Sicherheitspolitik:Die Klima-Angst steigt weltweit

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Nur noch zwölf Prozent des normalen Wasserstandes verzeichnete 2017 ein Wasserreservoir im Südosten Spaniens. Boote lagen nach einer Trockenphase zeitweise auf Grund. (Foto: David Ramos/Getty)

Eine Erhebung der Münchner Sicherheitskonferenz zeigt, dass die Sorge um Extremwetter, Klimawandel und natürliche Ressourcen zunimmt. Die Herrschaft über Klimatechnologie entscheidet künftig auch über Sicherheit. Und da hat Europa schlechte Karten.

Von Stefan Kornelius, München

Das Bedrohungs- und Sicherheitsgefühl gerade der westlichen Staaten hat sich deutlich verschoben. Wenige Tage vor Beginn der ersten internationalen Gipfelserie mit dem neuen US-Präsidenten Joe Biden belegen frisch erhobene Daten, wie sehr die Sorge um Klima, Extremwetter und die Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen gewachsen ist. Die Münchner Sicherheitskonferenz zeigt den Trend in einem erstmals veröffentlichen "Sicherheitsindex" und einem "Wärmebild globaler Risiken". Vor allem in europäischen Ländern ist die Sorge um die Klimabedrohung deutlich gewachsen.

Wenn es so etwas wie einen weltweiten Konsens über Risiken gibt, dann dreht er sich um die Umwelt, die Zerstörung natürlicher Ressourcen und den Klimawandel, heißt es im Bericht der Sicherheitskonferenz. Deren Vorsitzender Wolfgang Ischinger sagte: "Wir tun noch so, als ob wir von Panzern und Nuklearwaffen bedroht werden. Im 21. Jahrhundert entscheidet aber die Herrschaft über Daten und technologische Systeme den Wettbewerb. Da fällt schon auf, dass China in der Klimatechnologie die Führung übernimmt."

So zeigen Daten von 2017 bis heute, dass China bei der Produktion elektrisch betriebener Fahrzeuge, Batterien und Photovoltaik-Anlagen mit Abstand führt, während die EU lediglich bei der Herstellung von Windenergieturbinen vorne liegt. Auch bei der Kontrolle Seltener Erden, die für neue Technologien nötig sind, belegt China den ersten Platz.

Gerade in Deutschland rangiert das Klimathema an erster Stelle der Bedrohungsanalyse und erreicht 66 von 100 Punkten. Erst danach folgen die Sorge um Pandemien, islamistischen Terror und Cyberangriffe. Auf der Liste der als bedrohlich empfundenen Staaten nimmt China mit 45 Punkten den ersten Platz ein, gefolgt von Russland und Iran. Am wenigsten sorgen sich die Deutschen um den Zusammenbruch der Demokratie in ihrem Land, Nahrungsmittelknappheit, die USA oder die Europäische Union.

Der Risikoindex der Münchner Sicherheitskonferenz wird gemeinsam mit einem umfassenden sicherheitspolitischen Bericht am Mittwoch veröffentlicht und liegt der Süddeutschen Zeitung vorab vor. Er basiert auf Umfragen unter 12 000 Bürgerinnen und Bürgern der G-7- und der BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika).

China, Nordkorea und Iran auf den vorderen Plätzen

Während in Deutschland das Bedrohungsgefühl relativ moderat ausgeprägt ist, sticht die Corona-Angst in Brasilien mit einem Index-Wert von 100 heraus. Auffällig ist das allgemein niedrige Bedrohungsgefühl in China, wo die USA mit einem Wert von 44 an erster Stelle stehen, gefolgt von der Sorge um den Klimawandel. In Russland steht die Angst vor wachsender Ungleichheit im Land vor der Klimafurcht. Nur in den USA ist die Angst vor dem Klimawandel unterdurchschnittlich ausgeprägt (48 von 100). Dort sorgen sich die Bürger vor allem um Cyberangriffe, China, und die politische Polarisierung.

In der Rangliste der als bedrohlich wahrgenommenen Staaten nimmt China nach Nordkorea und Iran einen vorderen Platz ein. Diese Wahrnehmung teilen alle Staaten bis auf Russland. Die Europäische Union wird hingegen kaum als Risiko angesehen. "Da kann sich die EU einen Orden umhängen", betont Ischinger, "aber leider erhöht das die Durchsetzungsfähigkeit ihrer Politik nicht." Ischinger kritisiert, dass die EU seit mehr als 20 Jahren keine gemeinsame Außenpolitik entwickle. Deutschland genießt als Nation ebenfalls gute Sympathiewerte und wird lediglich von Russland als leichte Bedrohung wahrgenommen.

Wie sehr die Polarisierung der Welt zwischen China und den USA zunimmt, lässt sich auch anhand von Daten belegen, die sich mit den Konflikten der Zukunft befassen: Erhöhte Risiken werden da vor allem in Ostasien ausgemacht. So gehen rivalisierende Staaten in der indopazifischen Region davon aus, dass es zu einer Invasion Südkoreas durch das Regime im Norden kommen könnte. Einen Krieg zwischen Indien und China halten 60 Prozent der Inder und 32 Prozent der Chinesen für wahrscheinlich. Fast die Hälfte der Japaner und der Inder und immerhin noch 28 Prozent der US-Amerikaner halten eine Invasion Chinas auf der Insel Taiwan für möglich. "Wenn wir in diesen Konflikten nicht im Kielwasser der USA schwimmen wollen, dann muss die Europäische Union endlich mit einer Stimme sprechen", fordert Ischinger.

Die Befragten in allen Ländern erwarten, dass sich die technologische Führungsrolle in den kommenden 50 Jahren eindeutig nach China verlagern wird. In den großen europäischen Staaten mit Ausnahme Italiens und selbst in den USA geht über die Hälfte der Bevölkerung davon aus, dass China unangefochten an der Spitze stehen wird, während der Europäischen Union die geringsten Chancen auf eine technologische Vormachtrolle eingeräumt werden. Ischinger warnte vor einer Entkopplung der EU, die nur noch als regulatorische Macht, aber nicht als technologische Größe wahrgenommen werde: "Ist die EU also Innovationsproduzent oder vor allem gut im Einhegen? Das wird ihre Zukunft bestimmen."

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