Pressefreiheit:Schlag gegen slowakische Medien

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Der slowakische Premier Robert Fico behauptet, die öffentlich-rechtliche Anstalt RTVS könne nicht objektiv berichten, weil sie sich im Kampf mit der Regierung befinde. (Foto: Michal Kamaryt/IMAGO/CTK Photo)

Die Regierung von Premier Robert Fico beschließt, die öffentlich-rechtliche Sendeanstalt RTVS aufzulösen. Was hinter dem Vorstoß des Populisten steckt.

Von Viktoria Großmann, Warschau

Am Donnerstag kamen viele Mitarbeiter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und Fernsehens in der Slowakei in schwarzer Kleidung zur Arbeit. Journalisten anderer Medien schlossen sich aus Solidarität an. "Wir stehen RTVS bei", lautet die Parole der Unterstützer. Im Sender hieß es nur "Schwarzer Tag für RTVS". Am Mittwoch hatte die slowakische Regierung beschlossen, was längst angekündigt war: Die Sendeanstalt soll aufgelöst und neu gegründet werden. Neuer Name: STVR. Aus "Rundfunk und Fernsehen der Slowakei" wird "Slowakisches Fernsehen und Rundfunk". Dieser Name soll, so wird es im Gesetzentwurf erklärt, patriotischer sein. Zudem soll jede Nacht die Nationalhymne gespielt werden.

Kulturministerin Martina Šimkovičová, die auf der Liste der rechtsnationalistischen Partei SNS im September ins Parlament gewählt worden war, warf RTVS die Verbreitung von Desinformation vor. Als Beispiel nannte sie die "schändliche" Berichterstattung über ihre eigene Person. Šimkovičová arbeitete früher selbst als Journalistin, gründete dann vor etwa zehn Jahren ihren eigenen Youtube-Kanal TV Slovan, wo sie Hetze gegen Flüchtlinge und Homosexuelle verbreitete, die Corona-Pandemie leugnete und prorussischen Erzählungen Raum gab. Auch als Ministerin tritt sie damit weiterhin auf. In der Sendung vom vergangenen Sonntag wurde die staatliche finanzielle Unterstützung von LGBT-Veranstaltungen kritisiert.

Sender sieht Verstoß gegen geltendes Recht

In der Sendeanstalt herrscht große Besorgnis. So soll mit Inkrafttreten des Gesetzes voraussichtlich im Juni oder Juli auch der bis 2027 berufene Direktor von RTVS automatisch seinen Posten verlieren. Wer ihm nachfolgen wird, ist bislang nicht bekannt. Außerdem soll statt des Aufsichtsrates eine sogenannte Ethikkommission mit neun Mitgliedern einberufen werden.

In einer Stellungnahme teilt RTVS am Mittwoch mit, das neue Gesetz sei nicht gerechtfertigt und stehe im Widerspruch zu geltendem Recht. Die Regierung könnte die bestehende Rundfunkanstalt auch reformieren, anstatt sie ganz abzuschaffen. Die Geschäftsführung von RTVS habe die Regierung mehrmals um einen "konstruktiven Dialog" gebeten. Doch diese habe sich "zu einer gezielten Änderung entschlossen, die von dem Bemühen geleitet wird, die öffentlichen Medien zu kontrollieren", heißt es auf der Homepage der Sendeanstalt.

Angriffe auf Print- und Onlinemedien

Ministerpräsident Robert Fico erklärte, die "Situation bei RTVS sei unerträglich", die Sender könnten schon deshalb nicht objektiv berichten, weil sie sich im Kampf mit der Regierung befänden. Kulturministerin Šimkovičová sagte in der Pressekonferenz am Mittwoch: "Wissen Sie, der politische Aktivismus, der sich in den meinungsbildenden Medien eingenistet hat, muss auf das richtige Maß gestutzt werden, damit er wirklich ausgewogen ist."

Nicht nur die öffentlich-rechtlichen Sender attackiert die Regierung. Mehrere Print- und Onlinemedien, darunter das Portal, für das der 2018 ermordete Journalist Ján Kuciak berichtete, werden von der Fico-Regierung bei Anfragen ignoriert oder pauschal beleidigt. Kurz nach der Präsidentenwahl Anfang April hatte die Regierung beschlossen, auch dem privaten Fernsehsender TV Markíza keine Auskunft mehr zu geben.

Pellegrini hat schon Zustimmung signalisiert

Die aus drei Fraktionen bestehende Regierungskoalition lässt sich Zeit, bis sie den Gesetzentwurf, auf den sie sich geeinigt hat, dem Parlament vorlegen will. Erst im Juni soll darüber abgestimmt werden. Am 15. Juni soll die Amtsübergabe von Präsidentin Zuzana Čaputová an ihren Nachfolger Peter Pellegrini erfolgen. Čaputová würde bei diesem Gesetzentwurf sicher ein Veto einlegen. Pellegrini sagte schon im Präsidentschaftswahlkampf, dass das Gesetz aus seiner Sicht in Ordnung sei. Höchstens über Details könne man noch sprechen.

Diese Details hat die Regierung wohl schon bereinigt. Es wird nicht, wie befürchtet, einen Programmbeirat geben, der die Sendungen zensieren könnte; und ein Direktor darf nicht ohne Angabe von Gründen abberufen werden, das hätte einen Konflikt mit EU-Recht bedeutet.

Das Mediengesetz ist nur ein Teil der Maßnahmen, auf die sich die neue Regierung verständigt hat. In Zukunft sollen sich Nichtregierungsorganisationen oder gemeinnützige Vereine, die mehr als 5000 Euro jährlich von ausländischen Geldgebern erhalten, als "Organisation mit ausländischer Unterstützung" ausweisen. Auch für staatliche Museen und Galerien gibt es Änderungen. Deren Chefs müssen nicht mehr in öffentlichen Ausschreibungsverfahren ausgewählt werden.

Schon im Herbst hatte die Kulturministerin Haushaltsmittel für RTVS gestrichen. Laut neuem Gesetz soll sich die neue Sendeanstalt aus bis zu zehnmal mehr Werbung als bisher finanzieren.

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