Naher Osten:Was Saudis und Iraner trennt

Naher Osten: In Jemens Hauptstadt Sanaa im August nach einem Luftangriff der arabischen Militärallianz gegen die Huthi-Rebellen.

In Jemens Hauptstadt Sanaa im August nach einem Luftangriff der arabischen Militärallianz gegen die Huthi-Rebellen.

(Foto: AP)

Der Konflikt zwischen Saudi-Arabien und Iran droht zu eskalieren. Warum sind die beiden Staaten so verfeindet, und welche Rolle kommt Libanon und Jemen dabei zu?

Von Markus C. Schulte von Drach

Schwere Vorwürfe erhebt Saudi-Arabien gegen Iran, nachdem am Wochenende gleich zwei Ereignisse Aufsehen erregt haben. Libanons Ministerpräsident Saad al-Hariri ist zurückgetreten und hat sein Land verlassen - aus Angst vor einem Attentat. Und eine Rakete aus dem Jemen hat beinahe Riad erreicht. Hinter beidem sieht Riad das Wirken Teherans - und spricht schon von Krieg mit dem Erzrivalen im Nahen Osten.

Wieso stehen sich Saudi-Arabien und Iran feindselig gegenüber?

Bei dem Konflikt zwischen Saudi-Arabien und Iran geht es um einen möglichst großen Einfluss und letztlich die Vormacht am Persischen Golf und im gesamten Nahen Osten. Beide Länder versuchen, in der Region wirtschaftliche und sicherheitspolitische Interessen durchzusetzen. Die Kluft zwischen ihnen ist dabei besonders tief, weil zu den nationalen Interessen weitere wichtige Unterschiede kommen.

Eine Ursache des Konflikts ist die jahrhundertealte Spaltung der muslimischen Gemeinschaft insbesondere in Sunniten und Schiiten aufgrund eines Streits um die Nachfolge des Propheten Mohammed. Extremistische Sunniten betrachten Schiiten sogar als Ketzer.

In Saudi-Arabien leben überwiegend Sunniten, die Staatsreligion ist der Wahhabismus, eine besonders konservative Form des sunnitischen Islam. Schiiten, die unter Muslimen weltweit eine Minderheit sind, stellen auch in Saudi-Arabien lediglich etwa zehn Prozent der Bevölkerung und leiden dort auch unter Repressionen.

Die Islamische Republik Iran mit ihrer theokratischen Regierung gehört dagegen zu den wenigen Ländern, in denen die Schiiten die Mehrheit stellen. Weitere Länder mit schiitischer Mehrheit sind Irak und Bahrain. In Libanon, Jemen und Kuwait stellen sie immerhin etwa ein Drittel der Bevölkerung.

Sowohl Saudi-Arabien als auch Iran betrachten sich als Schutzmächte von Minderheiten in anderen Ländern - die Saudis für sunnitische Gläubige, Teheran für die Schiiten.

Darüber hinaus gibt es ethnische Unterschiede. Die größte Gruppe in der iranischen Bevölkerung sind Perser. In den übrigen Ländern am Persischen Golf, im gesamten Nahen Osten, in Nordafrika machen Araber den größten Teil der Bevölkerung aus.

Welche Rolle spielen Saudi-Arabien und Iran im Libanon?

Die Bevölkerung in Libanon setzt sich zu jeweils etwa 30 Prozent aus Sunniten und Schiiten zusammen, die übrigen 40 Prozent sind fast ausschließlich Christen - insbesondere Maroniten. Diesen Verhältnissen versucht das Land - nach Bürgerkriegen und der Besetzung durch israelische und dann syrische Truppen - gegenwärtig gerecht zu werden, indem hohe Staatsämter bestimmten Religionen vorbehalten sind: Das Staatsoberhaupt muss maronitischer Christ sein, der Regierungschef Sunnit, der Parlamentspräsident Schiit.

Anfang der 80er Jahre entstand - unter iranischem Einfluss - die schiitische Miliz Hisbollah, deren Kampf sich vor allem gegen Israel richtet. Seit 1992 ist ihr politischer Arm in der libanesischen Nationalversammlung vertreten. Die Arabische Liga und die USA haben die Hisbollah als Terrororganisation eingestuft, die EU betrachtet nur ihren militärischen Arm als Terrorgruppe.

