Sommerpressekonferenz der Kanzlerin:Merkels Kompass für die Trump-Welt

Lesezeit: 3 min

Angela Merkel in der Bundespressekonferenz. (Foto: AFP)

Die globale Wirtschaft in "ernster Situation" durch den US-Präsidenten, Europa "zerrissen" in der Flüchtlingspolitik: Die Kanzlerin zeichnet ein düsteres Bild - und gibt ein Versprechen.

Von Robert Roßmann, Berlin

Die Sommerpressekonferenz der Kanzlerin ist ein Berliner Ritual. Einmal im Jahr kommt Angela Merkel zu den Hauptstadt-Journalisten, um sich unabhängig von einem speziellen Thema ausgiebig befragen zu lassen. 2015 fiel hier der Satz "Wir schaffen das". Die Welt sehe "Deutschland als ein Land der Hoffnung", sagte die Kanzlerin damals - und zeichnete auch sonst ein ziemlich positives Bild der Lage. An diesem Freitag kam Merkel wieder in die Bundespressekonferenz. Aber das Bild von der Welt, das sie diesmal zeichnet, ist ziemlich düster.

Es gehe jetzt um "die Herausforderung, Europa zusammenzuhalten", die EU sei in der Migrationspolitik immer noch "zerrissen", sagt die Kanzlerin. Außerdem sei die Weltwirtschaft wegen des Handelskonflikts mit den USA in einer "sehr ernsten Situation". Die neuen Zölle seien "eine wirkliche Gefahr für die Prosperität vieler auf der Welt". Merkel beklagt, dass der internationale "Ordnungsrahmen" derzeit stark unter Druck stehe. Der Multilateralismus werde infrage gestellt, dabei seien ohne ihn die Probleme Europas und der Welt nicht zu lösen. Sie werde sich deshalb nicht davon abbringen lassen, weiter für eine internationale Zusammenarbeit zu werben.

In ihrer Sommerpressekonferenz 2008 hatte Merkel über den damals künftigen US-Präsidenten Barack Obama gesagt: "Es wird mit Sicherheit mit dem neuen Mann im Weißen Haus ein hohes Maß an Kontinuität geben." Über diesen Satz hatten wegen der schwurbeligen Formulierung viele gelacht, aber es kam dann so, wie es die Kanzlerin vorhergesagt hatte. An diesem Freitag macht Merkel dem heutigen Präsidenten Donald Trump zwar keine direkten Vorwürfe. Aber es wird klar, dass ihrer Ansicht nach Trumps Präsidentschaft nicht nur ein Bruch in der Kontinuität der deutsch-amerikanischen Beziehungen ist - sondern auch eine Gefahr für die internationale Ordnung.

Ihr sei die Orientierung an Sachlichkeit und Fakten sehr wichtig, weil sie glaube, dass es "zwischen Denken, Sprechen und Handeln einen ziemlich engen Zusammenhang gibt", sagt die Kanzlerin - auch mit Blick auf die Erklärung Trumps, die EU sei "ein Feind" der USA. Eine Verschlechterung der politischen Kultur erkennt Merkel aber auch in Deutschland. Und spätestens an dieser Stelle geht es dann um das Thema, das hierzulande die vergangenen Wochen dominiert hat.

"Ein neuer Zusammenhalt für unser Land" steht über dem Koalitionsvertrag. Zuletzt hat Merkels Union aber nichts dazu beigetragen. Der mit gewaltiger Härte ausgetragene Streit zwischen der CSU und der Kanzlerin um die Flüchtlingspolitik hat sogar neue Gräben gerissen. Das versucht Merkel in der Bundespressekonferenz auch gar nicht erst kleinzureden, es würde ihr auch niemand abnehmen.

Meinungsverschiedenheiten müssten ausgetragen werden, sagt Merkel, das sei nicht das Problem gewesen. Aber die Tonalität im Streit um die Flüchtlingspolitik sei "oft sehr schroff" gewesen. Das hätte nicht sein dürfen. Sie werde sich immer "gegen bestimmte Erosionen von Sprache" wenden. Und dann singt die Kanzlerin ein Loblied auf Kompromisse. In einer komplizierten Welt sei es normal, dass es dauere, bis man eine Lösung gefunden habe, sagt Merkel. Sie werde deshalb in ihrer "politischen Arbeit dafür werben, dass nicht alles in der ersten Sekunde entschieden sein kann - denn dann nähern wir uns sehr autokratischen Methoden".

Fragen, ob sie im Streit mit der CSU nicht trotzdem mehr Führung und Durchsetzungsstärke hätte zeigen müssen, wischt die Kanzlerin zur Seite. Am Ende habe es doch einen Kompromiss gegeben, der alles enthalte, was ihr wichtig sei: Die Lösung sei nicht unilateral, nicht unabgestimmt und nicht zulasten Dritter. Und Innenminister Horst Seehofer habe ihre Richtlinienkompetenz akzeptiert.

Dass der Konflikt Vertrauen gekostet hat, gesteht aber auch Merkel ein. In der Pressekonferenz wird sie gefragt, ob sie während des Streits mit Seehofer an Rücktritt gedacht habe. (Antwort: "Nein, nein, nein - wenn ich in der Mitte einer wichtigen Auseinandersetzung bin, dann muss ich ja meine Kräfte darauf konzentrieren.") Und Merkel muss sich Fragen erwehren, ob sie erschöpft und amtsmüde sei.

Zumindest an dieser Stelle ist ihre Antwort an Klarheit nicht zu überbieten. Sie freue sich jetzt zwar auf ihren Urlaub, denn "die Zeiten sind fordernd", sagt die Kanzlerin. Aber sie habe versprochen, die ganze Legislaturperiode im Amt zu bleiben. Und daran werde sie sich auch halten. Wenn es nach Angela Merkel geht, wird sie also noch mindestens bis 2021 Bundeskanzlerin bleiben.

© SZ vom 21.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: