Streit um Aygül Özkan:Schön gucken, nichts sagen

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Die erste Ministerin mit Migrationshintergrund kommt aus der CDU. Wenn Frau Özkan aber sagt, was sie von Kreuzen in Klassenzimmern hält, zeigt die Partei ihr wahres Gesicht.

Thorsten Denkler, Berlin

Als vor wenigen Wochen Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff mit der Nachricht herausrückte, eine Deutschtürkin würde demnächst Ministerin in seinem Kabinett, da kam dies einem Coup gleich. Nicht die SPD, nicht die Linken, nicht die Grünen und auch nicht die FDP haben es fertiggebracht, als Erste einer Persönlichkeit mit Migrationshintergrund Ministerverantwortung zu übertragen. Es ist die CDU, die Kanzlerinnenpartei. Die CDU, so schien es, ist in Fragen der Integration ganz vorne dabei, vielleicht sogar Vorreiter.

Aygül Özkan (Foto: Foto: ddp)

Keiner konnte ahnen, dass die 38-jährige Aygül Özkan einen eigenen Kopf hat, den sie dummerweise auch noch einschaltet.

An diesem Dienstag soll sie im Landtag von Hannover vereidigt werden. Schöne Bilder werden das. Eine junge Frau mit schwarz glänzenden Haaren, die ihre Abstammung nicht verleugnen kann - was sie sicher auch nicht will - spricht die Eidesformel.

Viele in CDU und CSU würden jetzt wohl gerne auf diese Bilder verzichten. Özkans Fehler: Sie hat ihr Recht auf freie Meinungsäußerung wahrgenommen. Dem Magazin Focus sagte sie, dass die Türkei eine EU-Beitrittsperspektive brauche und dass Kruzifixe in Schulen genauso wenig zu suchen hätten wie Kopftücher auf dem Haupt von Lehrerinnen.

So viel eigene Meinung war wohl nicht abgesprochen. Von der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung, Maria Böhmer, bis zum Chef der Schüler-Union ereifern sich nun Özkans Parteifreunde. Sie solle sich doch bitte überlegen, ob sie mit ihren Ansichten in der richtigen Partei sei. Andere raten ihr, doch erst mal das Parteiprogramm zu lesen, bevor sie den Mund aufmache. Selbst Christian Wulff sah sich genötigt, sich von seiner Entdeckung zu distanzieren.

Stimmen den Rückhalts waren aus Özkans Partei bisher nicht zu hören.

Die massive Kritik an Özkan offenbart vor allem eines: Gewandelt hat sich die CDU nur vordergründig. Kanzlerin Angela Merkel hat der Partei in den Jahren ihrer Regentschaft einen modernen Anstrich verpasst. Mehr nicht.

Hinter der Fassade mufft es noch wie in den sechziger Jahren. Da bekamen Gastarbeiter ein Geschenk, wenn sie nach Deutschland kamen. Sie waren schließlich Gäste, keine Bürger. Und ihnen wurde das Gefühl eingeimpft, dankbar sein zu müssen, überhaupt in Deutschland leben zu dürfen.

Jetzt sind die Gastarbeiter und Gastarbeiterkinder Bürger, sie haben Rechte, auch das Recht auf Undankbarkeit. Es sollte längst selbstverständlich sein, dass Menschen aus allen Schichten der Gesellschaft Verantwortung für das Land übernehmen. Die CDU aber wollte mit Özkan offenbar nur eine Quoten-Türkin zum Vorzeigen haben. Das Özkan das anders sieht, gehörte nicht zum Plan.

Eine Partei der Integration ist die CDU nur für die Schaufenster. Andere Parteien mögen noch keine hohen Staatsämter mit Migranten besetzt haben. Inhaltlich weiter als die CDU sind sie allemal. Der Dank gilt Aygül Özkan. Dafür, dass sie geholfen hat, dies so wunderbar offenzulegen.

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