Schleswig-Holstein:Carstensen - eine Chance für die SPD

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Ministerpräsident Carstensen gibt zu, in der delikaten Causa HSH Nordbank Unwahres behauptet zu haben. Der Kieler Regierungschef wird für seine CDU zur Belastung - und für die ramponierte SPD zum möglichen Rettungsring.

Kommentar von Oliver Das Gupta

Das Geschehen im hohen Norden der Republik lässt aufhorchen. Lärmend zerbrach dort in der vergangenen Woche die Regierung aus CDU und SPD.

Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (Foto: Foto: ddp)

Der konservative Ministerpräsident Peter Harry Carstensen fordert Neuwahlen im September, die Umfragewerte prognostizieren seiner CDU den Sieg. Die SPD mit ihrem Landeschef Ralf Stegner ist bislang strikt gegen einen vorgezogenen Urnengang. Kein Wunder: Ihr droht eine herbe Niederlage.

Drohender Bumerang

Das wahltaktische Kalkül Carstensens schien zunächst aufzugehen. Auch die Opposition aus FDP, Grünen und Südschleswigschem Wählerverband sprach sich für Neuwahlen aus - die Grünen machten Carstensen sogar unverhohlen Avancen. Es war klar: Die SPD kann die Auflösung des Parlaments nur noch um Tage hinauszögern, aber nicht verhindern.

Seit diesem Sonntag verkehren sich die Vorzeichen. Der Neuwahlplan könnte sich zu einem Bumerang für Carstensen entwickeln.

Denn der schleswig-holsteinische Minsterpräsident musste Heikles eingestehen: Carstensen hat Unwahres von sich gegeben.

In einem Brief an den Kieler Parlamentspräsidenten hatte der Regierungschef behauptet, die Sonderzahlung an HSH-Bankchef Dirk Jens Nonnenmacher mit den Landtagsfraktionen von CDU und SPD abgesprochen zu haben - ergo: Die bisherigen Koalitionäre hätten dem Bonus zugestimmt.

Die Behauptung trifft nicht zu, räumt Carstensen nun ein. Das Wort "Lüge" verwendet er freilich nicht. Zerknirscht wirkt der volkstümelnde Friese ebensowenig. Er sei möglicherweise über das Schreiben "ein bisschen flott hinweggegangen".

Ob bewusst oder fahrlässig: Carstensen hat mit seiner unwahren Behauptung der SPD geschadet. Man könnte auch sagen: Er wollte seinem politischen Gegner etwas anhängen, was er selbst mitverbockt hat. Der Nonnenmacher-Bonus ist angesichts der versenkten Milliarden des Geldhauses ein besonderer Aufreger.

Gewaltiges Brodeln über Ostern

Spätestens im Frühjahr war klar, dass der Ministerpräsident eine unrühmliche Rolle im HSH-Nordbank-Desaster spielt: Damals trat der Landeswirtschaftsminister Werner Marnette, ebenfalls CDU, zurück - und stellte anschließend Carstensen per Interview als ignorant und inkompetent dar.

In den Ostertagen brodelte es gewaltig in der CDU-Landtagsfraktion, doch ein Jahr vor dem regulären Wahltermin im Mai 2010 wollte die Union ihren Spitzenmann nicht auswechseln - nun kann sie es nicht mehr.

Der Kandidat der Nord-CDU heißt Peter Harry Carstensen - darin liegt die wohl einzige Chance der darbenden SPD.

Nach Carstensens Eingeständnis wirkt er tatsächlich wie ein Trickser und Vertuscher. Die Behauptung, er habe vor allem deshalb Neuwahlen provoziert, weil erst im Herbst das wahre Ausmaß der Nord-Bank-Misere ans Licht käme, wird nun kräftig genährt. Dass es neue Enthüllungen gibt, ist nicht unwahrscheinlich: Erst am Wochenende wurde bekannt, dass auch ein anderer Geldmanager eine Extra-Million einstecken durfte.

Die Wähler sollen neu entscheiden

Und in den folgenden Wochen könnte sich rächen, dass Carstensen es versäumt hat, sich mit internen Kritikern zu versöhnen und die Reihen in der CDU-Landtagsfraktion zu schließen.

Zudem zeigt ein Blick in die Vergangenheit des Landes Schleswig-Holstein, dass Kieler Regierungschefs, die nicht bei der Wahrheit bleiben, ihr Amt verlieren: So war es bei Björn Engholm, so war es bei Uwe Barschel (in anderen Dimensionen).

Die Nord-SPD hätte gut daran getan, eine Neuwahl in Schleswig-Holstein zu befürworten.

Angesichts der fehlenden politischen Mehrheit und der neuen Enthüllungen in der Causa HSH Nordbank ist dringend geboten, den Wählern zwischen Nord- und Ostsee die Chance zu geben, neu zu entscheiden.

Sicher: Ein SPD-Landeschef ist kein idealer Sympathieträger. Eine Alternative zu einem Ministerpräsidenten, der absichtlich oder aus Wurschtigkeit nicht bei der Wahrheit bleibt, ist er allemal.

Der Mann in der Staatskanzlei ist zum Rettungsring für die SPD geworden - sie muss nur beherzt nach ihm greifen.

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