Budget:Die neue Geldfrage

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Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) spricht in seiner Haushaltsrede ausführlich über die "Schuldenbremse". (Foto: Michael Kappeler/dpa)

Der deutsche Schuldenberg wächst, doch damit soll bald wieder Schluss sein. Der Ampelregierung drohen damit ernste Verteilungskonflikte.

Von Henrike Roßbach

Wenn man die Tatsache, wie oft Christian Lindner bei einem Auftritt "Schuldenbremse" sagt, als Indikator gelten lässt, wird es offenbar langsam ernst. Am Montag, anlässlich der Einigung zum Sondervermögen Bundeswehr, erwähnte der Bundesfinanzminister die deutsche Schuldenregel in seinem 14-Minuten-Statement nämlich gleich sechs Mal, und in seiner Haushaltsrede am Dienstag weitere vier Mal - in fünf Minuten.

Der Bundestag hat am Freitag den Haushalt 2022 verabschiedet, und geht es nach FDP-Chef Lindner, soll es auf absehbare Zeit der letzte gewesen sein, bei dem die verfassungsrechtliche Grenze für neue Schulden nicht gilt. 138,9 Milliarden Euro neue Kredite nimmt der Bund in diesem Jahr auf, um die Flurschäden der Pandemie und des Ukraine-Kriegs einzuhegen. Die 100 Milliarden für das Sondervermögen Bundeswehr kommen noch dazu. Nächstes Jahr aber will Lindner die von ihm viel zitierte Schuldenbremse wieder einhalten. Deshalb wird dem Vernehmen nach für 2023 nur noch mit einer Neuverschuldung von etwa 16 Milliarden Euro geplant.

Die ersten Chef-Gespräche zum Etat 2023 haben schon stattgefunden, von Minister zu Minister. Nach dem einen Haushalt ist also vor dem anderen, und mit diesem anderen kommen auf die Ampelregierung ernste Verteilungskonflikte zu. Zu hören ist, dass die Wünsche derzeit noch viele Milliarden über dem liegen, was schuldenbremsenadäquat wäre. Und der Koalitionsvertrag als Ganzes ist finanziell gesehen ohnehin heillos überzeichnet.

Ein erstes Rumpeln zwischen Lindner und SPD-Sozialminister Hubertus Heil diese Woche zeigt, dass die Kerntemperatur im Innern der Ampel schon bald unter die Wohlfühlschwelle sinken könnte. Heil hatte ein soziales Klimageld vorgeschlagen, eine zweistellige Milliardenentlastung für alle Bürger mit einem Einkommen von bis zu 4000 Euro im Monat. Im Koalitionsvertrag ist tatsächlich ein "Klimageld" vereinbart. Allerdings nicht aus Haushaltsmitteln, sondern als Mechanismus, wie die vom Staat eingesammelten Klimaabgaben über eine Kopfpauschale wieder an die Bürger ausgeschüttet werden können. Lindner reagierte prompt ziemlich kühl auf Heils Vorstoß, nannte ihn ambitioniert, aber "noch nicht so richtig durchdacht".

Der Ton für die nächste Zeit damit ist gesetzt. Der Kanzler hat diese Woche im Bundestag zwar gesagt, die Regierung werde die Schuldenbremse im nächsten Jahr "wieder beachten". Doch so oft Lindner "Schuldenbremse" sagt, so oft kommt von einigen seiner Partner: "Schau'n wir mal." Zum Beispiel von Sven-Christian Kindler, Haushälter der Grünen. Der verweist darauf, dass die EU-Kommission gerade erst "zu Recht" die Ausnahmeklausel von den europäischen Schuldenregeln auch für 2023 beschlossen habe. "In Zeiten der Not setzt man nicht den Rotstift an und suggeriert Normalität, sondern geht die Krisen entschlossen an und finanziert das Notwendige." Er wünsche sich ja wirklich sehr, "dass wir schnell die Krisenzeit hinter uns lassen". Aber er befürchte, dass insbesondere der russische Krieg in der Ukraine "leider so schnell nicht beendet wird", jedenfalls wenn er sich das schreckliche Handeln und die imperialen Pläne der russischen Führung anschaue. Europa dürfe sich von Putin auf der langen Strecke aber nicht auseinanderdividieren lassen. "Diesem übergeordneten Ziel muss sich auch die Finanzpolitik mit ihrer dienenden Funktion unterordnen."

Lindner dagegen sieht seine dienende Funktion derzeit vor allem in der Bekämpfung der Inflation. Seine Argumentation geht so: Die expansive Fiskalpolitik des Staates - also das große Geldausgeben für Subventionen aller Art - muss enden, um Druck zu nehmen von den steigenden Preisen. Und: Solide Haushalte sind notwendig, damit die Europäische Zentralbank mit ihrer Zinspolitik keine Rücksicht nehmen muss auf wackelig finanzierte Staaten.

"Die steigenden Preise sind für viele Menschen eine schwere Last im Alltag", sekundiert FDP-Fraktionschef Christian Dürr. Deswegen müsse für weitere Entlastung gesorgt werden - was für die FDP aber bedeute, "dass der Staat den Menschen mehr Geld am Ende des Monats übrig lässt, nicht dass er mehr Geld auszahlt". Dürr warnt zudem: "Wir müssen vorsichtig sein: Ausufernde Staatsausgaben heizen die Inflation an." Die Schuldenbremse 2023 wieder einzuhalten, sei "wichtiger denn je".

Zum Abschluss der Haushaltswoche rechnete Lindner am Freitag noch mal vor, dass die Ampel nun zwar gut 139 Milliarden Euro Schulden mache, die unionsgeführte Vorgängerkoalition aber ursprünglich mal 240 Milliarden angepeilt habe. Auf Zwischenrufe, dass der zuständige Finanzminister damals der Sozialdemokrat Olaf Scholz gewesen sei, antwortete Lindner: "Ja, Finanzminister Scholz ist jetzt der Bundeskanzler." Und dann, nach Heiterkeit im Plenum und auf der Regierungsbank: "Wir haben heute eine andere Arbeitsteilung in der Regierung."

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