Die Hisbollah wird von Iran unterstützt. Der Einfluss geht soweit, dass die Miliz auf Betreiben Teherans Tausende Kämpfer nach Syrien geschickt hat, um den Diktator Baschar al-Assad gegen die überwiegend sunnitischen Aufständischen zu unterstützen. Assad gehört der religiösen Minderheit der Alawiten an, die den Schiiten nahestehen. Auf diese Weise nimmt Iran auch in Syrien Einfluss - das Land ist so zum Verbündeten Russlands geworden, das ebenfalls das syrische Regime gegen die Rebellen unterstützt.

Saudi-Arabien wirft Iran vor, sich über die Hisbollah direkt in die Politik im Libanon einzumischen. Nachdem der Ministerpräsident Saad al-Hariri - ein Sunnit - aus Angst vor einem Anschlag Anfang November zurückgetreten und aus dem Land geflohen ist, erheben die Saudis schwere Vorwürfe: Zwar gibt es keine Beweise für Attentatspläne gegen Hariri, aber der Libanon sei von den Milizen der Hisbollah "gekidnappt" worden. "Dahinter steckt Iran", sagt der saudische Minister für Angelegenheiten in der Golf-Region, Thamer al-Sabhan.

Welche Rolle spielen Saudi-Arabien und Iran im Jemen?

Seit 1990 existiert die Republik Jemen, die Mehrheit der Bevölkerung hängt dem sunnitischen Glauben an, allerdings ist der Anteil der Schiiten mit dreißig bis vierzig Prozent sehr groß.

Nach einem Bürgerkrieg 1994 setzte sich ein autoritäres Regime durch, 2012 kam Präsident Abd Rabbo Mansur Hadi an die Macht. Schon 2004 waren Kämpfe zwischen Truppen der überwiegend sunnitischen Regierung und den schiitischen Huthi ausgebrochen. 2009 eskalierte der Konflikt dann erneut, als Regierungstruppen gegen schiitische Milizionäre in der Provinz Saada vorgingen. Saudi-Arabien griff in die Kämpfe ein, um die Regierung zu unterstützen, die USA lieferten der Regierung in Sanaa Waffen.

Trotzdem gelang es den Huthi-Rebellen, große Teile des Jemen unter ihre Kontrolle zu bringen - 2014 auch die Hauptstadt. Der jemenitische Ableger der sunnitischen Terrororganisation al-Qaida konnte dagegen Teile der Provinz Ibb erobern.

2015 floh Präsident Hadi nach Riad. Im gleichen Jahr organisierte Saudi-Arabien eine Militärallianz mit Ägypten und weiteren arabischen Staaten gegen die Huthi. Die Allianz wird von den USA, Frankreich und Großbritannien logistisch unterstützt. Bei Luftangriffen der Allianz sind immer wieder Zivilisten gestorben. Insgesamt wurden bei den Kämpfen fast 9000 Menschen getötet. Dazu kommt eine Cholera-Epidemie, der bereits 1900 Menschen zum Opfer gefallen sind. Wegen der Blockade von Häfen und Flughäfen des Landes sprechen die UN von einer humanitären Katastrophe.

Saudi-Arabien aber wirft Iran vor, die schiitischen Huthi-Rebellen mit Waffenlieferungen zu unterstützen. Darüber hinaus hat die jemenitische Regierung erklärt, die Aufständischen bekämen Hilfe von Kämpfern der schiitischen Hisbollah-Miliz.

Nachdem die Aufständischen jüngst eine Rakete in Richtung Riad abgefeuert haben, die erst nahe der saudischen Hauptstadt abgefangen werden konnte, hat der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman Iran vorgeworfen, er würde die - unterstellten - Raketenlieferungen Irans als "direkte militärische Aggression" gegen sein Land betrachten. Dies könne sogar "einem Kriegsakt gegen das Königreich gleichkommen", warnte er laut der saudischen Nachrichtenagentur SPA.

Iran weist alle Vorwürfe zurück. Die Huthi werfen ihrerseits Saudi-Arabien vor, die al-Qaida-Kämpfer im Jemen zu unterstützen.

Es ist zu befürchten, dass Saudi-Arabien nach den jüngsten Ereignissen in Libanon und im Jemen den Konflikt mit Iran anheizt. Der Westen und insbesondere die USA, die in Saudi-Arabien einen engen Verbündeten sehen, müssen sich gut überlegen, welche Rolle sie hier spielen wollen.

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