Protest:Wieder brennt in Schweden ein Koran

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Er hält den Islam für intolerant - aus Protest dagegen verbrennt Salwan Momika in Stockholm einen Koran. (Foto: Stefan Jerrevång/Imago)

Ein gebürtiger Iraker verärgert mit der umstrittenen Aktion in Stockholm die Türkei. Schwedens Chancen, bald in die Nato aufgenommen zu werden, schrumpfen erneut.

Von Alex Rühle, Stockholm

Die ohnehin geringen Chancen Schwedens, doch noch vor dem großen Nato-Gipfel in Vilnius Mitglied des Verteidigungsbündnisses zu werden, dürften am Mittwochnachmittag endgültig in Rauch aufgegangen sein: Da wurde am Stockholmer Medborgarplatsen öffentlichkeitswirksam ein Koran angezündet. Wieder einmal, schließlich brannte im Februar auch schon ein Koran, damals vor der türkischen Botschaft, was in der muslimischen Welt und insbesondere in Ankara zu Großdemonstrationen führte.

Diesmal zog noch am Mittwoch das marokkanische Außenministerium seinen Botschafter aus Stockholm ab und beschuldigte die schwedische Regierung, die Verbrennung gestattet zu haben, was falsch ist. Der Irak und Iran bestellten am Donnerstag die jeweiligen Vertreter Schwedens ein. Über die Genehmigung von Demonstrationen entscheidet in Schweden allein die Polizei. Die hat zwar nach der Verbrennung im Februar weitere Koranverbrennungen mit Verweis auf die Sicherheitslage und die Gefahr terroristischer Anschläge untersagt.

Die Verbrennung war "legal, aber unangemessen", sagt der Ministerpräsident

Dieses Verbot wurde aber vom Stockholmer Verwaltungsgericht und einem Berufungsgericht wieder einkassiert zugunsten der Demonstrationsfreiheit. Dem schwedischen Ministerpräsidenten blieb deshalb am Mittwoch nur der recht schmallippige Kommentar, die Verbrennung sei "legal, aber unangemessen".

Die Stockholmer Polizei hat am Mittwoch dennoch Ermittlungen aufgenommen wegen des Verdachts auf zwei Delikte: Salwan Momika, gebürtiger Iraker, begründete seine Verbrennung damit, dass er gegen die Intoleranz des Islam protestieren wolle. Der Koran müsse weltweit verboten werden. Da er seine Aktion vor der zentralen Stockholmer Moschee inszenierte, kann das Ganze als Hassverbrechen gegen eine Religionsgemeinschaft interpretiert werden. Dass Momika für seine Verbrennung den Tag wählte, an dem Muslime auf der ganzen Welt den wichtigen Feiertag Eid al-Adha feiern, macht die ganze Aktion noch provokanter. In Bagdad stürmten empörte Demonstranten auf das Gelände der schwedischen Botschaft, zogen aber nach einer Viertelstunde wieder ab.

Außerdem hat Momika gegen ein anderes momentan bestehendes Verbot verstoßen: Es ist aufgrund der monatelangen Trockenheit im Großraum Stockholm strikt untersagt, irgendeine Art von Feuer zu machen.

Die Gefahr eines Waldbrandes ist am sehr urbanen Medborgarplatsen relativ gering. Die Aktion wirkte aber trotzdem wie ein Brandbeschleuniger: Der türkische Außenminister Hakan Fidan schrieb auf Twitter, es sei "inakzeptabel, diese antiislamischen Handlungen unter dem Vorwand der Meinungsfreiheit zuzulassen". Fahrettin Altun, der Sprecher von Präsident Recep Tayyip Erdoğan, wurde noch deutlicher: "Diejenigen, die unsere Verbündeten in der Nato werden wollen, können das destruktive Verhalten islamfeindlicher und fremdenfeindlicher Terroristen nicht tolerieren oder ermöglichen."

Finden Verhandlungen mit der Türkei über den Nato-Beitritt Schwedens jetzt noch statt?

Die Türkei verweigert dem schwedischen Nato-Antrag seit einem Jahr die Unterschrift mit der Begründung, das Land tue zu wenig gegen Terrorismus. Erdogan hatte im Februar gesagt, solange Schweden erlaube, "mein heiliges Buch, den Koran, zu verbrennen und zu zerreißen", könne Ankara niemals zustimmen. Am 6. Juli sollte es eigentlich im Brüsseler Nato-Hauptquartier erneute Verhandlungen zwischen Schweden und der Türkei geben. Ob die jetzt noch stattfinden, war am Donnerstag nicht klar.

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Am Donnerstag kam dann noch die Nachricht, dass Ungarn, das zweite Nato-Mitglied, das den schwedischen Beitritt blockiert, anders als bisher geplant, nicht mehr vor der parlamentarischen Sommerpause über den Antrag abstimmen will.

Im Gegensatz zur Türkei hat die ungarische Regierung an Schweden keine konkreten Forderungen zur Ratifizierung gestellt. Das Verhältnis zu Schweden bezeichnete die Regierung jedoch als "furchtbar schlecht". Schweden hat in der EU mehrfach ein strengeres Vorgehen gegen Viktor Orbáns Regierung angemahnt. Das ungarische Parlament tagt erst wieder im September. Der Nato-Gipfel in Vilnius findet am 11. und 12. Juli statt.

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