SPD: Beck trifft Steinmeier:Die Lächler aus dem Weinberg

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Vom Schwielowsee ins Ahrtal - im Dienst der SPD: Ex-Parteichef Beck traf Kanzlerkandidat Steinmeier zum Foto-Pflichttermin.

Thorsten Denkler, Mayschoss

Kurt Beck macht Witze und Frank-Walter Steinmeier muss zuhören. Die humoristische Einlage handelt von den Baden-Württembergern. Wenn die in der Kneipe zusammen säßen, kalauert der SPD-Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, dann sage erst der eine "Mmmmh", fünf Minuten später dann der andere "Mmmmh". Und das sei dann unter Baden-Württembergern der Höhepunkt der Unterhaltsamkeit. Steinmeier grunzt.

Harmonisches SPD-Trio? Andrea Nahles, Frank-Walter Steinmeier und Kurt Beck (v.l.n.r.) auf Tour durch das Ahrtal. (Foto: Foto: dpa)

Oder, wie wär's mit dem: "Was ist der Unterschied zwischen dem Ahrtal und England?", fragt Kurt Beck. Der Gast aus der Bundesregierung schließt die Augen, schüttelt den Kopf. "Unsere Königin ist jünger und schöner."

Neben Beck steht die Ahrtal-Weinkönigin Julia Helfmann. Sie lächelt angestrengt und achtet darauf, dass ihr das Weinglas nicht aus der Hand fällt. Es ist ihr großer Tag. Sie und ihre beiden Weinprinzessinnen in der Mitte, der Herr Außenminister und der Herr Ministerpräsident zur Seite vor dem Weinkeller der Winzereigenossenschaft Mayschoss im Ahrtal.

Solch hohen Besuch hat es hier wahrscheinlich noch nicht gegeben. Nein, stimmt nicht ganz. "Ein Außenminister war schon vor mir da", ruft Steinmeier, als er später während der obligatorischen Weinprobe das Gästebuch des Hauses durchsieht. "Woher?", fragt einer. "Aus der Mongolei", sagt Steinmeier. Ministerpräsident Beck lacht. Dabei hatte der Rheinland-Pfälzer eigentlich gerade eine Wein-Anekdote zu Ende erzählen wollen - bis Steinmeier ihm mit der Entdeckung des mongolischen Amtskollegen ins Wort fiel.

Im idyllischen Ahrtal treffen die beiden SPD-Spitzenpolitiker erstmals öffentlich aufeinander nach jenem denkwürdigen Wochenende am brandenburgischen Schwielowsee im Spätsommer 2008.

Intrige auf höchstem Niveau

Vor der See-Partie war Kurt Beck noch SPD-Chef gewesen, danach nicht mehr - und die Kanzlerkandidatur war selbstverständlich auch perdu. Es putschte damals der brave Frank-Walter Steinmeier, der nun Angela Merkel entthronen will, mit Franz Müntefering als neuem SPD-Chef an seiner Seite. Recht bald nach der Schwielowsee-Episode vermutete Beck eine Intrige auf höchstem Niveau gegen ihn - und hat damit wohl nicht einmal unrecht. Sein Verhältnis zum neuen sozialdemokratischen Führungsduo gilt jedenfalls als eisgekühlt.

Nun aber ist Wahlkampf. Steinmeier ist in einer schier aussichtslosen Position. Solidarität ist die Chimäre der SPD. Nun braucht es ein schönes Foto. Am besten ein Foto mit dem alten Chef und dem neuen Kandidaten.

Kurt Beck müsste an diesem Freitagabend den Weinkeller im Ahrtal längst wieder verlassen haben. 120 Genossen warten auf ihn irgendwo in Rheinland-Pfalz. "Zugesagt ist zugesagt", sagt er. Der Auftritt sei schon abgemacht worden, bevor der Termin mit Steinmeier im Raum stand. So erklärt er es den Honoratioren von der Genossenschaft, so erklärt er es dem angereisten Kanzlerkandidaten. Nicht, dass einer denken könnte, dem Kurt Beck sei anderes wichtiger, als den Frontmann seiner SPD im Wahlkampf zu unterstützen. Dass er noch ein wenig länger bleibt, hat in Wirklichkeit wohl eher damit zu tun, dass er die Gastgeber nicht enttäuschen will.

Mayschoss gehört zum Bundestagswahlkreis von Andrea Nahles. "Die Nahles", wie es auf ihrem Wahlkampfbus steht, wurde unter Beck stellvertretende Parteivorsitzende und ist es unter Franz Müntefering noch immer. In Steinmeiers Wahlkampfteam ist sie für Bildung zuständig. Sie ist eine Art Vermittlerin zwischen den Welten an diesem Abend. Stellt sich mal an die Seite des einen, mal an die des anderen. Schiebt sie auch mal zusammen, wenn es sein muss.

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Es ist nicht ganz klar, wer die Idee zum gemeinsamen Treffen in den Weinbergen von Mayschoss hatte. Die einen sagen, es sei Steinmeier gewesen: Er habe Nahles gebeten, mit Beck zu sprechen. Andere sagen, es sei Nahles' Idee gewesen. Nur eines scheint sicher: Kurt Beck wäre so etwas nicht eingefallen.

