Deutscher Pflegetag:Spahn fordert Pflegekräfte auf, sich besser zu organisieren

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Wer kann sich künftig noch gute Pflege leisten?, das war eine Frage beim Pflegetag: Szene aus einem Pflegeheim. (Foto: Tom Weller/dpa)

Auf dem Deutschen Pflegetag in Berlin ermuntert der scheidende Minister die Beschäftigten zu mehr Selbstbewusstsein bei der Durchsetzung ihrer Interessen. Pflegeratspräsidentin Christine Vogler regt 4000 Euro Monatslohn für alle Pflegekräfte an.

Von Rainer Stadler, München

Auf seinem vorerst letzten Deutschen Pflegetag als Bundesgesundheitsminister rief Jens Spahn (CDU) beinahe zur Revolution auf. Im Grußwort zur Eröffnung des jährlichen Branchentreffens, bei dem auch wieder in begrenztem Umfang Publikum zugelassen ist, sprach er über die Verhandlungsmacht der Pflegekräfte. Überall würden sie gesucht, in Heimen, Krankenhäusern und Pflegediensten. "Ich möchte Sie deshalb ermuntern", sagte Spahn und stockte kurz, "nicht zum Generalstreik - sondern diesen Hebel auch zu nutzen." Applaus brandete auf in Halle A4 des Berliner "City Cubes".

Es kommt schließlich nicht alle Tage vor, dass ein Minister die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einer Branche auffordert, sich endlich besser zu organisieren, um Forderungen gemeinsam durchzudrücken - gegen Arbeitgeber, aber eben auch gegen die Politik. Denn Spahn war auch so ehrlich zuzugeben, dass die Regierung zwar einige Gesetze auf den Weg gebracht und verabschiedet habe, um Bezahlung und Arbeitsbedingungen von Pflegekräften zu verbessern. Und dass er überzeugt sei, "mit vollen Rohren" auf die Probleme geschossen zu haben, nach dem Motto: "Wasser marsch". Dass aber viele Beschäftigte immer noch den Eindruck hätten, bei ihnen seien davon lediglich ein paar Tropfen angekommen.

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Insofern unterschied sich sein Beitrag von den Klagen, die bereits vor dem Pflegetag wie auch in dessen Verlauf erhoben wurden - etwa vom Grünen-Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen. Oder von Christine Vogler, Präsidentin des Deutschen Pflegerats, des obersten Gremiums der wichtigsten Branchenverbände: Sie forderte 4000 Euro Monatslohn für alle Pflegekräfte, unabhängig davon, wo sie arbeiten.

Die Abwärtsspirale sei gestoppt, sagt der Minister, aber noch nicht umgedreht

"Da kann ich mitgehen", antwortete Minister Spahn. Natürlich wisse er, dass "gute Pflege kostet". Unter seiner Verantwortung seien aber schon viele neue Stellen geschaffen worden, die nun besetzt werden müssten. Was bekanntermaßen schwer sei angesichts des Personalmangels. Auch hier sei einiges erreicht worden, während der Pandemie sei die Zahl der Auszubildenden so hoch gewesen wie nie zuvor. Die Abwärtsspirale habe man gestoppt, resümierte Spahn, aber noch nicht in die andere Richtung gedreht.

Pflegeratspräsidentin Vogler zeichnete im Anschluss ein düsteres Szenario, das in Deutschland schon Anfang 2030 denkbar sei, wenn das System der Pflege nicht reformiert werde: Pflegenomaden werden je nach Bedarf in verschiedenen Häusern eingesetzt, unterstützt von früheren Arbeitslosen, die für die Pflege zwangsverpflichtet wurden. Nur noch Reiche könnten sich gute Pflege leisten, für alle anderen gebe es Angebote der Sterbehilfe. Es sei nicht alles gut in der Pflege, sagte Vogler, an den Minister gewandt, der die Branche gerade noch angehalten hatte, mehr über das Erreichte und Erfolge in der Pflege zu reden.

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