Libanon ist eine Miniatur des Nahen Ostens. In dem kleinen multikonfessionellen Land tragen Regional- und Großmächte seit Jahrzehnten ihre Fehden aus, mal durch Stellvertreter, mal auch direkt. Wenn die Spannungen in der Gegend steigen, erzittert der labile Staat am Mittelmeer. Seine Architektur ist darauf ausgelegt, die Interessen der Glaubensgruppen auszutarieren, die jeweils mit politischen Akteuren verbunden sind - und deren internationalen Unterstützern.
Die größte Krise, den Bürgerkrieg im benachbarten Syrien, hat Libanon bisher überstanden, weil es ein unausgesprochenes Übereinkommen zwischen den Widersachern Iran und Saudi-Arabien gab, das Land aus der syrischen Katastrophe herauszuhalten. Symbol dieses Kompromisses war die Einheitsregierung unter Beteiligung der von Iran unterstützten schiitischen Hisbollah mit Saad al-Hariri als Premier, ein Sunnit und Protegé Riads. Dieses Stillhalteabkommen ist passé, seit vor einer Woche binnen Stunden drei Nachrichten aus Riad Beirut aufwühlten.
Erst verlas Hariri von dort seine Rücktrittserklärung, in der er Iran und Hisbollah vorwarf, ihn ermorden zu wollen, so wie das 2005 seinem Vater geschehen war. Iran wolle durch Einmischung arabische Länder ins Verderben stürzen. Dann schoss die Luftabwehr über Riad eine Rakete ab, die Huthi-Milizionäre aus Jemen gefeuert hatten, auch sie unterstützt Iran. Schließlich ließ der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman hochmögende Prinzen und Geschäftsleute wegen angeblicher Korruption festsetzen. Hariri, der einen saudischen Pass besitzt, verdiente im Königreich mit der geerbten Baufirma Milliarden an staatlich finanzierten Großprojekten, bevor sie im Juli pleiteging - er ist womöglich erpressbar.
Die Hisbollah ist in Libanon eine mächtige Partei
Die Rakete aus Jemen bezeichnete Riad als Kriegsakt, den es Iran anlastet; von dort sei sie geliefert worden. Auch die Regierungsbeteiligung der Hisbollah in Libanon komme einer Kriegserklärung gleich. Das Königreich kann sich bei der Forderung nach ihrer Entwaffnung auf UN-Resolutionen stützen. Aber die Hisbollah ist in Libanon eine mächtige Partei, gegen deren Willen kaum ein Kabinett zustande kommt. Und trotz des Syrien-Einsatzes der Miliz ist die Hisbollah in Libanon auch die stärkste militärische Kraft.
Saudi-Arabiens äußerst ehrgeiziger Königssohn versucht mit Ingrimm, den wachsenden Einfluss Irans zurückzudrängen. Er muss sich bestätigt sehen durch Triumphgeheul, wie es etwa Ali Akbar Velayati anstimmte, außenpolitischer Berater des Obersten Führers Ali Khamenei. Die "Achse des Widerstands" habe in Syrien, dem Irak und Libanon gewonnen und reiche bis Palästina, sagte er - ausgerechnet in Beirut nach einem Treffen mit Hariri.