Maut-Affäre:Ermittlungen gegen Andreas Scheuer eingeleitet

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Die Berliner Staatsanwaltschaft verdächtigt den Ex-Minister, im Maut-Untersuchungsausschuss falsch ausgesagt zu haben.

Von Markus Balser, Berlin

Das milliardenschwere Mautdebakel von Ex-Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer gerät ins Visier der Strafverfolger. Die Berliner Staatsanwaltschaft hat ein Ermittlungsverfahren gegen Scheuer und seinen früheren Staatssekretär Gerhard Schulz eingeleitet. Das teilte die Behörde am Dienstag mit. Der Staatsanwaltschaft zufolge gehen die Ermittler dem Anfangsverdacht der uneidlichen Falschaussage in einem Untersuchungsausschuss des Bundestags nach.

Der Ausschuss hatte die Affäre um Scheuer über eineinhalb Jahre bis zum Sommer 2021 aufgearbeitet. Der CSU-Politiker war heftig unter Druck geraten, weil er als Verkehrsminister bereits Ende 2018 milliardenschwere Mautverträge unterzeichnen ließ, obwohl gar keine Rechtssicherheit für das CSU-Prestigeprojekt bestand. Im Juni 2019 erklärte der Europäische Gerichtshof die Abgabe dann für europarechtswidrig. Weil der Bund die Verträge kündigen musste, klagen die Betreiber inzwischen auf 560 Millionen Euro Schadenersatz.

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Das teilen die Firmen CTS Eventim und Kapsch Traffic Com in einer Mitteilung an die Börse mit. Sie verweisen auf einen Zwischenschiedsspruch. Über die zu zahlende Summe muss noch entschieden werden.

Im Zentrum der Ermittlungen steht ein Vorschlag der Mautfirmen, der schon im Untersuchungsausschuss des Bundestags im Jahr 2021 für Aufsehen gesorgt hatte: Der Chef des Mautbewerbers CTS Eventim, Klaus-Peter Schulenberg, hatte Scheuer laut eigener Aussage Ende 2018 bei einem Treffen vorgeschlagen, mit der milliardenschweren Vertragsunterzeichnung für die Mautverträge bis nach dem EuGH-Urteil 2019 zu warten. So lange also, bis klar sein würde, dass die Maut auch wirklich eingeführt werden kann.

Angeblich wollte Scheuer die Mautbetreiber dazu bringen, die Unwahrheit zu sagen

Die Vorgänge gelten als brisant für Scheuer. Denn der Minister hätte damit hohe finanzielle Risiken für Steuerzahler verhindern können. Doch Scheuer soll abgelehnt und eine Mauteinführung deutlich vor dem Wahljahr 2021 gefordert haben. Die Verträge wurden kurz danach geschlossen. Im Bundestag behauptete Scheuer später, diesen Vorschlag der Betreiber habe es nie gegeben. Den Widerspruch will nun offenbar die Staatsanwaltschaft aufklären.

Die Vorwürfe der Unternehmen reichten indes noch weiter. Laut Schulenberg wollte Scheuer nach der Niederlage vor Gericht im Juni 2019 die Mautbetreiber auch noch dazu bringen, der Öffentlichkeit selbst die Unwahrheit zu sagen. Er soll gefordert haben, dass die Manager erklären, selbst für einen schnellen Vertragsabschluss 2018 gewesen zu sein. Die Betreiber lehnten nach eigenem Bekunden ab.

Scheuer wies die Vorwürfe am Dienstag zurück und erklärte, er habe vor dem Untersuchungsausschuss "wahrheitsgemäß" ausgesagt. "Ich gehe fest davon aus, dass auch eine Überprüfung zu keinem anderen Ergebnis kommen wird", sagte er der SZ. Sein früherer Staatssekretär Schulz, der das Mautprojekt im Ministerium federführend vorantrieb, äußerte sich zunächst nicht zu den Vorwürfen.

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Mit den Ermittlungen geht auch der politische Streit um die Maut in eine neue Runde. Die große Koalition aus SPD und Union hatte sich im Abschlussbericht nur zu schwacher Kritik an Scheuer durchringen können. FDP, Grüne und Linke hielten die Vorwürfe gegen ihn für stichhaltig. "Es lässt auf Gerechtigkeit hoffen, dass die Staatsanwaltschaft jetzt ermittelt", sagte der Linken-Politiker Victor Perli.

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