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In Rheinland-Pfalz hat der bärtige Sozialdemokrat immer Heimspiel. Hier nahmen sie ihn gerne ganz auf, nach dem missglückten Ausflug in die bleihaltige Bundespolitik. Hier mögen in die Leut'. Anders als in der fernen Bundeshauptstadt Berlin, wo er zu selten sein Gesicht zeigte. Beck aber will bis heute dieser Sicht der Dinge nicht folgen.

Bestes Foto-Wetter

Ein Reporter fragt ihn im Weinkeller, ob es nicht seltsam sei, den ganzen Abend mit jenem Mann reden zu müssen, dessen Job als Kanzlerkandidat er selbst hätte haben können. Beck erwidert, etwas gestelzt: "Wenn ich es hätte machen wollen, hätte ich es anders angelegt." Als ob die Entscheidung am Ende tatsächlich noch in seiner Hand gelegen hätte.

Die Sonne steht tief über den Weinbergen. Sie schimmern golden. Es ist bestes Foto-Wetter. Ein Dutzend Fotografen, ein paar Kamerateams und die örtlichen Würdenträger - mehr Publikum ist für die PR-Nummer "Steinmeier trifft Beck" nicht vorgesehen.

Es gibt noch einen kleinen Umtrunk mit Rieslingsekt auf dem Michaelishof, wenige hundert Meter von Mayschoss entfernt. Einige nette Worte über das Wetter, ein paar Informationen zum Weinbau unter den real existierenden Bedingungen der Europäischen Union, dann geht es auf die kleine Wanderung durch die Weinberge hinunter ins Dorf zur Weinprobe.

Kanzlerkandidat Steinmeier steht eingerahmt von Beck und Nahles vor imposanter Naturkulisse: Solche Fotos will Andrea Nahles und braucht Steinmeier. Vor allem in Rheinland-Pfalz gilt er manchen Genossen als Königsmörder vom Schwielowsee. Das haben sie nicht vergessen. Die Bilder aus dem Ahrtal sollen zeigen: Zwischen Beck und Steinmeier passt kein Weinblatt.

Erst mal passen zwischen Beck und Steinmeier etwas mehr als 20 Meter. Der Kandidat und seine Bildungsexpertin Nahles gehen vor, Kurt Beck trottet hinterher, vertieft in weinbautechnische Fachgespräche. Es dauert noch einige Zeit, bis die Fotografen merken, dass da etwas nicht stimmt. "Da fehlt noch der Herr Ministerpräsident!", ruft einer. Erst jetzt eilt Beck in die erste Reihe, erst jetzt ist das schöne Wunschbild perfekt: Ein majestätischer Steinmeier, eingerahmt von den heimischen Nahles und Beck vor imposanter Naturkulisse.

Seit dem Schwielowsee haben sich der Kandidat und der Ex-Kandidat in kleiner, intimer Runde bereits getroffen, zum Beispiel bei den Verhandlungen um die Rettung von Opel im Kanzleramt. Dass sich der Weintrinker Beck und der Biertrinker Steinmeier aber je bei einem Glas ausgesprochen hätten, ist nicht bekannt. Die Wunden schmerzen.

Und nun müssen die beiden Parteifreundfeinde im Ahrtal so etwas wie ein öffentliches Gespräch miteinander führen. Das ist schwierig, weil viele mithören. Frank-Walter Steinmeier erzählt von seiner Tochter, die ganz in der Nähe derzeit einen Englischsprachkurs mache mit abendlichen "Sportgelegenheiten". Kurt Beck sagt, er und seine Frau machten immer Wanderurlaub an der Mosel. Steinmeier erzählt, dass er in Ahrweiler mit seiner Frau auch schon gewandert sei, damals zu seiner Bonner Zeit in den Jahren 1998 bis 1999. So plaudern sich die beiden Genossen, die sich nicht genießen können, durch die Zeit. Ein leicht verkrampfter Versuch, lächelnd Gemeinsamkeiten zu finden - im Wissen, dass da keine sind.

So reden Menschen miteinander, die sich im Grunde nichts zu sagen haben.

An diesem Abend spielt Beck das Spiel des Wahlkampfes mit - mit unübersehbarem physischem Abstand zum Kanzlerkandidaten. Sie kommen getrennt, sie fahren getrennt. Selbst bei der Weinprobe sitzen sie nicht nebeneinander, eine Weinprinzessin spielt Pufferzone. Und das gemeinsame Abendessen im kleinen Kreis zum Schluss lässt Kurt Beck zugunsten der wartenden 120 Genossen ausfallen.

Der Abschied der beiden ist kurz. Kurt Beck steht auf, erklärt noch mal kurz, warum er weg muss. Frank-Walter Steinmeier bleibt sitzen, nickt. Ein Handschlag, das war's. Pflicht erfüllt. Das muss im Moment reichen.

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