Chris Redfern freut sich auf die Schlacht. Wenn es dem Parteichef der Demokraten in Ohio gelingt, nur ein Drittel seiner eigenen Begeisterung auf die Anhänger zu übertragen, dann dürfte es Mitt Romney am 6. November schwer haben, hier zu gewinnen. Der 47-Jährige ist überzeugt, dass der Ex-Gouverneur aus Massachusetts US-Präsident Barack Obama herausfordern wird: "Selbst wenn er hier am Dienstag gegen Rick Santorum verliert, wird Romney letztlich nominiert werden."
Redfern hält es nur wenige Minuten auf seinem Stuhl: Er springt auf und läuft wild gestikulierend im Saal der Parteizentrale der Ohio-Demokraten herum. Vor zwei Jahren sorgte der energiegeladene Mann mit den braunen Haaren für einen kleinen Skandal, als er in einer Rede vor Stahlarbeitern die Tea-Party-Anhänger als "F**kers" bezeichnet hatte - und das Video seines Auftritts im Internet landete. An diesem Vormittag ist er entspannter, doch je länger Redfern mit den Journalisten spricht, umso mehr kommt er in Fahrt: "Die Republikaner diskutieren über die Rolle von Frauen in der Gesellschaft, wie es Ende des 19. Jahrhunderts üblich war", schimpft er und grinst zugleich.
Der Partei-Stratege weiß genau, dass sich mit der Diskussion um Abtreibung, den Attacken auf die Organisation Planned Parenthood und mit dem Streit darüber, ob kirchliche Institutionen ihren Angestellten im Rahmen der Gesundheitsreform eine Versicherungspolice mit kostenlosem Anspruch auf Verhütungsmittel anbieten müssen, viele Frauen und unabhängige Wähler mobilisieren lassen - also jene Gruppen, die über Sieg und Niederlage entscheiden.
Dass der Radio-Talker Rush Limbaugh die Jura-Studentin Sandra Fluke, die vor einem Ausschuss des Repräsentantenhauses aussagen sollte, als "Schlampe" bezeichnet hat, hat die Hardliner auf beiden Seiten erregt - und es war gewiss kein Zufall, dass Barack Obama Fluke vor einem TV-Interview öffentlichkeitswirksam anrief (mehr dazu bei der New York Times). Gerade die Aussagen des ultrakonservativen Rick Santorum, der etwa "Radikalfeministinnen" dafür verantwortlich macht, dass Frauen außerhalb des Haushalts arbeiten wollen, werden in vielen Clips auftauchen, selbst wenn dieser nicht Obama herausfordern wird.
Für Redfern ist diese Debatte ebenso ein Geschenk wie die Aussagen von Romney, Santorum und Co. über die Staatsbeihilfen zur Rettung der Autoindustrie - diese hatten Romney vor allem in Michigan Probleme bereitet. In Ohio hängt jeder achte Job von der Autoindustrie ab und einen Satz wird Redfern in den kommenden Monaten unzählige Male sagen: "In Toledo werden Jeeps produziert, legendäre amerikanische Autos. In der Fabrik dort weiß jeder, vom Manager bis zum Fließband-Arbeiter, dass er seinen Job nur einem Mann verdankt - und der heißt Barack Obama."
In den letzten Wochen hat sich das Narrativ herausgeschält, also jene Story, mit dem die Demokraten die Amerikaner davon überzeugen wollen, erneut für Obama zu stimmen. Die örtlichen Parteifunktionäre wie Redfern werden sie an die jeweilige Situation anpassen, doch der Tenor ist klar: "Obama ist nicht verantwortlich für die Wirtschaftslage, die er übernommen hat. Das waren Bush und Cheney. Er ist verantwortlich für die Maßnahmen, die Krise zu bekämpfen und auch wenn es länger gedauert hat als gehofft, sehen wir an den Aktienindizes und den sinkenden Arbeitslosenzahlen, dass die Rezepte wirken."
Dass die Stundenlöhne in jenen Jobs, die durch den industriellen Aufschwung in Ohio entstanden sind, mitunter bei sechs Euro liegen, ficht diese Argumentation nicht an. Das Signal " China lohnt nicht mehr" ist wichtiger. Das Narrativ der Demokraten kontert Mitt Romneys Kernargument, dass Obama das Land heruntergewirtschaftet habe und die Lage immer schlechter werde. Und könnte aufgehen, wenn die Erholung der US-Wirtschaft nicht durch die Schuldenkrise der Eurozone oder eine Verschärfung des Konflikts mit Iran gefährdet wird. Letzteres würde zu Preissteigerungen für Öl und Benzin führen - und die Ausgangslage für Chris Redferns Schlacht deutlich verschlechtern.