Deutschland und der Islam:Seehofer sollte die Phantomjagd einstellen

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Die Sehitlik-Moschee am Columbiadamm in Berlin-Tempelhof (Foto: Laima Gutmane via Wiki Commons; CC BY 3.0)

Der Bundesinnenminister muss Deutschland nicht gegen einen finsteren islamischen Wächterrat verteidigen. Er muss auch nicht in Berlin aufräumen. Er ist zuständig für den friedfertigen Umgang der Deutschen miteinander.

Kommentar von Constanze von Bullion, Berlin

Der Islam gehört nicht zu Deutschland, die hierzulande lebenden Muslime tun dies aber schon - mit dieser widersinnigen Botschaft hat Horst Seehofer (CSU) seine Amtszeit an Bundesinnenminister eröffnet. Herzlichen Glückwunsch, möchte man ihm zurufen. Schon in den ersten Stunden am neuen Schreibtisch ist er in die Falle getappt, die sich fast zwangsläufig einem CSU-Politiker stellt, wenn er plötzlich Sicherheitspolitik fürs ganze Land machen soll.

Seehofer will der AfD den Wind aus den Segeln nehmen, auch mit Blick auf die bevorstehende Wahl in Bayern. Das ist parteipolitisch nachvollziehbar. Er hat einen Masterplan für konsequente Abschiebungen angekündigt. Das klingt entschlossen, es fehlt aber noch jede Idee, wie dieser Plan umgesetzt werden soll.

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Seehofer erweckt den Eindruck, als müsse er im gschlamperten Berlin nur mal richtig aufräumen, um Ordnung in die Migrationspolitik zu bringen. Das aber ist wohlfeil - und gefährlich. Denn die Haltung "Berlin kriegt nichts hin" ist die der AfD. Wer diese Partei wirksam bekämpfen will, sollte sie nicht imitieren.

Lautstärke allein reicht jedenfalls nicht, wenn Seehofer aus dem Angstthema Migration ein Arbeitsfeld machen will, auf dem Bürger Vertrauen zurückgewinnen - auch Vertrauen in einen Staat, der jeden rechtschaffenen Bürger zu schützen hat, egal an welchen Gott er glaubt. Zugegeben, versöhnliche Botschaften und Signale der Beruhigung lassen sich derzeit schwerer verkaufen als ein markiges "Der Islam gehört nicht zu Deutschland". Aber sie sind nötig, wenn die Gesellschaft nicht auseinanderbrechen soll.

Ein Bundesinnenminister trägt in herausragender Weise Verantwortung für den friedfertigen Umgang unterschiedlicher Ethnien und Religionsgruppen im Land. Er hat Kriminalität und Terror zu bekämpfen. Er muss manchmal Härte zeigen, nicht aber den Kirchgang an Ostern retten.

Es ist auch nicht ersichtlich, warum "der Islam" kein Teil von Deutschland sein soll, fünf Millionen Muslime im Land aber "selbstverständlich" dazugehören, wie Seehofer versichert. Der Islam in Deutschland, das sind eben diese Muslime, für viele gehört der Glaube zu ihrem Leben. Jenseits dieser Menschen gibt es keine abstrakte Institution, keinen islamischen Wächterrat und keine finstere Macht, gegen die ein christlich geprägtes Deutschland verteidigt werden muss.

Gewiss, es sollte niemand "aus falscher Rücksichtnahme" auf landestypische Traditionen verzichten müssen, wie der Bundesinnenminister warnt. Aber wer tut das eigentlich? Gibt es irgendjemanden in Deutschland, der aus Rücksicht auf Herrn Öztürk nebenan lieber nicht zum Maitanz geht? Heimat hin oder her, Horst Seehofer sollte die Phantomjagd einstellen und sich denen widmen, die tatsächlich Deutschlands innere Sicherheit gefährden: Rechtsextremisten, Islamisten und andere Verfassungsfeinde, die Hass und Furcht verbreiten. Es wird da nicht an Aufgaben fehlen.

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