Seehofer als Bundespräsident:Novize im Schloss Bellevue

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Bei seinem ersten Auftritt als Staatsoberhaupt verleiht Horst Seehofer dem Formel 1 - Weltmeister Sebastian Vettel das silberne Lorbeerblatt. Der eine langweilt, der andere ist nervös - aber die Veranstaltung endet unfallfrei.

Robert Roßmann, Berlin

So verlegen und unsicher hat man Sebastian Vettel lange nicht mehr gesehen. Der Mann ist ein Weltstar, seit Jahren auf allen Erdteilen zu Hause, Doppelweltmeister und Multimillionär. Aber jetzt steht er da wie ein Schuljunge bei der Zeugnisübergabe. Die Hände wandern unbeholfen von einer Hosentasche in die andere. Erst als Vettel die Arme hinter dem Rücken verschränkt, ist Ruhe an der Zappelfront.

Der jüngste Weltmeister aller Zeiten ist halt doch erst 24. Da darf man noch beeindruckt sein, wenn einen der Präsident in seinem Schloss auszeichnet. Und so fällt an diesem Freitag kaum auf, dass noch ein unsicherer Novize im Saal steht.

Horst Seehofer hat seinen ersten eigenen Auftritt als Interims-Präsident. Im Großen Saal des Schlosses Bellevue verleiht er Vettel das Silberne Lorbeerblatt. Vor genau einer Woche ist an derselben Stelle Christian Wulff zurückgetreten.

Selbst Stoiber hätte Seehofer übertroffen

Jetzt steht Seehofer vor einem der berühmten "Farbraumkörper". Die gewaltigen Bilder sollen für "Kommunikation" stehen - eigentlich eine Stärke Seehofers. Der Mann ist ein Meister der freien Rede, geübt in Ironie und Sarkasmus - und deshalb meistens ziemlich unterhaltsam. An diesem Tag würde ihn aber selbst Edmund Stoiber übertreffen.

Er hoffe, dass er die vier Wochen bis zur Bundesversammlung "ohne Regelverletzungen" und "völlig unfallfrei" über die Bühne bringe, hatte Seehofer nach seiner Aschermittwochsrede Journalisten gestanden. Die Sorge merkt man dem CSU-Chef jetzt an. Was könnte man nicht alles über Vettel sagen und scherzen. Doch Seehofer liest nur ein trockenes Manuskript vor.

Am Ende kennen die Zuhörer sogar die neuesten Unfalltotenzahlen vom Verkehrsgerichtstag in Goslar. Neun Minuten dauert Seehofers erste Präsidentenrede, dann steckt er Vettel das Lorbeerblatt ans linke Revers. Und der erste Auftritt in Bellevue ist vorbei - unfallfrei.

Seit 17. Februar ist Seehofer nun "Bundesratspräsident in Wahrnehmung der Befugnisse des Bundespräsidenten gemäß Artikel 57 Grundgesetz", vulgo Interims-Präsident. Seehofer darf sich jetzt die eckige Standarte an den Mercedes stecken und mit dem Kennzeichen "0-1" durchs Land fahren. (Die Kanzlerin muss sich mit "0-2" begnügen, Wulff mit einem Skoda.)

Viele Termine hat der Interimspräsident nicht

Ansonsten scheint ein Befugniswahrnehmungspräsident aber kaum etwas zu tun zu haben. Die ersten vier Tage stand gar nichts auf dem Terminkalender. Am Mittwoch hätte Seehofer dann bei einem Festakt im Frankfurter Städel Museum sein sollen, doch der CSU-Chef besuchte lieber den politischen Aschermittwoch in Passau. Erst am Donnerstag kam Seehofer zum ersten Mal in neuer Funktion nach Berlin. Er nahm an der Gedenkfeier für die Opfer der Zwickauer Terrorzelle teil und besuchte sein neues Reich in Bellevue.

Es war eine denkbar unspektakuläre Inbesitznahme. Eine Übergabe des Amtes von und mit Wulff sieht das Protokoll nicht vor. Und so traf sich Seehofer nur zu einem informellen Gespräch mit leitenden Mitarbeitern des Präsidialamts. Das war's. Seehofer wird nicht in Bellevue einziehen, das lohnt sich nicht für 30 Tage. Außerdem wohnt Seehofer bei Aufenthalten in Berlin immer noch in der "Schlange", einem ehemaligen Abgeordnetenwohnhaus. Das liegt praktischerweise in Sichtweite von Bellevue.

Am 18. März ist Seehofers Präsidentschaft schon wieder um

Oft wird Seehofer aber nicht in sein Schloss kommen müssen. Für die kommende Woche ist noch kein einziger Termin vorgesehen. In der übernächsten Woche stehen bisher nur der Zapfenstreich für Wulff und voraussichtlich ein paar neue Botschafter auf dem Programm. Und am 18. März ist Seehofers Präsidentschaft dann ja schon wieder vorbei.

So dürfte der Freitag bereits der vollste Arbeitstag gewesen sein. Denn nach Vettel kamen noch vier Botschafter ins Bellevue. Die Damen und Herren aus Niger, Bulgarien, Burkina Faso sowie Trinidad und Tobago gaben ihre Beglaubigungsschreiben ab.

Weil das Protokoll für Präsidenten unerbittlich ist, musste Seehofer zwischen Vettel und den Diplomaten noch in die Umkleide. Für den Doppel-Weltmeister reichte ein Anzug, die Diplomaten mussten dagegen im Cut empfangen werden. Es wurden schöne Bilder - für Seehofers Erinnerungsalbum an die Präsidentschaft.

© SZ vom 25.02.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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