Vorwahlen der US-Republikaner:Menschliche Breze gegen katholischen Missionar

Mit heftigen persönlichen Attacken kämpfen Rick Santorum und Mitt Romney um die Gunst der republikanischen Wähler. Eine Niederlage in Michigan wäre für den Favoriten Romney eine Katastrophe. Doch Santorums erzkonservative Sprüche gegen Abtreibung, Klimawandel und die "Bedrohung der Religion" erfreuen die Basis - und wohl auch den amtierenden Präsidenten.

Matthias Kolb, Washington

Rick Santorum war aufgebracht. "Ungeeignet, ungeeignet, ungeeignet", donnerte er den mehr als 1000 Tea-Party-Anhängern entgegen, die sich am Wochenende in Troy in Michigan versammelt hatten. Doch es ist nicht US-Präsident Barack Obama, den der Ex-Senator aus Pennsylvania angreift, sondern Mitt Romney. "Warum sollten wir jemand nominieren, der ungeeignet ist, die entscheidenden Themen glaubwürdig zu vertreten?", ruft Santorum.

Rick Santorum

Rick Santorum: Ein katholischer Missionar, der US-Präsident werden will?

(Foto: AP)

Dann wiederholt er sein liebstes Argument: Die in Massachusetts eingeführte Gesundheitsversorgung "Romneycare" sei die Blaupause für "Obamacare", die das Land in den Ruin treiben werde. Am 6. November müsse der Demokrat abgewählt werden, damit dieser schändliche Eingriff der Regierung in das Leben aller Amerikaner rückgängig gemacht werden könne. Und leider könne Romney diese Forderung nicht glaubwürdig vertreten.

Kurz vor den Vorwahlen in Arizona und Michigan am Dienstag wird der Ton zwischen Santorum und Romney rauer - nicht nur in den Werbespots der Super-Pacs. Santorum schimpfte nach der TV-Debatte, Romney habe sich mit Ron Paul gegen ihn verbündet. Romneys Berater nannten diesen Vorwurf eine "weinerliche Dummheit". Bei seiner Rede in Troy folgte Romney dann wieder seiner erfolgreichen Taktik aus dem Fernsehduell: Er beschreibt seinen Kokurrenten als gewieften "Washington-Insider", der in seiner Zeit als Senator ein skrupelloser Strippenzieher gewesen sei (mehr über Santorums Zeit in Washington in diesem Süddeutsche.de-Text).

Für beide geht es um viel. Eine Niederlage in Michigan wäre für Romney eine Katastrophe: Er wuchs in dem Autostaat auf und sein Vater war hier Gouverneur. Und Santorums aggressive Auftritte lassen sich dadurch erklären, dass sein Vorsprung sowohl in Michigan als auch in den landesweiten Umfragen schrumpft und der Aufstieg nach seinem überraschenden Dreifach-Erfolg abrupt enden könnte.

"Bei mir kann jeder sehen, was er bekommt"

Also profiliert er sich als beinharter Konservativer. In Troy polterte der 53-Jährige, dem "Moderaten aus Massachusetts" fehle es an Charakter: "Für ihn gilt: Was ihr heute von mir hört, kann morgen wieder ganz anders sein." Romney sei 1994 als Liberaler gegen den langjährigen Senator Ted Kennedy angetreten, 2002 als Moderater zum Gouverneur gewählt worden und gebe sich nun als Konservativer. Er hingegen, so tönt Santorum, sei authentisch und ehrlich: "Bei mir kann jeder sehen, was er bekommt."

Diese Aussage klingt nicht nur in den Ohren von Europäern oder liberalen Amerikanern wie eine Drohung, sondern stimmt auch republikanische Strategen und Kommentatoren nachdenklich. Es begeistert zwar viele Evangelikale und Tea-Party-Fans, wie der Katholik Santorum gegen Abtreibung und Homo-Ehe wettert, den Klimawandel leugnet, Umweltschutz verspottet und den Glauben von US-Präsident Obama in Frage stellt. Dass dessen Gesundheitsreform es kirchennahen Krankenhäusern oder Kindergärten vorschreibt, ihren Angestellten eine Versicherungspolice inklusive kostenlosem Anspruch auf Verhütungsmittel anzubieten, ist für den siebenfachen Vater Santorum ein klarer Verstoß gegen die Religionsfreiheit.

Doch was eingefleischte Republikaner zu Jubelstürmen hinreißt und bei den Vorwahlen in Swing States wie Michigan und Ohio zu achtbaren Ergebnissen führen wird, stößt die unabhängigen Wähler eher ab - und die machen etwa ein Drittel des Elektorats aus. Schon werden Erinnerungen an Barry Goldwater wach, der 1964 nur sechs von 50 Bundesstaaten gewinnen konnte, nachdem er laut über den Einsatz von Atombomben über Vietnam nachdachte und die Bürgerrechtsbewegung verspottet hatte.

