Sexuelle Belästigung in den USA:Mein Präsident gegen deinen

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Wie Debatten in den USA funktionieren: Wann immer die Demokraten fragen, was eigentlich mit Donald Trumps Übergriffen sei, fragen die Republikaner zurück, wann endlich Bill Clinton zur Verantwortung gezogen werde. (Foto: AP)

Sexuelle Belästigung in den USA verteilt sich gleichmäßig aufs linke und rechte Lager, jede Seite hat ihre Grapscher. Gerade deshalb bleibt Bill Clinton Held der Linken - und Donald Trump Held der Rechten.

Kommentar von Hubert Wetzel, Washington

Sexuelle Belästigung ist offensichtlich keine Frage des Parteibuchs. In den USA jedenfalls verteilen sich die Grapscher gleichmäßig aufs linke und rechte Lager. Medienleute, Politiker, sogar Präsidenten - für jeden Republikaner findet sich ein Demokrat.

Man könnte es, wäre man sarkastisch, auch so sagen: Das Einzige, was Demokraten und Republikaner in Washington in diesen Tagen überhaupt noch miteinander verbindet, ist das Thema sexuelle Belästigung. Prominente Vertreter beider Seiten werden beschuldigt, Frauen bedrängt, genötigt oder sogar vergewaltigt zu haben. Das ist eine eher abstoßende Art der Überparteilichkeit.

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Eine von ihnen spricht sogar von Vergewaltigung. Neu sind die Vorwürfe nicht, doch die Zeiten, in denen die Demokraten sich rückhaltlos hinter den Ex-Präsidenten stellten, sind vorbei.

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Wer freilich erwartet, dass auch die Empörung über dieses Verhalten keine Parteigrenzen kennt, der versteht Washington nicht. Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall: Die Tatsache, dass es auf beiden Seiten hinreichend Widerlinge gibt, ist aus politischer Sicht eher ein Vorteil. So kann sich jede Seite über die Untaten der politischen Gegner aufregen, ohne allzu hart mit den eigenen Tätern ins Gericht gehen zu müssen. Über die "Vergewaltigungskultur" im linken Hollywood hat Breitbart stets ausführlich berichtet; dass beim rechten Sender Fox News Frauen praktisch Freiwild waren, wurde übersehen. Mit Absicht.

Selbst wenn die Heuchelei nicht ganz so weit geht, lassen sich die Anschuldigungen zumindest gegeneinander aufrechnen. Und das ist immer auch ein probates Mittel, um sie zu entwerten. Viele Republikaner sind vermutlich ernsthaft entsetzt über ihren Senatskandidaten Roy Moore, der früher minderjährigen Schulmädchen nachgestiegen ist. Doch solange der demokratische Senator Al Franken im Amt bleibt, der eine Journalistin bedrängt hat, ist Moore einigermaßen sicher. Die Mehrheitsverhältnisse sind zu knapp im Senat, als dass die Republikaner es sich leisten könnten, Anstand und Moral den Vorzug zu geben und einen sicheren Sitz zu opfern. Könnte ja sein, dass dann die nächste Steuersenkung scheitert.

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Man kann in der Hierarchie der Beschuldigten noch eine Stufe höher gehen: Der amtierende US-Präsident ist ein Republikaner, dem etliche Frauen glaubwürdig vorwerfen, sie sexuell belästigt zu haben. Allerdings gibt es einen ehemaligen demokratischen US-Präsidenten, gegen den mehrere Frauen seit Jahrzehnten ebenso glaubwürdig die gleichen, zum Teil schlimmere Anschuldigungen erheben.

Wann immer die Demokraten fragen, was eigentlich mit Donald Trumps Übergriffen sei, fragen die Republikaner zurück, wann endlich Bill Clinton zur Verantwortung gezogen werde. Das Verhalten der beiden Männer - vielleicht ist es kein Zufall, dass sie früher einmal Golfkumpel waren - wird dadurch nicht appetitlicher oder akzeptabler. Aber der politische Schaden wird beherrschbarer. Schon im Wahlkampf im vergangenen Jahr wirkten die Belästigungsvorwürfe gegen Bill Clinton wie ein Schutzschild für Trump.

Zwar gibt es bei den Demokraten inzwischen erste Stimmen, die anmahnen, die Partei könnte nicht auf ewig aus Nostalgie die Untaten des Altpräsidenten verteidigen. Aber von einem Bruch mit Bill Clinton, von einer offenen und ehrlichen Abrechnung damit, was er Frauen womöglich angetan hat, kann bisher keine Rede sein. Der Grapscher Bill Clinton bleibt eine linksliberale Ikone, der angebliche Kämpfer für Frauen- und Minderheitenrechte. Und der Grapscher Donald Trump bleibt der Held der Rechten, all jener konservativen, christlichen Amerikaner (und erstaunlich vieler Amerikanerinnen), die ansonsten so viel über den Verfall der Sitten klagen.

Von der Politik sollten die Frauen in Amerika also nicht allzu viel Hilfe gegen sexuell übergriffige Männer erwarten. Sie müssen sich nur anschauen, wer im Weißen Haus wohnt.

© SZ vom 20.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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