Suche nach Endlager für Atommüll:Gefangen im Wahlkampf

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Noch im Frühjahr überschütteten Regierung und Opposition sich mit Komplimenten: Doch nun wirft SPD-Chef Gabriel Umweltminister Altmaier vor, die Endlagersuche für Parteitaktik zu missbrauchen. Die Gespräche stocken, Altmaier droht, ein Gesetz ohne Absprachen einzubringen.

Michael Bauchmüller, Berlin

Es gab Zeiten, da war die Landtagswahl in Niedersachsen weit weg und eine Einigung auf eine neue Endlagersuche zum Greifen nahe. Bund und Länder, Regierung und Opposition verhandelten rege und überhäuften einander mit Komplimenten. Das war im Frühjahr.

Wer wissen will, wie vergiftet das Klima im Herbst darauf ist, der ist bei Sigmar Gabriel richtig. "Die meinen, damit Wahlkampf machen zu können", schimpft der SPD-Chef heute und kritisiert Bundesumweltminister Peter Altmaier von der CDU. "Altmaiers Absicht ist offensichtlich: Es geht um Niedersachsen." Dort wird Ende Januar gewählt, der Wahlkampf läuft gerade an.

Der Salzstock Gorleben, der größte Schatten über den Verhandlungen, liegt in Niedersachsen. So wird der Graben bei der Endlagersuche nun immer tiefer. Vor zwei Wochen hatten sich Unterhändler von Bund und Ländern zuletzt getroffen, auf gut zwei Seiten hielten die Teilnehmer strittige Fragen fest: Ob es etwa in Gorleben künftig ein Forschungslabor geben soll. Ob es Garantien geben wird, dass nicht am Ende Gorleben wieder als einziger Standort übrig bleibt. Welche Behörde welche Kompetenzen hat, und nach welchen Kriterien sie prüft. Und wieder verstrichen zwei Wochen.

Mittlerweile hat das Umweltministerium eine ganz neue Variante ins Spiel gebracht. Es könnte das Gesetz schließlich auch alleine ins Kabinett einbringen, ganz ohne Abstimmung mit Ländern und Opposition. Das schaffe noch keine vollendeten Tatsachen, heißt es aus dem Ministerium; denn das Gesetz lasse sich ja noch ändern. Und gleichzeitig gewinne man auf diese Weise Zeit. Die ist denkbar knapp geworden. Altmaier selbst hatte das Projekt lange schleifen lassen, drängelt aber jetzt.

Entsprechend aufgebracht ist die Opposition. "Sein ganzes Handeln fördert nicht das Vertrauen, dass er es mit dem Konsens ernst meint", sagt Gabriel. "Wenn man jemanden in der Opposition hat, der scheunentorweit sagt, ich bin gesprächsbereit, dann treibt man keine Spielchen."

Die SPD ist ohnedies in einer besonders prekären Lage. Einerseits hat sie einen Parteitagsbeschluss, der Gorleben für alle Zeiten ausschließt. Andererseits hat Gabriel erkennen lassen, dass er für einen Konsens auch hinnähme, dass der Salzstock zunächst unter den Endlager-Kandidaten bliebe. Ausgerechnet in Niedersachsen aber beruft sich der SPD-Spitzenkandidat Stefan Weil auf die Festlegungen des Parteitags. Ihn kurz vor der Wahl zu brüskieren, verbietet sich von selbst.

Ganz gelaufen sind die Gespräche noch nicht. Altmaier und Gabriel wollen sich bald treffen, und auch der SPD-Chef mag das Projekt noch nicht aufgeben. "Ich will, dass wir das in dieser Legislaturperiode hinkriegen", sagt er. Die rettende Zeit über die Niedersachsen-Wahl hinweg könnte nun ein schon lange vorgesehenes Symposium bieten.

Bund, Länder und Opposition könnten sich zwar auf ein grobes Verfahren einigen, dieses aber noch einmal zur Diskussion stellen. Dem Vernehmen nach plant auch das Umweltministerium derzeit ein weiteres Spitzentreffen, es beteuert Bereitschaft zum Einlenken. Würde es etwa im Dezember eine Verständigung geben, dann stünde erst das Symposium an, wohl im Januar. Erst nach der Landtagswahl würde dann endgültig entschieden. "Das wäre alles möglich", sagt Gabriel. Sieht so aus, als wäre es die letzte Chance.

© SZ vom 07.11.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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