Für die meisten Amerikaner ist die Homo-Ehe kein Aufreger mehr und Santorums Ansichten zu Abtreibung und Verhütung wirken anachronistisch in einem Land, in dem mehr als die Hälfte aller unter 30-jährigen Mütter nicht verheiratet sind und 82 Prozent erklären, die Benutzung von Verhütungsmitteln nicht abzulehnen.

US-Vorwahlen der Republikaner

Es sind Journalistinnen wie Maureen Dowd von der New York Times, die über den "Kleinstadt-Mullah" und dessen radikale Ansichten den Kopf schütteln: "Es gibt auch republikanische Frauen, die gern arbeiten, ihre Kinder von professionellen Lehrern unterrichten lassen und sexy Unterwäsche von Victoria's Secret tragen." Auch Alex Castellanos, ein einflussreicher Stratege der Grand Old Party, sieht Santorum in der falschen Spur: "Es ist nicht gut, wenn die Republikaner gegen Sex wettern. Sex ist schlicht beliebt."

Seit Wochen wächst die Liste von Santorums Aussagen, die gerade Frauen empören: Er schimpft über "Radikalfeministinnen", die Mütter überreden wollen, eine Karriere anzustreben, anstatt sich vollauf um ihre Kinder zu kümmern und geißelt Paare, die ohne Trauschein zusammenleben. Auch den Plan, dass sich US-Soldatinnen an Kampfeinsätzen beteiligen, lehnt er ab. In einem TV-Interview sagte Santorum, in den USA seien Religion und konservative Werte bedroht - gerade an den Colleges würden konservative Studenten angefeindet.

Acht Monate vor der Wahl legt sich Kathleen Parker in der Washington Post fest: "Wenn sich Rick Santorum gegen Mitt Romney und Newt Gingrich durchsetzt, gewinnt Barack Obama." Das liberale Magazin New York beendet seine lesenswerte Analyse des Vorwahlkampfes sogar mit der Empfehlung, Unterstützer Obamas sollten nun den Slogan rufen: "Go, Rick, go." Gerade für Republikaner sei es wichtig, Frauen zu überzeugen, da Amerikanerinnen häufiger zur Wahl gehen und traditionell mit den Demokraten sympathisieren.

Dass Santorum in den Umfragen etwas abgerutscht ist, liegt jedoch vor allem an den ständigen Attacken durch Mitt Romney und dessen Super-Pac. Sie haben sein Abstimmungsverhalten als Senator unter die Lupe genommen und spotten nun über manch inkonsistente Entscheidung. Auch die Aufmerksamkeit der Medien hat stark zugenommen. Oft wird die Aussage eines früheren Mitarbeiters zitiert, der 2005 zu einem Journalisten des New York Times Magazine sagte: "Santorum ist ein katholischer Missionar, der zufällig einen Sitz im Senat hat."

Menschliche Breze

In den Hauptquartieren von Mitt Romney und Rick Santorum wird damit gerechnet, dass das Duell womöglich bis in den Mai hinein mit ähnlicher Intensität ausgefochten wird. "Es wird ein langer Kampf", meint Rick Santorum nach seiner Rede vor Tea-Party-Anhängern in Michigan. Seine Attacken auf Romney erklärte er damit, nur mit gleicher Münze zu kontern: "I fight fire with fire."

Für Mitt Romney birgt die momentane Lage mehrere Risiken: Auch wenn er an diesem Dienstag in Arizona und Michigan siegen und beim Super Tuesday am 6. März gut abschneiden sollte, zwingen ihn Santorum sowie Newt Gingrich weiterhin dazu, sich weiter nach rechts zu bewegen und auf konservative Aussagen festzulegen. Wie es ihm im Herbst dann gelingen soll, die unabhängigen, moderateren Wähler zu überzeugen, ist nicht nur dem Analysten Charlie Cook ein Rätsel: "Mitt Romney hat sich so oft gedreht und gewendet, dass er eine menschliche Breze geworden ist. Ich bin mir nicht mehr sicher, ob er wirklich so wählbar ist. Doch die anderen drei Bewerber sind es noch weniger."

Linktipp: Am Wochenende erklärte Rick Santorum in einem Interview mit ABC, wieso sich ein US-Präsident nicht entschuldigen soll, wieso an US-Colleges ein "schädlicher liberaler Mainstream" herrscht und weshalb Glaube im öffentlichen Diskurs eine wichtige Rolle spielen sollte.

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