Nach dem Rücktritt von Parteichefin Andrea Nahles soll die SPD vorerst von einem Trio geführt werden. Die engere Parteiführung schlug dem Vorstand für die kommissarische Leitung die Ministerpräsidentinnen von Mecklenburg-Vorpommern und Rheinland-Pfalz, Manuela Schwesig und Malu Dreyer, sowie den hessischen SPD-Chef Thorsten Schäfer-Gümbel vor. Das neue Führungstrio im Überblick:
Malu Dreyer, die Wahlkämpferin
Aus dem Trio an der kommissarischen Parteispitze ist die 58 Jahre alte Malu Dreyer diejenige mit der größten Erfahrung in hohen politischen Ämtern: Seit 2002 war sie in Rheinland-Pfalz in Ministerämtern, seit 2013 ist sie Ministerpräsidentin und die erste Frau auf diesem Posten. Erst regierte sie mit einer rot-grünen Koalition, später dann mit Grünen und der FDP.
Die Juristin folgte vor sechseinhalb Jahren auf den seit 1994 amtierenden Langzeitministerpräsidenten Kurt Beck, der aus gesundheitlichen Gründen zurücktrat. Bei ihrer ersten und bislang einzigen Landtagswahl als amtierende Ministerpräsidentin zeigte sie 2016 ihre Fähigkeiten als Wahlkämpferin. Noch kurz vor dem Urnengang lagen sie und ihre Partei in den Umfragen weit hinter der CDU und deren damaliger Spitzenkandidatin Julia Klöckner.
Mit ihrer ausgleichenden und authentisch freundlichen Art konnte Dreyer das Blatt aber noch wenden und machte die SPD in einem sehr auf die Personen Dreyer und Klöckner zugeschnittenen Wahlkampf noch deutlich zur stärksten Kraft. Am Ende holte die SPD 36,2 Prozent der Stimmen.
Von diesem Ergebnis konnte die seit Jahren schwache SPD deutschlandweit schon damals nur noch träumen. Dauerhafte bundespolitische Ambitionen wurden Malu Dreyer jedoch nie wirklich nachgesagt. Sie leidet an multipler Sklerose und ist deshalb in ihrer Mobilität gelegentlich einschränkt. Wenn sie allerdings in Berlin gebraucht wurde, wie etwa Anfang April, um an Nahles' Seite politische Vorhaben der SPD vorzustellen, dann war sie zur Stelle. Wie auch die beiden anderen Kandidaten schließt Dreyer aus, auf dem Bundesparteitag für den SPD-Vorsitz zu kandidieren.
Manuela Schwesig, die Ehrgeizige
Sie gilt als ein Glücksfall für die SPD, seit 2017 steht sie in Regierungsverantwortung in Mecklenburg-Vorpommern: Manuela Schwesig.
Kaum hatte Andrea Nahles am vergangenen Sonntag ihren Rücktritt als Partei- und Fraktionschefin der SPD angekündigt, kam der 45-jährigen Schwesig für deren Nachfolge eine Favoritenrolle zu. Überraschend ist das nicht - als ehemalige Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und einer der SPD-Vizechefinnen ist Schwesig kaum mehr ein neues Gesicht, auch wenn ihr Aufstieg innerhalb der Partei ein rasanter war.
Mit 29 - damals noch Finanzbeamtin - trat Schwesig in die SPD ein und war bald Stadtvertreterin in Schwerin. Als wichtiger Förderer gilt der frühere SPD-Ministerpräsident Erwin Sellering aus Mecklenburg-Vorpommern. Er war es, der sie überraschend als Sozialministerin in sein Kabinett aufnahm und zur jüngsten Ministerin Deutschlands machte. So richtig bekannt wurde Schwesig, die verheiratet ist und zwei Kinder hat, kurze Zeit später: Frank-Walter Steinmeier, seinerzeit Kanzlerkandidat für die SPD, nahm die damals 35-Jährige in sein Wahlkampfteam auf.
Schwesig gilt als ehrgeizig: Nach ihrem Sprung nach Berlin 2013 und ihrer Arbeit als Familienministerin ergab sich für sie 2017 die Möglichkeit, ihre weiter Karriere fortzusetzen: Ihr früherer Förderer Sellering trat aus gesundheitlichen Gründen als Regierungschef in Mecklenburg-Vorpommern ab und machte für Schwesig den Weg frei, selbst Ministerpräsidentin zu werden.
Angesichts der Erfolge der AfD in den neuen Bundesländern gilt Schwesigs Arbeit als SPD-Politikerin als besonders wichtig. Doch auch wenn sie beliebt ist - ganz reibungslos verläuft ihre Regierungsarbeit nicht immer. Jüngst etwa geriet sie wegen eines Streits mit Finanzminister Mathias Brodkorb in die Schlagzeilen. Ihr Parteigenosse wollte unter ihr nicht mehr Finanzminister bleiben.
Thorsten Schäfer-Gümbel, der Niederlagen-Erprobte
Vielleicht prädestiniert das politische Schicksal Thorsten Schäfer-Gümbel (49), den hessischen SPD-Chef, ganz besonders dazu, den Vorsitz der Bundes-SPD kommissarisch zu übernehmen. Mit dem, was die Sozialdemokraten in Deutschland in jüngster Zeit Jahren erlebt haben, hat er eine Menge Erfahrung: Wahlniederlagen etwa hat er in Hessen einige erlebt.
Nach der gescheiterten Regierungsbildung im Anschluss an die hessische Landtagswahl 2008 übernahm Schäfer-Gümbel 2009 den Vorsitz der Landespartei, den Fraktionsvorsitz und wurde Mitglied im Parteivorstand der Bundes-SPD.
Als Spitzenkandidat der Hessen-SPD scheiterte er dann im selben Jahr - und zwar deutlich. Die Verantwortung wurde zwar vor allem seiner Vorgängerin Andrea Ypsilanti zugeschrieben. Aber auch 2013 reichte es für die SPD nicht zur Regierungsbildung - die übernahmen CDU und Grüne. 2018, nach seinem dritten Wahlkampf als Spitzenkandidat, fuhr Schäfer-Gümbel das bisher schlechteste Ergebnis der SPD in Hessen ein. Die Partei lag mit weniger als 20 Prozent der Stimmen nun sogar knapp hinter den Grünen auf Platz drei.
Der Politikwissenschaftler und Experte für Wirtschaft hätte die Ergebnisse vielleicht auf die Performance der Bundespartei schieben können - stattdessen kündigte er einige Monate später an, sich aus der Politik zurückzuziehen. Im Oktober will der verheiratete Vater von drei Kindern mit seiner Arbeit als Vorstandsmitglied in der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit beginnen. Wie lange er den Job als Co-SPD-Chef ausüben soll, ist noch unklar. Ein neuer Vorstand sollte eigentlich erst auf einem Parteitag im Dezember gewählt werden.