Nord Stream 2:Schröder rät zu Selbstbewusstsein - und notfalls mehr

Schröder Nord Stream 2 Wirtschaftsausschuss

Ein Auftritt aus „Respekt vor dem Parlament“: Ex-Kanzler Gerhard Schröder, jetziger Leiter Verwaltungsrat Nord Stream 2, im Wirtschaftsausschuss des Bundestags am Mittwoch.

(Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Die Parlamentarier gehen den Ex-Kanzler bei seinem Auftritt vor dem Wirtschaftsausschuss teils hart an. Der hat von seiner Schroffheit nichts verloren. Kritik an seiner Nachfolgerin spart er sich.

Von Daniel Brössler, Berlin

Alexander Ulrich hat es sicher nicht böse gemeint. Der Abgeordnete der Linksfraktion ist Mitglied im Wirtschaftsausschuss und hat für die Frage, die ihm am Herzen liegt, unter den als sachverständig geladenen Herren den ausgewählt, der ihm am kompetentesten erscheint. Von Gerhard Schröder also möchte er wissen, wie denn wohl die Reaktion Russlands ausfallen werde, sollten die USA, wie angedroht, ihre Sanktionen gegen den Bau der Gaspipeline Nord Stream 2 noch einmal verschärfen. Es ist, wie sich herausstellt, eine Frage, die Gerhard Schröder nicht gefällt. "Ich werde einen Teufel tun und mir eine Reaktion in Russland ausdenken", blafft er, "warum sollte ich das?"

Ja, warum? Auf seinem Namensschild firmiert der einstige SPD-Politiker als "Bundeskanzler a. D.", aber während der Anhörung im Wirtschaftsausschuss muss er sich auch andere Titel anhören. Der FDP-Abgeordnete Reinhard Houben nennt ihn einen "Kreml-Lobbyisten", und die Grüne Claudia Müller erinnert daran, Schröder sei "Aufsichtsratsvorsitzender eines Gasunternehmens und Vorstandsvorsitzender eines anderen". In der Anhörung geht es um die "Sicherung der Souveränität deutscher und europäischer energiepolitischer Entscheidungen" in Sachen Nord Stream 2. Verwaltungsratschef dort ist Gerhard Schröder.

In der Tat fällt Schröder ein wenig aus der Reihe der anderen Sachverständigen, vor allem Vertreter von Wirtschaftsverbänden und außenpolitischen Denkfabriken. Klaus Ernst, Ausschussvorsitzender von der Linksfraktion, hat ihn eingeladen. "Mein Respekt vor dem Parlament ist immer noch so groß, dass ich dann auch komme, es sei denn, ich bin krank oder kann auf gar keinen Fall", erläutert der Altkanzler. Schröder muss sein Erscheinen auch gar nicht bereuen, denn die Anhörung läuft gut für ihn - was vor allem damit zu tun hat, wie schlecht es für das deutsch-amerikanische Verhältnis läuft.

Schröder lobt seine Nachfolgerin Merkel mehrmals für ihren Einsatz in Sachen Pipeline

Der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Niels Annen (SPD), beklagt in der Anhörung einen "direkten und schwerwiegenden Eingriff in die deusche und in die europäische Souveränität und Energiesicherheit". Gemeint ist ein Gesetzesentwurf, den die US-Senatoren Ted Cruz, ein Republikaner, und Jeanne Shaheen, eine Demokratin, eingebracht haben, um schon bestehende Sanktionen gegen Nord Stream 2 noch einmal zu verschärfen. Die Änderung würde europäische Unternehmen, Versicherungen und sogar Beamte mit Kontensperrungen und Einreiseverboten bedrohen, die auch nur indirekt verantwortlich gemacht werden können für die fast fertiggestellte Pipeline, die russisches Gas nach Deutschland pumpen soll. "Letztendlich könnten die Sanktionen die Inbetriebnahme auf Dauer verhindern", räumt der Parlamentarische Wirtschaftsstaatssekretär Thomas Bareiß (CDU) ein. Das sei ein "in der transatlantischen Partnerschaft einmaliges Vorgehen", das man "bei aller freundschaftlichen Verbundenheit" ablehne.

Tatsächlich ist den Amerikanern mit ihrer Sanktionspolitik das fast Unmögliche gelungen. Eigentlich ist die vor allem von der Ukraine und Polen kritisierte Pipeline auch in der deutschen Politik umstritten. Im Europa-Wahlkampf hatte sich selbst der Spitzenkandidat der Union, Manfred Weber (CSU), gegen die Röhre gestellt. In der Empörung über die sogenannten exterritorialen Sanktionen herrscht im Bundestag nun aber fast durchgängige Einigkeit, weshalb der Sachverständige Schröder gar nicht viel Überzeugungsarbeit zu leisten braucht. "Die USA wollen einen souveränen Staat wie Deutschland und einer souveränen Staatengemeinschaft wie Europa vorschreiben, was sie zu tun und zu lassen haben", sagt er. Das sei natürlich zurückzuweisen. Nun müssten alle "diplomatischen Möglichkeiten ausgenutzt" werden, aber es werde "auch nicht ohne Gegensanktionen gehen können".

Man solle sich mit Gegensanktionen nicht dem Vorwurf aussetzen, selbst gegen Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) zu verstoßen, warnt da Volker Treier vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag. Die deutsche Wirtschaft sorgt sich nicht zuletzt um ihre Interessen in den USA, was Schröder zu ärgern scheint. "Besser gar nix machen" könne ja nicht die Lösung sein, protestiert er. Notfalls müsse man eben "schmerzliche Gegensanktionen ins Schaufenster stellen". Näheres sei freilich Sache der "operativen Politik".

An der hat Schröder, was Nord Stream 2 betrifft, ansonsten auffällig wenig auszusetzen. Seine Nachfolgerin Angela Merkel lobt er gleich mehrmals für ihren Einsatz. Es könne zu Verzögerungen kommen, wird die Bundeskanzlerin später in der Fragestunde des Bundestages sagen. Und: "Wir glauben trotzdem, dass es richtig ist, dieses Projekt fertigzustellen, und in diesem Sinne agieren wir."

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