SPD-Kanzlerkandidaten:Quadriga? Nein danke

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Ganz fest hat Sigmar Gabriel sie gedrückt nach der Wahl - und das lag nicht am Muttertag. Hannelore Kraft kann nach ihrem Erfolg in Nordrhein-Westfalen bestimmen, wer Kanzlerkandidat der SPD wird. Sie ist aber klug genug, um aus dem Trio kein Quartett zu machen.

Susanne Höll, Berlin

Die ganze Mannschaft des Willy-Brandt-Hauses in Berlin ist am Montag angetreten, um einer Frau zu huldigen. Ganz großer Bahnhof, Klatschen, ein bisschen Gejohle, rote Blumen mit Grün drumherum - alles für Hannelore Kraft, die Siegerin aus Düsseldorf. Auch der Vorsitzende Sigmar Gabriel huldigt ihr: gute Themen, Verstand, Leidenschaft und Herz, genau so gewinne man Wahlen. Dann nimmt er Kraft noch in den Arm und drückt sie ganz fest an sich. Die so Geehrte lächelt. So zuvorkommend hat Gabriel sie in den vergangenen zwei Jahren eher selten behandelt. Aber seit dem Muttertag 2012 hat sich einiges geändert im roten Machtgefüge.

Drei Troika-Recken für Hannelore: Wer wird Kanzlerkandidat? Der ehemalige Bundesfinanzminister Peer Steinbrück, Bundestagsfraktionschef Frank-Walter Steinmeier oder SPD-Parteivorsitzender Sigmar Gabriel - sie hat die Wahl. (Foto: dpa)

Hannelore Kraft hat an Einfluss gewonnen und könnte, wenn sie wollte, die Troika der Kanzlerkandidaten in spe erweitern, zur Quadriga sozusagen. Schließlich hat sie, anders als die drei Aspiranten, schon einmal eine wichtige Wahl gewonnen. Aber Kraft will das gar nicht, schließlich ist sie eine kluge Person. Und sie weiß auch, dass sie letztlich die Kanzlermacherin sein kann. Gegen ihr Wort wird niemand aus der SPD zum Herausforderer von Kanzlerin Angela Merkel gekürt.

Dessen ist sich auch das Dreigestirn aus Gabriel, Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier und Ex-Finanzminister Peer Steinbrück bewusst. "Wenn Kraft spricht, spricht die NRW-SPD", sagt einer aus dem Führungskreis. Und den größten SPD-Landesverband sollte kein Genosse gegen sich aufbringen, wenn er denn erfolgreich sein will.

Nach außen haben weder Kraft noch deren Vertraute erkennen lassen, auf welchem der drei Herren ihre Sympathien ruhen. Allerdings glaubt man in SPD-Führungskreisen ziemlich sicher zu wissen, wen sie - jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt - eher nicht empfehlen würde, Sigmar Gabriel nämlich. Und das liege, so wird sehr glaubhaft versichert, nicht daran, dass Gabriel seine Stellvertreterin im Parteivorsitz bis vor nicht allzu langer Zeit ziemlich pampig behandelt habe.

Fast jeder im Führungskreis hat Gabriels Unbeherrschtheit und miese Laune schon einmal zu spüren bekommen. In Sachen Ruppigkeit ist der Vorsitzende egalitär: Frauen werden nicht besser behandelt als Männer. Hannelore Kraft - und andere mit ihr - hielten Gabriel vielmehr wegen seiner Sprunghaftigkeit und seines schlechten Images nicht für den Kanzlerkandidaten mit den größten Chancen, heißt es in diesen Kreisen.

Die Troika bleibt also eine Troika - nach dem Willen ihrer Mitglieder noch ein gutes halbes Jahr, obgleich sich der Reiz dieser Truppe deutlich abgeschwächt hat.

Es geht um die Frage, wer im Dreigestirn die Nase vorn hat

An diesem Dienstag wollen sich die drei Männer wieder einmal öffentlich zeigen, fast auf den Tag genau ein Jahr, nachdem Steinbrück das Kandidatentrio unfreiwillig publik gemacht hatte. Offiziell geht es um die SPD-Bedingungen für eine Zustimmung zum Fiskalpakt. In Wahrheit wird es aber die meiste Zeit um den Zustand der SPD im Bund und um die Frage gehen, wer im Dreigestirn die Nase vorn hat.

Glaubt man den Beschreibungen aus Führungskreisen, hat sich eigentlich in den zwölf Monaten wenig verändert. Demnach weiß Gabriel nur allzu gut, dass er vielleicht der Lieblingsbewerber der Partei, nicht aber der Bevölkerung wäre. Steinmeier macht nach wie vor nicht den Eindruck, als sei er von Kandidatenehrgeiz zerfressen. Steinbrück würde es wohl machen - unter der Voraussetzung, man bittet ihn kollektiv auf nette Weise und lässt ihn machen, was er will. Eine Urwahl des Bewerbers wird es mit allergrößter Wahrscheinlichkeit nicht geben. Wenn der Parteivorsitzende den Posten will, wird er ihn bekommen. Die beiden anderen werden nicht gegen ihn antreten - und untereinander schon gar nicht.

Ein Kandidat der SPD muss notfalls eine Ampelkoalition führen

Voten für den einen oder anderen Kandidaten mag in diesen Tagen kein besonnener Sozialdemokrat abgeben. Zurückhaltung ist angesagt, auch und gerade weil sich Altkanzler Gerhard Schröder in einer neuen Biografie des Journalisten Daniel Sturm für den Ex-Finanzminister Steinbrück ausspricht. Ob dessen Unterstützung Steinbrück hilft, mag bezweifelt werden. Denn entweder stören sich SPD-Wähler an Schröders Reformagenda 2010 oder an seiner Nähe zum russischen Präsidenten Wladimir Putin. Gabriel jedenfalls zeigte sich über Schröders Äußerung nicht amüsiert. "Gut, dass es nicht Putin war", kommentierte er die Empfehlung.

Klar ist inzwischen, dass der Kandidat der SPD notfalls auch in der Lage sein muss, eine Ampelkoalition zu führen. Denn dass Rot-Grün 2013 eine Mehrheit bekommt, scheint weiterhin unwahrscheinlich zu sein. Die SPD-Basis aber findet an der FDP keine Freude. Als am Wahlsonntag das schmucke Ergebnis der Liberalen über die Bildschirme flackerte, wurde in der SPD-Zentrale Unmut laut. Von Ampeln rede man nicht, die mache man, sagen Sozialdemokraten. Deshalb wird darüber nicht gesprochen. Sondern über ein rot-grünes "Projekt". Das war zwischenzeitlich abgesagt, wird nun aber wieder von SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles propagiert.

© SZ vom 15.05.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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