Steinmeier attackiert Kanzlerin:Merkel "völlig substanzlos"

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Das TV-Duell wirkte allzu brav, jetzt legen die Kontrahenten nach: SPD-Kandidat Steinmeier kritisiert die "Ich-auch-Kanzlerin", die CDU kündigt einen Lagerwahlkampf an.

Einen Tag nach dem TV-Duell mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat ihr SPD-Herausforderer Frank-Walter Steinmeier die Regierungschefin scharf angegriffen. "Wir haben es mit der Ich-auch-Kanzlerin zu tun", sagte Steinmeier der SPD-Zeitung vorwärts.

Wenn jemand eine erfolgsversprechende Idee habe, sage Merkel regelmäßig, sie sei auch dieser Meinung. "Das mag geschickt erscheinen, ist aber völlig substanzlos", fügte er hinzu. Komme es zu Schwarz-Gelb und fordere die FDP Sozialabbau und Steuersenkungen für Reiche, werde die Merkel wieder laut "Ja" rufen.

"Entlarvend" nannte Steinmeier Merkels Empfehlung an die Frauen, selbst zu ihrem Arbeitgeber zu gehen, wenn sie die gleiche Bezahlung wie Männer haben wollen. "Statt Frauenrechte zu fördern, sagt sie den Frauen in diesem Land: Geht doch zum Chef betteln", kritisierte der SPD-Politiker.

Die SPD sieht ihren Spitzenkandidaten Steinmeier als klaren Sieger des Fernsehduells gegen Merkel und erhofft sich davon einen kräftigen Schub für die Endphase des Wahlkampfs. Steinmeier habe vor allem bei den unentschlossenen Wählern deutlich gepunktet, betonte SPD-Generalsekretär Hubertus Heil. "Insofern war das Rückenwind für die Wahl am 27. September." Die SPD erwarte trotz der schlechten Umfragwerte einen Sieg und einen Kanzler Steinmeier.

Heil sagte, der Vizekanzler habe klar und souverän argumentiert, und er sei präziser als Merkel gewesen. "Er hat die klareren Punkte gemacht." Merkel dagegen habe versucht, sich wegzudrücken. Das Fernsehduell am Sonntagabend sei keine Schlammschlacht und kein "Schlamm-Catchen" gewesen, sondern eine "harte Auseinandersetzung in der Sache". Der 27. September werde zu einer Richtungsentscheidung.

Steinmeier habe deutlich gemacht, dass jeder Arbeitnehmer von seiner Arbeit leben können müsse. Merkel sei dagegen gegen Mindestlohn und wolle unter einer unionsgeführten Regierung mit der FDP auch den Kündigungsschutz schleifen. Steinmeier habe deutlich gemacht, dass die SPD für den Ausstieg aus der Atomkraft stehe, während Merkel wieder zurückwolle. Darüber hinaus werde eine schwarz-gelbe Regierung die Krankenversicherung Stück für Stück privatisieren, warnte Heil.

Die CDU setzt nun einzig auf den Sieg von Schwarz-Gelb bei der Bundestagswahl und will als Konsequenz aus dem TV-Duell die Warnung vor einem möglichen rot-rot-grünen Bündnis stärker als bisher in den Mittelpunkt des Wahlkampfendspurts stellen. Die Fortführung der Koalition mit der SPD sei "keine Alternative", sagte CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla nach den Beratungen im CDU-Präsidium in Berlin.

"Wer glaubt, dass eine große Koalition weitere vier Jahre hält, der irrt sich", fügte er hinzu. "Die SPD würde die erste Gelegenheit nutzen, aus der Koalition auszusteigen und ein instabiles Bündnis mit der Linkspartei eingehen." Er warf SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier vor, seine Bekundung, nicht mit den Linken koalieren zu wollen, sei "schlicht unglaubwürdig".

"Zuspitzung notwendig"

Auch die CSU will in den zwei Wochen bis zur Bundestagswahl die Gemeinsamkeiten mit dem Wunschpartner FDP in den Vordergrund rücken. Bei den Themen Wirtschaft und Arbeitsplätze müsse stärker herausgearbeitet werden, warum eine Koalition aus Union und FDP gut für das Land wäre, sagte Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer. Vor allem Steuerfragen sollten intensiver erklärt werden. "Ich glaube, es ist eine inhaltliche Klärung und Zuspitzung notwendig." Seehofer warnte die Union auch vor zu großer Siegeszuversicht.

Was die Union tun wird, wenn es für ein Bündnis zwischen CDU/CSU und FDP nach der Wahl am 27. September nicht reicht, wollte Pofalla indes nicht sagen. Während des Fernsehduells am Sonntagabend hatten sowohl Merkel als auch Steinmeier die Erfolge der großen Koalition verteidigt und auch eine Fortführung des Bündnisses nicht ausdrücklich ausgeschlossen.

Kritik hatte es deshalb von der FDP gegeben. Generalsekretär Dirk Niebel beklagte, dass sich Kanzlerin Merkel beim TV-Duell nicht eindeutig zu einem Bündnis mit der FDP bekannt habe. Bei der Union könne man sich als Wähler nicht sicher sein, wofür die Stimme gebraucht werde. "Das ganze sogenannte Duell war auf 'weiter so' ausgerichtet."

© AFP/dpa/AP/Reuters/af - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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