. Doch die Auseinandersetzungen waren begrenzt und beherrschbar, später gelang das immer weniger, bis es 2003 zum großen Krieg kam.

Die Auswirkungen des Klimawandels haben die Rivalitäten enorm verschärft, traditionelle Methoden der Konfliktlösung sind durch das Ausmaß der Gewalt obsolet geworden. Denn die Konflikte haben auch eine gesamt-sudanesische Dimension. Diktator Omar al-Baschir, der 30 Jahre lang in Khartum herrschte, bevor er 2019 stürzte, setzte häufig auf verbündete Milizen, um sich seiner Feinde zu entledigen. So auch in Darfur. Dort rüstete der Diktator Kämpfer der arabischen Rizeigat auf, um jene aufständischen Völker zu verfolgen, die mehr Rechte im Staat einforderten.

Baschir setzte auf die Janjaweed, "Teufel auf Pferderücken". Die Milizen, die auf Pferden, meistens aber auf Kamelen oder mit Toyota-Pick-ups Dörfer überfielen, Massaker anrichteten und Hunderttausende Darfuris zu Vertriebenen im eigenen Land machten, trugen stark zu einer Verrohung in Darfur bei, waren aber auch nie die einzigen Gewaltakteure in diesen Gebieten.

Washington sprach bald von einem "Genozid" an afrikanischen Ethnien, der Strafgerichtshof in Den Haag klagte Baschir und andere mutmaßliche Massenmörder an. Ausgeliefert wurden sie nie. Trotz Stationierung einer UN-Friedenstruppe wurden die Konflikte nie aufgearbeitet, sie sind ethnisch stark aufgeladen und werden durch gewaltige Mengen Waffen befeuert, die im Umlauf sind.

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Wie hängen die Konflikte in Darfur mit dem Machtkampf in Khartum zusammen?

Einer der beiden kriegführenden Generäle in Khartum, Mohammed Hamdan Daglo, genannt Hemeti, ist in Darfur beheimatet. Er befehligt die "Rapid Support Forces" (RSF), eine Miliz, die aus den berüchtigten Janjaweed hervorgegangen ist und vom einstigen Diktator Baschir als Mörderbande eingesetzt wurde. Hemeti hatte vor Ausbruch des jüngsten Krieges jedoch viele seiner Truppen - es sind bis zu 100 000 Mann - in die Hauptstadt verlegt.

Sollte Hemeti irgendwann seinem Erzrivalen, Armeechef Abdel Fattah al-Burhan, unterliegen, so ist zu vermuten, dass er sich nach Darfur zurückzieht, seiner Machtbasis. Das käme einer Spaltung des Sudans gleich. Wer immer die Macht in Khartum erobert, wird immer argwöhnisch nach Darfur blicken, weil jede Rebellion dort eine massive Gefahr für einen neuen Diktator am Nil bedeutet.

Welche Brennpunkte sind in Darfur erkennbar?

Viele Tote hat es zuletzt in El-Geneina gegeben, im äußersten Westen, an der Grenze zu Tschad. Nach Angaben eines Ärztekomitees sollen allein dort 280 Menschen seit Freitag durch Massaker umgekommen sein. Es ist unklar, inwieweit die Gewalt direkt mit der Rivalität der beiden Generäle in Khartum zu tun hat. Die um sich greifende Anarchie begünstigt generell bewaffnete Gruppen, die jetzt danach trachten, alte Rechnungen zu begleichen oder wieder Land zu gewinnen.

Anhänger von General Hemeti fühlen sich ebenso ermuntert wie Milizen jener Gruppen, die von ihrem Land vertrieben wurden und zurückwollen. Vielerorts in Darfur brechen alte Wunden auf. Und das Risiko wächst, dass Angreifer ganz gezielt Massaker an Zivilisten verüben, nur weil diese einer bestimmten Ethnie angehören.

Dass Gewalttäter und Drahtzieher immerzu straflos davongekommen sind in Darfur, dürfte jetzt viele dazu ermuntern, auch weiter auf Mittel der Gewalt zu setzen - zumal die Generäle in Khartum ihnen nichts anderes vormachen.

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