Stockender Kita-Ausbau:Schröders Mut zur Lücke

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Die Familienministerin verspricht, der Rechtsanspruch auf eine Kita-Betreuung werde nicht angetastet. Sie sagt das, als wäre es eine Neuigkeit. Ist es aber nicht. Genauso wenig wie weite Teile ihres Zehn-Punkte-Plans, mit dem sie die riesige Lücke von 130.000 fehlenden Betreuungsplätzen schließen will. Dieser entpuppt sich als besserer PR-Gag.

Thorsten Denkler, Berlin

Die Frage ist an sich nicht so schwer zu beantworten: Frau Schröder, wie viele Betreuungsplätze für unter dreijährige Kinder ließen sich mit dem Budget für das geplante Betreuungsgeld schaffen? Die Bundesfamilienministerin schaut so, als wäre diese Frage ein persönlicher Angriff auf ihre Integrität. Es ist klar, sie wird diese Frage nicht hier beantworten.

Kristina Schröder bei der Vorstellung ihres 10-Punkte-Plans: Mut zur Lücke. (Foto: dpa)

Kristina Schröder ist in die Bundespressekonferenz gekommen, um eine frohe Botschaft zu verbreiten. "Der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder unter drei Jahren kommt zum 1. August 2013", lautet ihr erster Satz. Sie sagt das derart stolz und bedeutungsschwanger, als hätte sie höchstselbst diesen Rechtsanspruch gerade erfunden. Dabei gibt es ihn seit 2007.

Schröders Garantierklärung soll wohl jene Eltern beruhigen, die jetzt schon wissen, dass sie von August 2013 an einen Betreuungsplatz für ihren Nachwuchs benötigen. Sie kennen im Zweifel die alarmierenden Zahlen. Nach jüngsten Erhebungen fehlen noch bis zu 130.000 Plätze, damit zum Stichtag 1. August 2013 der Bedarf gedeckt ist. Das sind sogar 30.000 Plätze mehr, als 2007 als Bedarf angenommen wurden. Statt 35 Prozent aller Kinder unter drei Jahren werden künftig wohl 39 Prozent aus dieser Altersgruppe einen Platz benötigen.

Das wiederum stellt die Finanzierung der Kinderbetreuung in Frage. Zwölf Milliarden Euro sollte das Projekt kosten. Jetzt müssen 30.000 Plätze zusätzlich geschaffen werden. Schröder will, dass Bund, Länder und Gemeinden sich über diese Kostenlücke Gedanken machen. Konkret werden will sie aber nicht. Obwohl klar ist, dass die vier Milliarden Euro nicht reichen werden, die der Bund zu den Gesamtkosten von zwölf Milliarden Euro zuschießt. Schröder: Erst müsse das alte Geld verbraucht sein, bevor über neues Geld verhandelt werden könne.

Die Kommunen werden die Prozesse verlieren

Es kann dauern, bis es da eine Lösung gibt. Den Kommunen jedoch läuft die Zeit davon. Gerd Landsberg vom Deutschen Städtetag hat eine düstere Prophezeiung im Gepäck. Es werde Lücken geben im Betreuungsnetz. Eltern werden den Anspruch vor Gericht einklagen. "Die Klagen werden sich gegen die Kommunen richten und die Kommunen werden die Prozesse verlieren."

Es wird dabei wohl vor allem um Schadenersatz gehen. Die Eltern werden sich dann privat eine Betreuung für ihre Kleinen besorgen und die Kosten der Stadt in Rechnung stellen.

Schröder widerspricht nicht. Sie scheint Mut zur Lücke zu haben. Klappt es am Ende nicht, den Rechtsanspruch zu sichern, wird das wohl auf sie zurückfallen. Und das dann wenige Wochen vor der Bundestagswahl.

Gegensteuern will Schröder mit einem so genannten 10-Punkte-Plan. Bei näherem Hinsehen aber verliert sich der Plan in Formulierungen wie "weiterentwickeln", "stärken" oder "verbessern". Hinter den schwammigen Formulierungen verbergen sich vor allem längst laufende Programme. Erkennbar gibt es nur zwei konkrete Neuerungen: Der Bund will Tagespflegeeltern einen Lohnkostenzuschuss geben, wenn die von Kommunen oder Arbeitgebern fest angestellt werden. Der zweite Punkt: Der Bund stellt über die Kreditanstalt für Wiederaufbau zinsgünstige Kredite im Gesamtvolumen von 350 Millionen Euro für den Bau von Krippenplätzen zu Verfügung.

Klingt beides gut, ist aber auch ziemlich billig. Der Lohnkostenzuschuss wird mit zehn Millionen Euro abgesichert, wovon ein guter Teil aus dem Europäischen Sozialfonds stammt. Und was kosten die zinsgünstigen Kredite den Bund? Schröder ist mal wieder um Zahlen verlegen, druckst herum, dass es wohl so um die 20 Millionen Euro seien. Ihr Sprecher kramt den richtigen Zettel hervor und legt in ihr aufs Pult. Schröder berichtigt sich: "Es sind 35 Millionen Euro."

Kann ja mal passieren. Zumal das Geld in der Summe immer noch ein Klacks ist gegenüber den Kosten, um den zusätzlichen Bedarf von 30.000 Plätzen zu befriedigen. Zwischen 270 und 480 Millionen Euro müssten dafür zusätzlich aufgebracht werden, je nachdem, ob vornehmlich teure Kita- oder billige Tagespflegeplätze geschaffen werden.

Eine Frage war ja noch offen: Wie viele Betreuungsplätze ließen sich mit dem Betreuungsgeld schaffen, Frau Schröder? Schröder, wie gesagt, will die Frage nicht beantworten. Erst sagt sie, die beiden Posten stünden in keinem Zusammenhang. Dann sagt sie erstaunlicherweise, beides gehöre "von der Logik her" zusammen.

Ein vernünftiger Vorschlag wird nicht gehört

Die Vertreter der Städte und Gemeinden helfen bei so viel Verwirrung gerne nach. Landsberg vom Städtetag zum Beispiel. "Ein Kitaplatz kostet etwa 16.000 Euro pro Jahr, eine Tagespflegeplatz etwa 9.000 Euro", sagt er. Niedersachsens Kultusminister Bernd Althusmann (CDU) ergänzt die nächste wichtige Zahl. Das Betreuungsgeld werde je nach Schätzung etwa 1,5 bis drei Milliarden Euro kosten. Mal angenommen, das pendelt sich bei zwei Milliarden Euro ein, dann könnten damit 125.000 Kitaplätze und rund 220.000 Tagespflegeplätze finanziert werden. Das dazu.

Die Vertreter der Kommunen machen auch keinen Hehl daraus, was sie vom Betreuungsgeld halten: gar nichts. Landsberg findet, dass sich das Land bei einem Schuldenstand von mehr als zwei Billionen Euro keine neuen Sozialleistungen leisten könne. Und wenn schon, dann solle doch bitte das Betreuungsgeld solange zurückgestellt werden, bis "das heute Besprochene umgesetzt ist" - bis also die Zielmarken der Kinderbetreuung erfüllt sind. Ein vernünftiger Vorschlag eigentlich. Wie es aussieht, wird er nicht gehört werden.

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