Streamingdienste:Große Fische

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Können sich Regierungen auf der Streamingplattform mehr französische Serien und spanische Filme bestellen? (Foto: Olivier Douliery/AFP)

Wie Länder Einfluss auf das Angebot von Netflix nehmen wollen.

Von Nadja Tausche

Streaming ist das neue Fernsehen: Immer mehr Menschen schauen lieber Filme und Serien über Videoplattformen an, als klassische TV-Kanäle einzuschalten. Und mit den Nutzungszahlen steigt in vielen Ländern der Wunsch, Einfluss zu nehmen auf das, was Netflix, Amazon Prime und ihre Konkurrenten zeigen. Das frischeste Beispiel: Mit typisch katalanischem Selbstbewusstsein hat die Regionalpartei Esquerra Republicana (ERC) mehr Inhalte in den Regionalsprachen Katalanisch, Baskisch und Galicisch gefordert - und sich durchgesetzt. Zwar kann die spanische Regierung globale Konzerne nicht direkt verpflichten, einen Mindestanteil an Filmen und Serien in diesen Sprachen bereitzustellen, sehr wohl aber, einen Teil ihrer Einnahmen in Spanien in diese Produktionen zu investieren.

Auch Frankreich hat eine solche Quote kürzlich im Gesetz verankert, um die eigene Kultur zu schützen und die heimische Filmwirtschaft zu unterstützen. Die Streamingdienste müssen nun ein Fünftel des Umsatzes, den sie im Land generieren, in französische Inhalte investieren. "Es ist verständlich, dass ein Land ein Angebot fordert, das seine kulturelle Vielfalt abbildet", findet der Medienexperte und -anwalt Oliver Castendyk, der der Geschäftsführung der Allianz Deutscher Film- und Fernsehproduzenten angehört. Medien seien immerhin ein Spiegel der Gesellschaft, argumentiert er. Auch gehe es bei solchen Forderungen um das Bedürfnis, die Bedingungen der Zusammenarbeit mit einer gigantischen Marktmacht zu ändern. Nur: Solche Quoten entsprechen so gar nicht der Logik, nach der Streamingdienste funktionieren.

"Unser Ziel muss es sein, in Inhalte zu investieren, von denen wir glauben, dass sie unsere Mitglieder ansprechen", sagt Wolf Osthaus, bei Netflix verantwortlich für Regulierungsfragen. Das Begeisterungspotenzial sei wichtiger als die Herkunft der Produktionen. Und der einzelne Inhalt müsse nicht möglichst vielen Menschen gefallen wie im Fernsehen, stattdessen solle jeder und jede aus einem möglichst breit gefächerten Angebot das Passende auswählen können. In Deutschland etwa investiere man auch ohne Quote, weil es einfach ein vielversprechender Markt sei.

Doch auch deutsche Produzentenverbände fordern, dass die Streaminganbieter einen vorgeschriebenen Mindestanteil in deutsche Filmproduktionen investieren. Die Grundlage dafür hat das EU-Parlament 2018 geschaffen: Eine Richtlinie sieht vor, dass 30 Prozent der Inhalte auf Plattformen europäisch sein müssen. Die Umsetzung in nationale Gesetzgebung ist Ländersache.

Aber soll sich die Politik wirklich in die Film- und Serienauswahl auf Videoplattformen einmischen? Er habe da einen Vergleich, sagt Castendyk. Ein Angler holt in vierter Generation Fische aus dem Fluss. Zu Lebzeiten des Urgroßvaters hat es 250 verschiedene Fischarten gegeben, beim Vater nur noch 90. Beim Sohn schwimmen 20 Fischarten im Fluss - die Vielfalt von früher kennt er nur noch aus Erzählungen. Ohne Quoten, sagt Castendyk, ergehe es Produktionen im schlimmsten Fall wie manchen Fischarten: Sie sterben aus. Bleibt die Frage: Muss man alle Fische bewahren - oder nur die, die auch genug Menschen essen wollen?

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